Am 9. Januar 2004, also vor unglaublichen 18 Jahren, flimmerten die ersten Sendungen von «Ich bin ein Star – Holt mir hier raus!» über den TV-Bildschirm. Kandidaten, die sich für das damals noch völlig unbekannte Format in den australischen Dschungel wagten, waren unter anderem die mittlerweile verstorbenen Sänger Daniel Küblböck und Costa Cordalis, der aus der ersten Staffel als Dschungelkönig hervorging.
Nun startet am Freitag, 21. Januar 2022, bereits die 15. Staffel des Dschungelcamps auf RTL und wieder wurde eine Horde B-Promis eingeflogen, die sich in verschiedenen Dschungelprüfungen zum Affen machen, eklige Dinge essen müssen und bei Mutproben über sich hinauswachsen sollen. Aufgrund der weltweiten Pandemie wurde das Camp dieses Jahr in Südafrika statt in Australien eingerichtet, wo es in die ebenso inszenierte Wildnis geht. Einer der zwölf wagemutigen Teilnehmer ist Lucas Cordalis, 54, der Sohn des ersten Dschungelkönigs. Er startete suboptimal: Wenige Tage vor Sendestart teilte der Musiker mit, dass er an Corona erkrankt sei und sich in eine zehntätige Quarantäne begeben muss. Aus der familiären Titelverteidigung dürfte also nichts werden.
«Ich bin ein Star – Holt mich hier raus!» ist eine Quoten-Bombe. Laut «Der Spiegel» schauten sich seit 2004 im Schnitt über 4,9 Millionen Menschen die Sendung an, 2008 steigerte sich die durchschnittliche Zuschauerzahl auf unfassbare acht Millionen. Doch die Erfolgsstory bröckelt: Letztes Jahr pendelte die Einschaltquote nur noch zwischen 2,4 und etwas über vier Millionen. Das ist zwar vergleichsweise noch immer ein sehr guter Wert, doch es zeigen sich langsam Abnutzungserscheinungen, die auch PR-Experte Ferris Bühler erkennt: «Das Dschungelcamp ist ein Auslauf-Format», urteilt er und relativiert im selben Atemzug: «15 Staffeln in 18 Jahren ist eine extrem lange Lebensdauer für ein solches Trash-Format. So lange auf Sendung zu bleiben, ist ein echter Achtungserfolg.»
Corona habe der Sendung ausserdem nochmal einen Boost gegeben, analysiert Ferris Bühler: «Die Menschen sassen öfter zu Hause und waren zunehmend isoliert, Trash-TV-Sendungen bringen zumindest ein bisschen Leben in die Stube.»
Auch wenn Sendeformate wie das Dschungelcamp etwas aus der Zeit gefallen wirken, finanziell lohnt sich die Show noch immer. Ferris Bühler hat nachgerechnet: «Mit einer Crew von rund 100 Personen dürften sich die Produktionskosten des Dschungelcamps wohl auf zirka 30 Millionen Franken belaufen. Mit den Werbeeinnahmen kann RTL etwas mehr als 37 Millionen einnehmen – macht einen möglichen Gewinn von sieben Millionen Franken, ohne Produktplatzierungen und Merchandising. Wäre ich Senderchef, würde ich die Zitrone auch noch so lange auspressen, bis sie keinen Tropfen mehr hergibt.»
Hinzu kommen Einnahmen aus der Vermarktung von Sendeinhalten auf dem Streamingportal des Senders sowie die Promotion auf Social Media – die Rechnung geht für RTL also nach wie vor auf. Das ist auch der Grund, warum «Ich bin ein Star – holt mich hier raus!» noch immer läuft. «Neue Sendeformate zu entwickeln, ist extrem risikoreich und vor allem teuer», so Ferris Bühler. «Da setzt man lieber auf die bewährten Pferde im Stall», erklärt der PR-Profi die Tatsache, dass nur selten neue Sendungen ins Fernsehen kommen.
Die Zeit für Sendungen wie das Dschungelcamp, aber auch für Formate wie «Der Bachelor» oder «Promis unter Palmen», ist gezählt. Die Zukunft sieht der Experte Bühler in der Verknüpfung von Social Media und TV beziehungsweise Streaming-Portalen. «Netflix hat mit der Serie ‹Hype House› gerade ein Beispiel für Reality-TV 2.0 geliefert», sagt er. In dieser Show treffen erfolgreiche Social-Media-Stars mit Millionen von Followern aufeinander und ziehen gemeinsam in eine Villa, wo alles, was sie tun und lassen, gefilmt wird.
Dieses Zusammenspiel von Social-Media-Power und Streaming ist ein genialer Schachzug, weil alle Verbreitungskanäle und Medien gleichzeitig genutzt und bedient werden und damit ein Millionenpublikum erreicht wird. Das Urteil von Ferris Bühler: «Das ist die Zukunft des Trash-TV.»
Ferris Bühler ist ausgewiesener Medien- und PR-Experte und betreibt seit 2000 eine eigene Agentur in Baden. Er ist ausserdem Host des Marketing-Podcasts «Story Radar».