Das Lachen dürfte dem ehemaligen College-Lehrer von Renée Zellweger, 50, vergangenen Montag gründlich vergangen sein: Da wird in Los Angeles der Name seiner einstigen Theaterkursschülerin bei der 92. Oscar-Verleihung aufgerufen. Für ihre Rolle im Drama «Judy» erhält die Texanerin mit Schweizer Wurzeln das Goldmännchen als beste Hauptdarstellerin. 30 Jahre zuvor hatte der Lehrer Renée noch ausgelacht, weil sie gern die Hauptrolle im College-Theater gespielt hätte.
Nichts deutet damals auf eine Hollywood-Karriere hin. Renée Kathleen Zellweger wird am 25. April 1969 in Baytown geboren. Mit ihrem Bruder Drew, 52, wächst sie im 18 000-Einwohner-Nest Katy bei Houston auf. Ihr Vater Emil, heute 82, war als Achtjähriger mit seinen Eltern von Au SG in die USA ausgewandert. Er arbeitete als Ingenieur für die Ölindustrie und traf seine Frau Kjellfrid auf einer Fähre. Die Norwegerin aus der Volksgruppe der Samen arbeitete damals als Krankenschwester und Hebamme.
Renée ist eine Sportskanone in der Schule. Sie spielt Base- und Basketball, macht Gymnastik, ist im Cheerleading-Team ihrer Highschool und fährt gern Ski. Bis heute trägt sie eine kleine Narbe im Gesicht: «Da hämmerte ich mir in der siebten Klasse einen Skistock ins Gesicht.» In der Schweiz ist sie erstmals 2001 auf der Skipiste – in Klosters. Über die Zugfahrt in das Bündner Bergdorf schwärmt sie damals: «Es war so idyllisch.» Und verrät, dass sie ihren Verwandten in Au regelmässig schreibt.
Als sich Zellweger in die Traumfabrik aufmacht, hat sie ein Studium in englischer Literatur in der Tasche und als Barmaid so viel Geld verdient, dass es für Schauspielschule und Miete reicht. «Meine Eltern erzogen mich zur Selbstversorgung.» In L. A. dreht sie Werbespots, spielt auf kleinen Theaterbühnen, ehe sie Matthew McConaughey in einem Schauspielkurs kennenlernt. An seiner Seite hat sie die erste Hauptrolle – in «The Texas Chainsaw Massacre». Der Horrorfilm ist ihre Eintrittskarte für Hollywood. Im Casting zu «Jerry Maguire» wird sie 1996 Stars wie Winona Ryder, Bridget Fonda und Oscar-Preisträgerin Marisa Tomei vorgezogen.
Zu Weltruhm aber bringt sie es als trottelige, frustrierte, übergewichtige Londoner Single-Frau Bridget Jones in der Beziehungskomödie «Bridget Jones's Diary» – in Riesenschlüpfern und im Playboy-Hasenkostüm. Zehn Kilo frisst sie sich für die Rolle an: Pizza, Süsses, Bier.
Laut «Forbes» ist sie zeitweise die bestbezahlte Schauspielerin Hollywoods. Geschätztes Vermögen: 210 Millionen Franken. Sie räumt Preise ab (4 Golden Globes, 1 Oscar als beste Nebendarstellerin in «Cold Mountain»), leistet sich ein Haus im New Yorker Promi-Hotspot Hamptons, eine Villa im Topanga Canyon bei L. A., trägt gern Mode ihrer Lieblingsdesignerin Carolina Herrera.
Doch der Rummel um ihr Gewicht und ihr Aussehen verfolgt sie nach Bridget Jones wie ein Fluch. «Das macht mich traurig», gesteht sie – und zieht sich aus der Öffentlichkeit zurück. Sie liest viel, geht wandern, besucht Uni-Kurse – meldet sich 2016 zurück. Das einstige Pummelchen sieht völlig verändert aus, und alle Welt ätzt darüber, welcher Beauty-Doc sich an ihr vergangen hat.
Heute triumphiert Zellweger wieder. Die «Vogue» feiert ihre grandiose Darstellung der legendären Show-Ikone Judy Garland als Zellwegers «Renaissance». Dass sie die Beste ist, daran dürfte auch ihr einstiger Lehrer nicht mehr zweifeln. Akribisch bereitete sie sich auf den «Judy»-Dreh vor. Wenn auf der Fahrt zum Set nichts mehr ging auf dem Interstate Highway 405 durch Los Angeles, begann Renée Zellweger zu singen, statt sich über den Stau aufzuregen. «Das war ein gutes Training», witzelt sie bei der Oscar-Verleihung. Aber es ist ihr Ernst.