Man fragt sich: Was haben sie falsch gemacht? Wem haben sie was getan? Immer mehr Prominente sind auf Social Media zur Zielscheibe von Hatern und werden – oft ganz egal, was sie tun – mit Hasskommentaren eingedeckt. Neustes Beispiel: Daniela Büchner, 41. Die Witwe des Ende 2018 verstorbenen Kult-Auswanderers Malle-Jens hat sich eine neue Frisur zugelegt und zeigt diese nun auf Instagram.
Eine neue Frisur! Harmloser gehts im Grunde kaum noch. Und doch rechnete Büchner schon im Voraus fest mit Hasskommentaren – und sollte recht bekommen. Kurze Zeit später finden sich zu ihrem Bild die ersten bösen Worte. «Schlimmer hättest du es nicht machen können. Du siehst uralt aus mit der Frise. Schrecklich!», ätzt ein Follower. Oder: «Wie hiess die von den Dalmatinern? So siehst du jetzt aus.»
Regelrecht gemobbt wurde «Star Wars»-Schauspielerin Kelly Marie Tran, 30. Nachdem sie sich die Rolle in der legendären Sci-Fi-Filmreihe gesichert hatte, gingen die Hasstiraden los. Und die rassistischen und sexistischen Kommentare über ihr Geschlecht oder ihr Aussehen waren derart hässlich, dass die Darstellerin zu drastischen Mitteln griff und den gesamten Inhalt ihres Instagram-Profils löschte. Bis heute ist der Account mit 240'000 Followern leer. Tran schrieb später in einem Kommentar in der «New York Times»: «Es lag nicht an ihren Worten, sondern daran, dass ich begann, sie zu glauben.»
Nach einem über achtjährigen Martyrium im Keller ihres Entführers Wolfgang Priklopil hörte die Pein für Natascha Kampusch, 31, nicht auf – es ging nun einfach im Netz weiter. Den menschenverachtenden Hass, den sie seit Jahren erduldet, schildert die Österreicherin in ihrem aktuellen Buch «Cyberneider». Wörter wie «verlogen», «hässlich» und «fresssüchtig» würden noch zum Harmloseren zählen, so die 31-Jährige in einem Interview mit der «Bunten». «Richtig gemein wird es, wenn jemand schreibt: Stirb doch endlich. Oder: Geh wieder zurück in den Keller.»
Viele beleidigen das Entführungsopfer auch damit, ihre Gefangenschaft zu verharmlosen. Das sei doch bloss ein Spaziergang gewesen. «Das trifft mich am meisten.» Sie komme wegen des Cybermobbings nicht mehr zur Ruhe, sagt Kampusch nachdenklich. «Ich finde es schrecklich, wie Frauen mit Worten gequält, gefoltert und gedemütigt werden und dass die meisten nur zuschauen, ohne etwas dagegen zu tun.»
Sängerin Sarah Lombardi, 27, weiss ebenfalls, wie es sich anfühlt, gemeine Nachrichten auf Social Media zu erhalten – einige Hater wünschen ihr sogar den Tod, wie sie gegenüber RTL berichtete. Wie geht sie damit um? «Wenn mir jemand den Tod wünscht und das ist knallhart, aber das ist die Wahrheit, dann denke ich mir auch: Leute, also wie weit muss man denn gehen? Diese Kommentare werden bei mir dann auch gelöscht und blockiert. Solche Menschen haben bei mir nichts zu suchen.»
Besonders oft Zielscheibe von gemeinen Kommentaren ist TV-Köchin Meta Hiltebrand, 36. Auf Facebook muss sie regelmässig Wörter wie «unterirdisch» oder «ekelhaft» über sich lesen. Sie nerve mit ihren Auftritten im TV, gehe dort auch ihren Kochkollegen auf den Zeiger, wird gemotzt. Für ihre fehlerhafte Rechtschreibung erntete die Gastronomin Spott. «Ja, ich habe Schreibfehler und ja, ich stehe dazu», kommentierte sie. «Aber müsst ihr dauernd alles korrigieren, was ich schreibe?»
Einmal prangerte die Zürcherin einen ihrer Hater auf Facebook an – stellvertretend für ganz viele, wie sie schrieb. Es müsse niemand sein wie sie, schrieb Hiltebrand dazu. «Aber Respekt hat jeder verdient, auch ich! Und wenn mich jemand wirklich so fest hasst wie dieser hier, dann steh gerade vor mich hin und sag es mir ins Gesicht.»
Ein Lied von Hass im Netz kann auch Beatrice Egli, 31, singen. Die Schwyzer Frohnatur wird wegen ihrer Figur angefeindet, oder wegen «unvorteilhafter» Outfits. Über die Folgen dieser Haterbotschaften sagte die Sängerin kürzlich gegenüber «Blick»: «Es gibt Tage, da gelingt es mir tatsächlich gut, doch ich bin auch nur ein Mensch, und es gibt Tage, wo es mir näher geht, wo ich dünnhäutiger bin.»
Besonders oft Ziel von Hass ist ESC-Gewinnerin Lena Meyer-Landrut, 28. Wie unglaublich heftig die Kommentare sind, die sie im Grunde pausenlos erhält, machte die Sängerin mittels eines Posts publik. «Du dumme Schlampe», «Hure», «hässlich und nichts wert», «Widerliches Weib», «Du wirst nie genug sein» – diese Beschimpfungen schrieb sie auf einen Spiegel, vor dem sie sich selbst fotografierte.
Expertin und Buchautorin Ingrid Brodnig sagt, bei Beleidigungen gegen Frauen auf Social Media gehe es sehr schnell um das Körperliche. «Dann wird es erniedrigend, das Aussehen wird herabgewertet, man wird als Schlampe bezeichnet», erklärte sie der Deutschen Presseagentur. Schnell würden auch Bedrohungen dazukommen, bei Frauen meist mit Vergewaltigung. «Da geht es um eine Entwertung als Mensch an sich.»
Sozialpsychologe Ulrich Wagner spricht im selben Beitrag von «brutalem Sexismus» in Kombination mit «brutaler Sprache». Die Motive der Hasser seien «Sexismus aber auch extreme Wut», erklärt der Experte. Einige würden sich daran erfreuen, andere zu erniedrigen. Oder sie würden sich im Leid anderer ergözen.
Mit schlimmen Folgen: Viele Frauen würden sich nach solchen Wellen von Hass nicht mehr trauen, ihre Meinung öffentlich kundzutun. «Auch wenn jemand total berühmt ist, nagt das an einem. Niemand ist so hart, dass das komplett spurlos an einem vorübergeht», so Expertin Brodnig. «Das Schlimmste ist, wenn Opfer sowas in sich hineinfressen, wenn sie das nicht teilen.»
Aus diesem Grund habe Meyer-Landrut mit ihrem Spiegel-Selfie genau richtig reagiert. Indem sie die Beleidigungen auf den Spiegel schreibe, zeige sie das Problem, ohne den Beschimpfenden selbst eine Bühne zu bieten, erklärt Brodnig. «Sie entwendet ihre Worte, um es zu thematisieren.»