Es ist, als wehe ein Hauch Glamour zur Tür herein, als Amanda Lear, 83, die Bar des Zürcher «Baur au Lac» betritt. Während des Gesprächs bei einem Cappuccino hingegen ist es, als sitze man mit einer alten Freundin beim Plauderstündchen.
Sie mussten sich kürzlich einer Herz-OP unterziehen. Wie geht es Ihnen, Amanda Lear?
Ich wollte mich ursprünglich in Zürich von Thierry Carrel operieren lassen, er hat einen sehr guten Ruf. Dann überzeugte mich meine Freundin Brigitte Macron, die OP in Paris bei ihrer Tochter Laurence, die Kardiologin ist, durchführen zu lassen. Ich war etwas geschockt, dass ich im Voraus bezahlen musste – sie schienen nicht sehr optimistisch zu sein (lacht). Es ist alles gut gegangen. Aber die gesundheitlichen Probleme haben etwas geändert.
Erzählen Sie.
Ich habe am eigenen Körper erfahren, wie wichtig Gesundheit ist. Vorher habe ich all mein Geld für Parfum und Make-up ausgegeben, jetzt kaufe ich mehrheitlich in Apotheken ein, hauptsächlich alle Vitamine, die ich in die Finger kriege (lacht). Dabei muss aber auch gesagt werden, dass psychische Gesundheit genauso wichtig ist wie physische, gerade in meinem Business.
Wie meinen Sie das?
Die Unterhaltungsbranche ist gefährlich. Ich habe sehr viele Leute gesehen, die sich in Drogen oder Alkohol geflüchtet haben. Meine Therapie war immer das Malen. Es klärt meinen Verstand. Ich MUSS malen, jeden Tag.
Woher kommt diese Liebe zur Malerei?
Ich liebte es schon als Kind, mit Farben zu spielen. Als Jugendliche besuchte ich eine Kunstschule in London, später eine in Paris. Dort wurde ich als Model entdeckt, was mir gelegen kam, da ich mit diesen Jobs mein Leben finanzieren konnte. Die Malerei blieb aber meine grosse Liebe.
Weshalb Sie sich Salvador Dalí auch als Malerin und nicht als Model vorstellten, als Sie ihn kennenlernten.
Genau. Das war nach einer Modeschau von Paco Rabanne. Dalí fragte, ob ich Model sei, ich sagte: «Nein, wir sind Berufskollegen.» Er meinte, eine Frau könne nicht Malerin sein. Ich hasste ihn. Ich ging am nächsten Tag trotz-dem mit ihm essen, und er war so charmant – ich liebte ihn. So fing unsere 15-jährige Beziehung an.
Darüber, wie diese genau aussieht, wird bis heute spekuliert. Gemeinhin wird Amanda Lear als Muse des verheirateten Salvador Dalí bezeichnet. Klarer ist ihre Beziehung zu Roxy-Music-Musiker Bryan Ferry. Nachdem sie 1973 das ikonische Cover der Platte «For Your Pleasure» ziert, sind die beiden eine Weile lang verlobt.
Dieses Plattencover, auf dem Sie einen Panther an der Leine führen, gibts bis heute auf Shirts und auf Postern. Sie müssen ein Vermögen damit verdient haben.
Wissen Sie, wie viel ich damals dafür bekommen habe? 25 Dollar!
Wirklich? Hoffentlich war Bryan Ferrys Verlobungsring mehr wert.
(Lacht.) Durch ihn bin ich in die Welt der Musiker gerutscht, habe die Rolling Stones, Freddie Mercury, Elton John oder David Bowie kennengelernt.
Mit Bowie ist sie zwei Jahre lang liiert. Er ermuntert sie dazu, Gesangsstunden zu nehmen. Einen Plattenvertrag ergattert sie in Deutschland, wo 1977 ihr erstes Album erscheint, das sie zur Disco-Queen macht. 28 Millionen Mal geht die Platte weltweit über den Ladentisch. Als die Discowelle abebbt, zieht sie nach Mailand, wo sie von Silvio Berlusconi als TV-Moderatorin entdeckt wird. Zehn Jahre lang lebt sie dort.
In Italien sind Sie bis heute eine TV-Ikone. Warum haben Sie dem Land den Rücken gekehrt?
Nun ja, mein italienischer Freund war ein bisschen zu italienisch für meinen Geschmack. Er hatte eine Affäre mit einer Wetter-Moderatorin. Das geht einfach nicht. Finito Italia, keine italienischen Männer mehr, ich ging nach Frankreich und begann, Theater zu spielen, was ich bis heute mit grosser Freude mache.
Wo ist eine Kosmopolitin wie Sie zu Hause?
Ich lebe in Südfrankreich. Meine Heimat ist da, wo meine Katze, meine Bilder und meine Olivenbäume sind. Ich liebe es, allein zu leben. Ich laufe herum, wie ich will, bin niemandem Rechenschaft schuldig.
Nun, in Ihrem Alter …
Ich hasse es, wenn ein Satz so beginnt! Das Alter ist eine Zahl, und Zahlen sind für Mathematiker. Sei blond oder braun oder pink, trag Miniröcke, schau jungen Männern nach. Wer bestimmt, was man ab einem gewissen Alter darf? Manche nennen mich skandalös. Ich bin nicht skandalös, ich bin frei.
Amanda Lears Leben wird nicht nur durch den einen oder anderen Skandal geprägt, sondern auch durch einige Schicksalsschläge. Mitte der 80er-Jahre ist sie in einen schweren Autounfall verwickelt. Im Jahr 2000 stirbt ihr zweiter Ehemann, der französische Schauspieler und Kunstsammler Alain-Philippe Malagnac d’Argens de Villele an einer Rauchvergiftung, als in ihrem gemeinsamen Haus bei Avignon ein Feuer ausbricht.
Wie haben sich diese Tragödien auf Sie ausgewirkt?
Sie waren grosse Lektionen in Demut. Das Leben zeigte mir: Ich bin nicht unantastbar. Nachdem ich meinen Mann und mein Haus verloren hatte, brauchte es viel Mut und Energie, von vorne anzufangen. Aber wissen Sie was? Mit jedem Tag, den ich älter werde, freue ich mich mehr darauf, meinen Mann im Jenseits wiederzusehen.
Sie trauern nicht den «guten alten Zeiten» nach?
Die Zeiten waren nicht besser, ich war einfach jünger. Wir trauern der Vergangenheit nach und fürchten die Zukunft und vergessen, im Jetzt zu leben. Ich mache keine Pläne mehr. Ich weiss nicht mal, wo ich Weihnachten verbringen werde.
Haben Sie nicht gerade einen Vertrag für einen Film über Ihr Leben unterschrieben?
Ja, komisch, oder? Ich bin ja noch nicht mal tot. Aber bis der rauskommt, bin ichs ja vielleicht.
Haben Sie Dalí vor dessen Tod eigentlich mal Ihre eigenen Bilder gezeigt?
Ja. Er sagte: «Nicht schlecht, für eine Frau.» (Grinst.) Er würde meinen heutigen Stil hassen. Viele Blumen, viel Farbe, sehr lieblich. Ich mache aber auch Zeichnungen mit Tusche, die ich verwässere, die entstehen in zehn Minuten, sehr spontan, sehr emotional. Ich zeichne oft nackte Männer. Aus dem Kopf, ich habe keine Musen.
Es gibt keine Männer mehr in Amanda Lears Leben?
Nicht in dieser Art und Weise. Ich bin nicht mehr interessiert. Die Boutique ist geschlossen.