Angelo Kelly, Sie haben nach zehn Jahren wieder einmal ein Soloalbum veröffentlicht. Wie geht es Ihnen dabei?
Super! Ich mache das zwar nicht zum ersten Mal, bin seit 40 Jahren im Geschäft, aber man ist doch jedes Mal angespannt und hofft, dass die Leute es mögen.
Wieso dauerte es so lange?
Ich war mit meinen beiden Familien, also meinen Geschwistern und dann mit meiner eigenen, sehr beschäftigt, habe in den letzten zehn Jahren einige Platten und Touren mit meiner Frau und meinen fünf Kindern gemacht. Das war eine sehr schöne Zeit. Dann hatte ich auch mit der Kelly Family zwischen 2017 und Anfang 2020 ein Comeback, das waren auch sehr intensive Jahre. Da war kein Platz und keine Energie für meine eigene Sache.
Ist es nicht schwierige, zehn Jahre musikalisches Schaffen in ein Album zu packen?
Nein, das hat mit den zehn Jahren nichts zu tun. Ich habe mich musikalisch in all den Jahren immer ausgetobt, meinen Weg gefunden. Aber das, was ich jetzt gemacht habe, dieses Album, ist das, was ich heute mit meinen Musikern machen will, es ist also eher das Resultat meines Lebens.
In einer so lange Zeit verändert man sich ja auch persönlich, wie haben Sie sich entwickelt?
Ich bin gelassener geworden, lasse mich nicht immer gleich verrückt machen, wenn etwas nicht funktioniert. Ob mein Album jetzt in die Top 10 kommt oder nicht, dass ist mir nicht mehr so wichtig wie noch vor fünf oder zehn Jahren.
Welche Bedeutung hat «Grace» für Sie persönlich?
Als Künstler hatte ich den Mut, das zu tun, was ich privat wirklich machen wollte. Es hat nichts mit der heutigen kommerziellen Musik zu tun. Und die Art, wie wir die Stücke aufgenommen haben, wir waren sechs Musiker in einem Raum, war sehr speziell. Wir haben jeden Song einmal durchgespielt, es gab keine Korrekturen. Wir haben auch keine Computer benutzt, sondern alles auf Band aufgenommen wie in den 60er- und 70er-Jahren. Es ist das Authentischste, was man von mir je bekommen hat.
Heute muss jeder jedem seine Meinung sagen, das ist doch Wahnsinn
Angelo Kelly
Bei wem holen Sie Rat, wenn Sie was wissen möchten, was die Musik betrifft?
Ich habe schon mein Leben lang grossartige Mentoren, dich mich inspirieren, dann aber auch meine Musiker, die alle grossartige Künstler sind und mit denen man sich super austauschen kann.
Wem zeigen Sie jeweils als erstes Ausschnitte aus einem neuen Album?
Niemanden. Bevor ich ein Album herausbringe, interessiert es mich überhaupt nicht, was andere davon denken. Klar, vielleicht hören meine Frau oder meine Kinder mal rein, aber ich reagiere nicht darauf. Ich drücke mich so aus und mache die Musik, die ich gerade richtig finde.
Vom wem kommt Kritik?
Von der eigenen Familie und den engsten Freunden. Aber das kommt eher selten vor und dann auch nicht ungefragt. Ich habe das Gefühl, heute muss jeder jedem seine Meinung sagen, das ist doch Wahnsinn. Wir wären alle gut bedient, wenn wir ab und zu mal die Schnauze halten würden. Musik ist etwas sehr Persönliches.