Überfliegerin. Zeitlose Schönheit. Grande Dame des deutschen Films. Und so weiter. Die Hymnen auf Senta Berger wollen kein Ende nehmen, und das ist auch gut so, denn sie treffen ja alle auf diese aussergewöhnliche Schauspielerin zu – und auch wieder nicht.
«Diese Frau lässt sich in kein Schema pressen», schrieb die «NZZ». «Wie Catherine Deneuve oder Claudia Cardinale repräsentiert auch sie den Typus einer Lady von zeitloser Eleganz, erotischem Esprit und Lebensklugheit.»
Dieses Zitat wurde zum 70. Geburtstag der Schauspielerin formuliert, seither sind zehn Jahre vergangen. Am 13. Mai wird Senta Berger 80 Jahre alt, doch die Sätze der «NZZ» haben nach wie vor ihre Gültigkeit.
Mehr noch: «Sie ist von grosser Liebe erfüllt. Für ihre Familie, aber auch für ihren Beruf. Das spüren alle, die mit ihr zu tun haben», sagt ihr Sohn, der Regisseur Simon Verhoeven, 48, («Willkommen bei den Hartmanns»), dem «Online-Portal der Goldenen Kamera».
Letztendlich spürt das auch ihr Publikum, das Senta Berger in den vergangenen Tagen häufiger als sonst in Filmen bewundern konnte, die das Fernsehen in Vorbereitung auf den runden Geburtstag seines mitunter grössten Stars ins Programm genommen hat. Die Menschen haben eine gereifte Frau erlebt, die bei aller Sensibilität und Verletzlichkeit von einer grossen Lebenskraft und Hingabe beseelt ist. Und von der man sich beim besten Willen nicht vorstellen kann, dass sie ernsthaft ans Aufhören und den Ruhestand denkt. Es sieht doch alles so leicht und naturgewollt aus, was diese Frau anpackt.
Woher sie die Energie und Leichtigkeit nehme, um immer neue Projekte anzugehen, wollte die «Berliner Morgenpost» in einem aktuellen Interview wissen. «Energie habe ich sicher noch viel. Leichtigkeit dagegen schon lange nicht mehr» antwortete sie. Je mehr Verantwortung einem zuwachse, desto mehr verliere sich die Leichtigkeit.
80 – das sei für sie erst einmal «nur eine Zahl auf der Torte. Dann habe ich zum Glück ein ganzes Jahr Zeit, um mich an diese Zahl zu gewöhnen und sie mit mir in Verbindung zu bringen. Ich denke an den 80. Geburtstag meiner Mutter: Sie lachte damals wie ein junges Mädchen; sie hatte ein wunderbares Gemüt. Ich denke auch, dass ich einen langen Weg zurückgelegt und so viel erlebt habe. Eigentlich genug. Dann wiederum denke ich: Ach, das sind also 80 Jahre, und so schnell sind sie vergangen.»
Mutter Therese war die wichtigste Frau in Senta Bergers Leben, Lehrerin in Lainz, im 13. Bezirk im Westen von Wien. Dort ist Senta geboren und aufgewachsen. Ihr Vater Josef war Musiker, der Wiener Lieder komponiert hatte. Mit ihm zog Senta bereits mit vier um die Häuser, der Vater sass am Klavier, die Tochter sang.
Nach der abgebrochenen Ausbildung am Wiener Max Reinhardt hat sie in über 100 Kinofilmen mitgewirkt, hinzu kommt eine noch grössere Zahl an TV-Produktionen. Sie hat 1962 den Sprung nach Hollywood gewagt und mit Superstars wie John Wayne (1907-1979), Charlton Heston (1923-2008), John Huston (1906-1987), Kirk Douglas (1916-2020), Frank Sinatra (1915-1998), Dean Martin (1917-1995), Richard Widmark (1914-2008) und Yul Brynner (1920-1985) gearbeitet.
Bei dieser schier unglaublichen Bilanz gerät oft in Vergessenheit, was für eine grossartige Bühnendarstellerin Senta Berger ist. Sie spielte am Schillertheater in Berlin, am Thalia-Theater in Hamburg, am Burgtheater in Wien. Und zwischen 1974 und 1982 war sie die Buhlschaft im «Jedermann» bei den Salzburger Festspielen an der Seite von Curd Jürgens (1915-1982) und Maximilian Schell (1930-2014). Und weil eine ihrer grossen Stärken das Erzählen von Geschichten ist, hat sie auch an zahlreichen Hörspielen und Hörbüchern mitgewirkt.
Eine bienenfleissige Frau, die überdies ein Talent zum Schreiben hat und 2006 ihre Autobiografie «Ich habe ja gewusst, dass ich fliegen kann: Erinnerungen» (Kiepenheuer & Witsch) veröffentlicht. Darin erzählt Senta Berger nicht nur von der Leichtigkeit des Seins, die sie durch ihr Leben federn lässt, als könne sie fliegen. Sie schildert auch unliebsame Begegnungen, etwa mit dem berühmten Kollegen O.W. Fischer (1915-2004), mit dem sie 1961 «Es muss nicht immer Kaviar sein» drehte.
Auszug: «O.W. Fischer stürzte sich auf mich und versuchte, meine Bluse zu öffnen. Ich gab ihm einen Stoss. Dabei fiel ich mit dem Stuhl nach hinten und er auf mich. In der Hand hielt er die gesamte Knopfleiste meiner Bluse. Ich habe nur noch sein Keuchen im Ohr. Als er meine Hose aufreissen wollte, fuhr ich ihm mit einer Hand ins Gesicht. Er gab mir eine entsetzliche... Ohrfeige und flüsterte ausser Atem: ‹So sei doch nicht so dumm›.»
Später sagte sie in einem Interview mit der «Zeit»: «Danach hätte ich eigentlich sagen müssen: ‹Ich kann morgen nicht mit Ihnen drehen und diesen Film nicht mit Ihnen machen.› Aber O. W. Fischer hat gewusst, dass ich das nicht sagen würde». Wenig später habe der Schauspieler versucht, sich bei ihr zu entschuldigen, mit dem Schlusssatz aus Goethes Faust: «Das Ewig-Weibliche zieht uns hinan.» Auch Richard Widmark und Charlton Heston haben sie sexuell belästigt. Ihr schlimmstes Erlebnis hatte sie 1965 in New York:
Der mächtige Filmproduzent Darryl F. Zanuck (1902-1979) liess sie auf sein Hotelzimmer kommen. In ihrem Buch schreibt Senta Berger: «Er öffnete seinen seidenen Schlafrock. Er war nackt darunter. Er schrie mich an: ‹Dein Volk hat Millionen von meinen Leuten getötet, vergast, erschossen ... Look at me! Ich bin bereit zu verzeihen. Mein ganzer Körper fiebert dir entgegen, du kleines Nazimädel!› Das sagte er auf Deutsch: ‹Nazimädel›. Ich begann ihm auszuweichen. Und er mir nach, in seinem flatternden offen stehenden Schlafrock. Es gab ein kurzes absurdes Gerangel zwischen uns.» Dann war sie wieder draussen.
Ähnlich grotesk verlief ein Annäherungsversuch von Kirk Douglas, mit dem sie 1966 für den US-Kriegsfilm «Der Schatten des Giganten» vor der Kamera stand. Douglas, der russisch-jüdischer Abstammung war, versuchte sie gegen ihren Willen zu küssen – mit der Begründung: «Deine Leute haben meine Leute umgebracht...»
Da war sie längst in festen Händen. Sie hatte in Berlin den Medizinstudenten, Schauspieler und späteren Filmregisseur Michael Verhoeven, 82, aus der Schauspieler-Dynastie der Verhoevens kennen und lieben gelernt, 1966 feierten sie in München Hochzeit. Diese Ehe habe ihr in all den brenzligen Situationen stets Sicherheit und Selbstbewusstsein gegeben: «Ich war ab 1964 mit Michael Verhoeven zusammen. Das war mein Mann, das war mein Halt, das war mein Geliebter, das war mein Alles. Ich war absolut unantastbar, und das habe ich ausgestrahlt», sagte sie der Illustrierten «Bunte».
Die Verhoevens leben und arbeiten in Grünwald südlich von München. Sie haben eine gemeinsame Firma, die Sentana-Filmproduktion, die immer wieder bemerkenswerte Filme wie «Die weisse Rose» herausbrachte, bei denen Michael Verhoeven Regie führte. Er war es auch, der das komödiantische Talent seiner Frau – spätestens bekannt seit ihrer Kultrolle als Mona in «Kir Royal» – mit der TV-Serie «Die schnelle Gerdi» gefördert hat. Ihre beiden Söhne sind ebenfalls im Filmgeschäft: Simon Verhoeven ist Regisseur und Geschäftsführer der Sentana, sein Bruder Luca Verhoeven, 42, ebenfalls Schauspieler.
Im Herbst feiern Senta Berger und Michael Verhoeven ihren 55. Hochzeitstag – das Herz und die rote Rose, die er ihr damals beim Polterabend auf der Wiesn geschossen hat, habe sie immer noch, verrät sie im Interview mit spot on news. «Wir haben uns sehr jung getroffen: Michael war 25 und ich 22 Jahre alt. Wir wussten damals noch nicht, dass es eine schicksalhafte Begegnung war. Der Anfang unserer Geschichte war dramatisch, denn ich stand vor meiner Abreise nach Hollywood – aber wir konnten uns nicht loslassen. Wir sind gemeinsam erwachsen und nun gemeinsam alt geworden. Gibt es ein schöneres Abenteuer?», schwärmt sie.