Sie entstammt ursprünglich dem russischen Adel und wurde vom heutigen König Charles III. im Jahr 2003 als «Dame Commander» des Order of the British Empire in den persönlichen Adelsstand erhoben. Ob Helen Mirren (78) daher die Fähigkeit besitzt, ihren Figuren eine herrische Eleganz zu verleihen, oder ob es einfach ihr Schicksal ist, darüber lässt sich wohl streiten. Unbestritten aber bleibt, dass es ihr Markenzeichen ist. Die britische Schauspielerin strahlt seit je eine Autorität und ein Selbstvertrauen aus, wie es sonst nur ganz grossen Persönlichkeiten der Weltgeschichte eigen ist. Helen Mirren selbst sagte dazu einst: «Ich hatte Glück, starke Frauen spielen zu dürfen, und das machte mich selbst stark.» Eine der grössten Lektionen, die sie von ihren Eltern gelernt habe, sei, ihren eigenen Weg in der Welt zu gehen und sich nicht auf einen Mann zu verlassen. «Ich glaube immer noch, dass das grösste Geschenk, das eine Frau haben kann, wirtschaftliche Unabhängigkeit ist.»
Mirren, die zu den charismatischsten Schauspielerinnen der vergangenen Jahrzehnte zählt, kommt im Juli 1945 in London als Ilyena Lydia Vasilievna Mironova zur Welt. Ihr Grossvater, ein russischer Aristokrat, verliert nach der Oktoberrevolution Status und Reichtum – und die Familie strandet in London. Der Schriftsteller Leo Tolstoi erwähnt die Familie Mironov sogar in seinem berühmten Roman «Krieg und Frieden». Die Familie lässt den Namen in den 1950er-Jahren zu Mirren anglisieren. Im Gegensatz zu den adligen Vorfahren wächst Helen in bescheidenen Verhältnissen auf. Ihr Vater arbeitet als Taxifahrer und Musiker, die Mutter entstammt der englischen Arbeiterklasse.
Eine seriöse Ausbildung als Lehrerin
Bereits als Sechsjährige weiss Helen Mirren, dass sie Schauspielerin werden will – nicht irgendeine, sondern eine «grosse Schauspielerin». An der St Bernard’s Convent School in Westcliff-on-Sea bereitet sich der Teenie auf eine Bühnenkarriere vor, liest dafür Shakespeare-Dramen. Die Eltern wünschen für die Tochter aber eine solide Ausbildung. So verlässt sie die Londoner Berufsfachschule nach drei Jahren als Lehrerin. Bereits mit 19 gehört sie der renommierten Royal Shakespeare Company an, spielt ihre erste Königin im Stück «Antony and Cleopatra».
Weitere Rollen als gekröntes Haupt folgen, neben Queen Elizabeth II. und Katharina der Grossen mimt Mirren auch Königin Elizabeth I. – die Britin ist die einzige Darstellerin, die beide Elizabeth-Figuren verkörperte. Royalistin sei sie aber keine, betont sie. Die legendäre US-Filmkritikerin Pauline Kael schrieb über Helen Mirren: «Es gibt keine andere Schauspielerin, die so schnell und effizient zu zeigen versteht, dass sie eine Frau von Bedeutung darstellt.»
Den Wendepunkt in ihrer Karriere verdankt Mirren allerdings keinem Royal, sondern ihrer Rolle als Inspektorin Jane Tennison in der Serie «Prime Suspect». Die läuft ab 1991 im britischen Sender ITV, wird mehrfach ausgezeichnet und flimmert auch in Schweizer Stuben über den Bildschirm. Mehr als 130 Kino- und Fernsehfilme hat sie bisher gedreht. Ihr Repertoire reicht von der tiefschwarzen Arthouse-Komödie «Der Koch, der Dieb, seine Frau und ihr Liebhaber» bis zum Action-Spektakel «Fast & Furious 8».
Dabei vermittelt sie den Eindruck, das eine sei genauso wichtig wie das andere. Kunst habe für sie nicht mehr Gewicht als Unterhaltung, befindet «Der Spiegel»: «Sie liebt die Kunst der Unterhaltung. Und die unterhaltende Kunst.» Aktuell ist sie in «White Bird», im Kriegsdrama des Schweizer Regisseurs Marc Forster, als Grossmutter zu sehen (Kinostart: 9. Mai). Ab Herbst wird sie im Tessin als Krimiautorin Patricia Highsmith für Karl Spoerris Film «Switzerland» vor der Kamera stehen.
Noch einen Rat ihrer Eltern beherzigte Mirren: «Rebelliere gegen die Klassengesellschaft.» Die Darstellerin ist für ihre scharfe Zunge und ihren einschüchternden Blick gefürchtet. Beides setzte sie gegen rücksichtslose männliche Regisseure und Schauspieler ein, die sie zu Beginn ihrer Karriere am Set zu schikanieren versuchten.
«Auch ich war gezwungen, für mich einzustehen. Wir Frauen müssen kämpfen, wollen wir mehr Macht haben. Ich erkannte, wie wichtig es ist, sich zu behaupten und sich nicht herumschubsen zu lassen.» In Hollywood gilt sie als Agent provocateur; sie nimmt die Unsitten des Showbiz charmant und gewitzt auf die Schippe.
Liebesglück seit bald 40 Jahren
Harmonisch ist Mirrens Privatleben. 1985 lernt sie am Set von «White Nights» Regisseur Taylor Hackford (79) kennen, im Jahr darauf zieht das Paar zusammen, 1997 geben sie sich das Jawort. Sie leben abwechselnd in Los Angeles und in Salento – in einer Villa mit Blick auf die Adria. Der dortige Granatapfelgarten ist Mirrens ganzer Stolz.
Über ihr gemeinsames Glück verriet sie einst: «Wir geben uns die Freiheit, wir selbst zu sein. Die Art und Weise, wie wir täglich zusammen sind, liess mich schnell erkennen, dass wir zusammenleben und die Gesellschaft des anderen geniessen können. Manchmal sind es ganz einfache Dinge wie diese, die dazu beitragen, dass man zusammenbleibt.» Worte, die einer Königin würdig sind.