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Boris Becker spricht über Zeit im Gefängnis

«Ein Häftling wollte mich umbringen»

Fünf Tage nach seiner Haftentlassung steht Boris Becker im TV- Interview mit Steven Gätjen Rede und Antwort. Er spricht über Reue, Ängste, Lehren und Pläne für seine zweite Chance.

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Boris Becker hat mehrfach mit den Tränen zu kämpfen.
Boris Becker hat mehrfach mit den Tränen zu kämpfen. Sat.1/Nadine Rupp

Mitte der vergangenen Woche ist der ehemalige Tennisspieler Boris Becker (55) nach über siebenmonatiger Haft aus einem Gefängnis in England entlassen worden. Im Exklusiv-Interview mit TV-Sender Sat.1 stellte er sich nun rund zwei Stunden lang den Fragen von Moderator Steven Gätjen (50). Wie war sein Leben im Gefängnis? Was hat er während seines Aufenthaltes im Gefängnis gelernt? Und wie sieht nun seine Zukunft aus?

«Natürlich war ich schuldig», stellt Becker gleich zu Beginn des Interviews klar. Von über 20 Anklagepunkten sei er zwar «nur» in vier schuldig gesprochen worden. Doch das habe eben für die zweieinhalb Jahre Haft gereicht, zu denen er ursprünglich verurteilt worden war. Dass er seine Haftstrafe durch mehr Einsicht hätte drücken können, glaubt Becker nicht, gesteht sich jedoch ein: «Vielleicht habe ich nicht genug Reue gezeigt.»

Seiner Partnerin Lilian de Carvalho Monteiro habe er noch vor der Bekanntgabe des Strafmasses gesagt: «Du bist eine junge Frau, du musst nicht auf mich warten.» Als er sich an ihre Reaktion zurückerinnert, schiessen Becker erstmals im Interview die Tränen in die Augen. «Boris, wir sind ein Team», habe sie gesagt. «Rede nicht so einen Scheiss hier.»

Die Angst vorm Duschen

Zwei grosse Sorgen habe er verspürt, als die Haftstrafe verlesen und er im Anschluss zum Gefängnis transportiert wurde: «Das eine war eine Doppelzelle [...] und die zweite grosse Angst hatte ich vor dem Duschen.» Durch berüchtigte Dusch-Szenen aus Gefängnisfilmen habe er sich im Geist schon Horrorszenarien ausgemalt – die Realität sah aber zum Glück vollkommen anders aus: Es gab einzelne Duschkabinen, «niemand sah sich dort nackt.»

Auch die gefürchtete Doppelzelle blieb ihm erspart. Becker erhielt eine Einzelzelle, weil er unter besonderem Risiko («High Risk») stehend eingestuft wurde. Zellengenossen hätten ihn etwa unter Gewaltandrohung dazu erpressen können, von berühmten Freunden Geld einzutreiben, begründet Becker diese Massnahme. Die Einzelzelle garantierte jedoch nicht, dass er sich in den beiden Haftanstalten, in denen er seit seiner Verurteilung einsass, sicher fühlen durfte.

Er erhielt Morddrohung

«Ein Häftling wollte mich umbringen», schildert Becker mit eindringlichem Blick. Bei diesem Thema ringt Becker mehr denn je mit den Tränen, bittet Gätjen immer wieder um «zwei Minuten», um sich zu sammeln. Den genauen Grund für die Drohung nennt er nicht, jedoch schien sie absolut ernstgemeint gewesen zu sein – «er hat mir verbal gesagt, was er alles mit mir machen wird.»

Doch die anderen Insassen aus seinem Flügel hätten ihn umgehend in Schutz genommen und am Folgetag eine Aussöhnung arrangiert. «Ich kam in die Wäscherei und er hat sich auf den Boden geworfen, meine Hand geküsst.» Mit bebender Stimme schildert Becker seine Reaktion darauf: «Ich habe ihn in den Arm genommen und ihm gesagt, dass ich grossen Respekt vor ihm habe.» Den Mitgefangenen, die sich für ihn auch in anderen Situationen eingesetzt haben, sei er auf ewig dankbar und er «glaube, dass ich mit einigen Häftlingen ewig verbunden bleibe.»

Unterstützung durch seine Freunde

Eine der grössten Überraschungen im Knast habe ihm ein ehemaliger Wegbegleiter und jahrelanger Konkurrent bereitet: «Michael Stich hat mir einen dreiseitigen Brief geschrieben und tolle Worte gefunden.» Wieder ringt Becker mit den Tränen, als er davon erzählt. Ein guter und in England sehr berühmter Freund wollte ihn derweil besuchen kommen, durfte es aber nicht: Liverpool-Trainer Jürgen Klopp (55). Zu gefährlich für alle Beteiligten wäre das gewesen und hätte für zu viel Aufruhr im Gefängnis gesorgt – so wurde Becker das erteilte Besuchsverbot erklärt.

Die Lehre aus der Knasthölle

Einen ganz pragmatischen Pluspunkt an der Haft hatte Becker gleich zu Beginn des Interviews genannt. Im Gefängnis gab es für ihn keinen Alkohol, keine Zigaretten – «meiner Gesundheit tat der Gefängnisaufenthalt sicherlich gut.» Durch die karge Kost habe er zudem einige Kilos abgenommen und sei «demütiger» geworden.

Die wichtigste Lehre zog er in der Haft aber hinsichtlich seiner Familie. «Ich glaube unsere Liebe zueinander, unser Verständnis von Familie [...] ist enger geworden.» Massgeblich sei das hinsichtlich seiner Tochter Anna Ermakova (22) der Fall gewesen: «Ich habe noch nie so oft und regelmässig mit meiner Tochter gesprochen wie im Gefängnis», sagt Becker beinahe ungläubig. «Es brauchte wirklich ein Gefängnis, damit wir uns so nah gekommen sind, wie nie zuvor in der Freiheit.» Wie sein zwölfjähriger Sohn Amadeus wollte auch sie ihn besuchen kommen, das wollte er zum Schutz beider Kinder und schweren Herzens jedoch nicht.

Seine Zukunftspläne

Trotz der geschilderten Sorgen, der widrigen Umstände und Bedrohungen hinter Gittern fällt Boris Beckers Fazit angesichts dieser familiären Entwicklung positiv aus: «Ich glaube, dieser Gefängnisaufenthalt hat mich zurückgeholt, [...] das Gefängnis war gut für mich.» Er werde künftig anders durchs Leben gehen und wisse seit der Haft nun auch genau, welche Menschen wirklich zu ihm stehen.

Für das neue Leben, das ihm im fortgeschrittenen Alter noch einmal geschenkt wurde, hat er sich bereits viel vorgenommen: «Ich bin 55, ich will noch 25 gute Jahre vor mir haben – hoffentlich mit meiner grossen Liebe Lilian.» Ob aus ihr eines Tages auch seine Ehefrau wird, will Becker vor den Fernsehkameras nicht enthüllen. Fest steht für ihn aber, dass die gemeinsame Zukunft wohl nicht in Deutschland liegen wird. Seinen Lebensabend malt er sich zum Abschluss des Interviews wie folgt aus: «Umringt von meinen Kindern, ich hoffe, es kommen noch einige dazu. Ich bin ein Familienmensch und meine Kinder sind die Liebe meines Lebens.»

Von bes/spot am 21. Dezember 2022 - 09:29 Uhr