Madame la conseillère fédérale, welches war Ihr persönliches Highlight in Cannes?
Der Film von Judith Godrèche «Moi aussi». Ich hatte das Glück, ihn in Anwesenheit der Regisseurin zu sehen. Dieser Kurzfilm zeigt in Form eines künstlerisch inszenierten Protestmarsches, wie wichtig es ist, sexuelle Gewalt gegen Frauen und Männer zu thematisieren. Mehr als 1000 Menschen sind für den Film auf die Strasse gegangen und haben ihre Geschichte, ihre Tränen, ihr Lachen, ihre Scham und ihre Kraft geteilt. Es braucht solche Zeugnisse von kollektivem Mut und Kampfgeist, um sexuelle Gewalt zu stoppen. Filme wie «Moi aussi» können Betroffenen helfen, über das Erlebte zu sprechen, das Tabu zu brechen. Und sie zwingen uns dazu, zuzuhören und zu handeln.
Und welches Treffen hat Sie am meisten beeindruckt?
Es waren zwei: einerseits das Treffen mit Juliette Binoche. Sie ist eine grossartige, engagierte Künstlerin und die neue Präsidentin des Europäischen Filmpreises. Ich freue mich sehr, dass die Verleihung dieses Preises dieses Jahr im Dezember erstmals bei uns stattfindet, in Luzern. Eine einzigartige Gelegenheit für die Schweiz, sich als kreative Stätte des Filmschaffens im Herzen Europas zu präsentieren. Anderseits ist mir das Treffen mit Anasuya Sengupta geblieben, der Hauptdarstellerin im Film «The Shameless». Das ist eine schweizerische Co-Produktion, die während des Festivals Premiere feierte. Ich will den Inhalt des Films nicht verraten, nur so viel: Sengupta, die mich sehr beeindruckt hat, spielt mit in einem gnadenlosen Thriller-Drama, das ein menschliches Schicksal in Indien beleuchtet.
Was nehmen Sie als Kulturministerin aus Cannes mit in die Schweiz?
Es sind natürlich die Eindrücke vom Filmfestival und vom roten Teppich. Aber hinter den Kulissen gehts beim Filmfestival in Cannes vor allem um die Arbeit. Die Schweiz war Ehrengast am Marché du Film, deshalb habe ich es aus nächster Nähe miterlebt: Die Vielzahl von Kreativen, Produzentinnen und anderen Fachleuten, die Projekte auf die Beine stellen und ihre Netzwerke ausbauen, ist inspirierend. Ich konnte mich davon überzeugen, dass unsere Schweizer Filmindustrie sehr gut aufgestellt ist. Das sieht man auch an den zahlreichen Co-Produktionen. Es war mir sehr wichtig, die Kulturschaffenden zu treffen und von ihnen zu hören, was ihre Projekte, Bedürfnisse und Erwartungen sind. Es gibt keinen Zweifel: Der Schweizer Film trägt zu unserer facettenreichen nationalen Identität bei und ist für die kulturelle Vielfalt unverzichtbar.