Ob es in der Schweiz bereits Schnee habe, will Gianna Nannini (68) bei unserem Zoom-Call wissen. Sie selbst ist in London, wo sie sich auf ihre Tour vorbereitet (1.12. Zürich, 2.12. Genf). Ihre Laune ist blendend, sie plaudert offen übers Älterwerden, ihre späte Mutterschaft und Tochter Penelope. Nur über eines mag die italienische Rockikone, die sich im Januar als potenzielle Staatspräsidentin Italiens ins Spiel brachte, nicht reden: über Politik.
Gianna Nannini, Sie haben einen engen Bezug zur Schweiz: Sie wurden lange von einem Zürcher gemanagt. Wie haben Sie eigentlich damals zusammengefunden?
Als ich anfing, ausserhalb von Italien erfolgreich zu sein, habe ich einen entsprechenden Manager gesucht. Ich habe den damaligen Manager von Edoardo Bennato gefragt, Urs Ullmann, ebenfalls ein Schweizer. Er hat mich einem Freund mit grosser internationaler Erfahrung vorgestellt: Peter Zumsteg. Wir waren über 25 Jahre ein starkes Team und haben heute noch Kontakt.
Hat er Ihnen einige Worte Schweizerdeutsch beigebracht?
Ich kann zwei Worte: «Grüezi mitenand». Ich finde es herzig, dass sich die Leute in der Schweiz auf der Strasse oder beim Sport grüssen. In Italien macht das niemand.
Welche Erinnerungen verbinden Sie mit der Schweiz?
Sehr viele. Ich bin dort oft auf der Skipiste, letztmals vergangenes Jahr. Als Kind war ich mit meinen Eltern jedes Jahr in St. Moritz zum Skifahren. Mit 14 habe ich angefangen mit Snowboarden. Jetzt fahre ich wieder Ski, weil meine Tochter Penelope das lieber tut.
Das Schweizer Publikum liebt Sie seit Jahren. Warum, glauben Sie, ist das so?
Ich habe schon ganz am Anfang meiner Karriere Konzerte in der Schweiz gegeben, bin an Festivals aufgetreten, die es damals in Italien noch nicht oft gab. Ich denke, da haben wir uns ineinander verliebt. Schön, endlich wieder dort auftreten zu können. Wie waren die letzten zwei, drei Jahre für Sie? 2019 nahm ich in Nashville meine Platte «La differenza» auf. Eine Rückkehr zur handgemachten Musik, weil ich glaube, dass sie nicht nur die Vergangenheit, sondern auch die Zukunft ist. Ausgerechnet diese so lange nicht mit meiner fantastischen Band live spielen zu können, war frustrierend. Umso schöner ist es, jetzt wieder auf Tour zu gehen.
Sie schreiben seit fast fünf Jahrzehnten Musikgeschichte. Welches Jahrzehnt hat Ihnen musikalisch am besten gefallen?
Die schönste Tour war vermutlich die «Scandalo»-Tour in den Neunzigern. Aber ich mag auch die heutige Zeit, man muss nicht ständig in der Vergangenheit schwelgen.
«Ich finde es wichtig, Barrieren zu durchbrechen, Vorurteile abzubauen»
Sie mögen die Zeit der Castingshows und sozialen Medien?
Das ist halt der Zeitgeist. Ich habe keine Ahnung, ob ich den Durchbruch schaffen würde, wenn ich meine Karriere heute beginnen würde. Aber wenn jemand Talent und etwas zu sagen hat, dann spielts keine Rolle, ob er oder sie auf der Strasse oder im TV entdeckt wird.
Sie sind recht aktiv auf Social Media.
Ich mache da einfach das, worauf ich Lust habe.
Wie halten Sie es bei Ihrer zwölfjährigen Tochter? Hat sie ein Handy?
Sie hat ein altes von mir, zum Gamen, aber sie ist überhaupt nicht aufs Handy fixiert. Einmal pro Woche machen wir etwas, das wir «Emotional Day» nennen, einen gemeinsamen Tag in der Natur. Dafür legt sie gern alle Geräte weg.
Wovor haben Sie sich mehr gefürchtet: Vor dem Moment, in dem Penelope merkt, dass Sie älter sind als die meisten Mütter, oder vor dem Moment, in dem sie merkt, dass Sie berühmt sind?
(Lacht.) Darüber habe ich nie nachgedacht. Ich selbst habe kein Problem mit meinem Alter, und ich denke, sie hat auch keines. Wenn sie mich nach meinen Falten fragt, sage ich jeweils: «Das sind die Falten des Rock ’n’ Roll!» Ich würde nie etwas an mir machen lassen.
Und wie gehen Sie und Ihre Familie mit Ihrem Bekanntheitsgrad um?
Ich bin für mich im richtigen Alter Mutter geworden, nämlich dann, als ich meine Karriere bereits gemacht hatte und mit ihr umgehen konnte. Früher wollte meine Tochter mich manchmal schützen, wenn zu viele Leute Selfies wollten. Dann umarmte sie mich und sagte: «Meine Mamma gehört nur mir!» Heute ist mein Bekanntheitsgrad für meine Tochter kein Thema. Sie ist Penelope, nicht «die Tochter von Gianna Nannini».
Sie haben immer gern provoziert. Ist das anders, seit Sie Mutter sind?
Die Provokation gehört zu mir! Ich finde es wichtig, Barrieren zu durchbrechen, Vorurteile abzubauen. Das geht nur, wenn man ab und zu provoziert.
Und Ihre Tochter? Wogegen kann man rebellieren, wenn man eine Mutter wie Gianna Nannini hat?
Als Mutter muss auch ich Grenzen setzen. Penelope ist sehr selbstständig und hat viele Freiheiten – aber eben nur, wenn sie sich an die Regeln hält. Momentan funktioniert das sehr gut, aber ich bin ehrlich gesagt froh, wenn sie hin und wieder rebelliert. Konflikte auszutragen, ist wichtig.
Nehmen Sie Penelope mit auf Tour?
Als sie klein war, habe ich das jeweils getan. Jetzt nur noch, wenn sie Ferien hat, sie muss ja zur Schule. Aber sie findet das Tourleben nicht besonders spannend.