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Hollywood-Besuch am ZFF

Kate Winslet – die Frau für komplexe Figuren

Seit 30 Jahren überzeugt Kate Winslet in Film und Fernsehen. Nun kommt die britische Kino-Ikone ans Zurich Film Festival, um den ­Golden Icon Award entgegenzunehmen. Mit im Gepäck: ihr neuster Film – und spezielle Kindheitserinnerungen an die Schweiz.

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Mandatory Credit: Photo by Cat Morley/SOPA Images/Shutterstock (14691040bs) Kate Winslet attends the Lee UK Premiere at Odeon Luxe in Leicester Square, London. Lee UK Premiere, Odeon Luxe in Leicester Square, London - 03 Sept 2024

Ob in kleinen Indie-Filmen, Mega-Blockbustern oder limitierten Serien – Kate Winslet ist in Rollen mit Tiefgang zu Hause.

Dukas

Warten auf das virtuelle Interview – Kate Winslet (49) hatte heute einen späten Start, heisst es. Dann hat sie Mittagspause. Aber schliesslich erscheint sie auf dem Computermonitor, perfekt beleuchtet in einem zum Studio umfunktionierten Hotelzimmer, und wird gleich persönlich: «Ha, ich weiss genau, wer du bist! Wir haben uns schon öfter gesehen!» Die englische Schauspielerin ist auch heute aufmerksam und konzentriert und kann sich offensichtlich gut an vergangene Interviewtermine zu ihren Indie-Klassikern wie «Eternal Sunshine of the Spotless Mind» oder Blockbustern wie «Avatar: The Way of Water» erinnern.

Seit dem Durchbruch 1997 mit «Titanic» ist Winslet zur wahren Kino-Ikone geworden. Am 7. Oktober, zwei Tage nach ihrem 49 Geburtstag, erhält sie deshalb am Zurich Film Festival den Golden Icon Award. Sie freut sich. Es ist ihr erstes Mal in der Limmatstadt, aber sie hat eine vage Erinnerung an eine Reise in die Schweiz während ihrer Kindheit: «Ich durfte damals meine Grossmutter in die Schweizer Alpen begleiten», erzählt sie. «Es war mit Freunden von ihr, und wir wohnten in einem hübschen kleinen Chalet.» Sie müsse um die sechs Jahre alt gewesen sein. Sie weiss nur noch, dass jemand ein Sackmesser hatte. «So eines mit Zapfenzieher, Messer, Nagelfeile und vielem mehr. Ich wollte all die Funktionen zählen und schnitt mich prompt. Ich habe seither eine Narbe am Finger.»

LOS ANGELES - DECEMBER 19: The movie "Titanic", written and directed by James Cameron. Seen here from left, Leonardo DiCaprio as Jack and Kate Winslet as Rose. Initial USA theatrical wide release December 19, 1997. Screen capture. Paramount Pictures. (Photo by CBS via Getty Images)

King & Queen of the World: «Titanic» macht Kate Winslet und Leonardo DiCaprio 1997 zu Superstars.

CBS via Getty Images

Antiker Tisch als Anstoss für Neues

Kate Winslet bringt ihren neusten Film «Lee – Die Fotografin» mit nach Zürich. Sie spielt darin Lee Miller (1907–1977), bekannt als Model und Künstlermuse. Aber auch – was Winselt besonders wichtig ist – als Kriegsfotografin, die nach der Befreiung der Konzentrationslager Buchenwald und Dachau den Horror der Naziherrschaft als eine der Ersten mit der Kamera festhielt.

Neun Jahre hatte es gedauert, bis es mit dem Film über Miller alias Lady Penrose klappte. Alles fing damals mit einem Tisch an: «Ich liebe grosse, alte Esstische», holt die Antiquitätenliebhaberin aus. «Freunde aus einem Auktionshaus meinten, es wäre etwas für mich, dieses Stück aus einem Landhaus der Penrose-Familie. In jenem genossen Lee Miller und Roland Penrose die freie Liebe und Dinnerpartys mit Freunden wie Picasso, Max Ernst und Paul Éluard.» Kate Winslet kaufte den Tisch und stellt sich vor, wer daran alles getafelt hatte. «Und dann fragte ich mich, wieso wohl noch niemand einen Film über Lee Miller gedreht hatte.»

Als Star und Produzentin des Films möchte sie, dass man Millers komplexe Persönlichkeit auf neue Art entdeckt: «Sie wurde bislang aus dem männlichen Blickwinkel definiert – als Geliebte und Muse von Man Ray, als ‹Vogue›-Model. Aber das waren ja nur ihre Zwanzigerjahre. Als komplexe Frau im mittleren Alter stieg sie in einen Männerberuf ein, um die Gräueltaten der Nazis für die Leserinnen von ‹Vogue› zu dokumentieren. Frauen wurden nämlich solche Wahrheiten oft vorenthalten.»

Kate Winslet im Film «Lee»

Nachstellung eines berühmten Fotos: Kate Winslet als Lee Miller in Hitlers Badewanne.

Ascot Elite

Die Liebe zum Schauspiel steckt in Kate Winslets Genen: Ihre Grosseltern führten in Reading, 60 Kilometer westlich von London, ein Theater. Ihr Vater ist Schauspieler, muss aber oft auf dem Bau arbeiten, um die Familie durchzubringen, während die Mutter in einer Bar jobbt. Bereits als Fünfjährige tritt Kate in der Weihnachtsgeschichte als Maria auf. Den Durchbruch schafft sie vor 30 Jahren in Peter Jacksons Teen-Drama «Heavenly Creatures», in dem sie mit ihrer Freundin den Mord an deren Mutter ausheckt. Als sie mit «Titanic» so richtig durchstartet, wird sie für ihre Rundungen kritisiert, lässt sich aber nicht unterkriegen.

WEST HOLLYWOOD, CA - FEBRUARY 22: (***EXCLUSIVE ACCESS SPECIAL RATES APPLY*** NO TV BROADCAST IN THE USA OR CANADA UNTIL FEBRUARY 26.) Kate Winslet with her father Roger Winslet and mother Sally Bridges-Winslet attend the 2009 Vanity Fair Oscar party hosted by Graydon Carter at the Sunset Tower Hotel on February 22, 2009 in West Hollywood, California. (Photo by Jeff Vespa/VF/WireImage for Vanity Fair)

Oscar 2009: Kate feiert mit Vater Roger und Mutter Sally, die 2017 an Krebs verstarb.

Getty Images
LONDON, ENGLAND - MAY 14: (L-R) Mia Threapleton, Edward Abel Smith and Kate Winslet attend the 2023 BAFTA Television Awards with P&O Cruises Dinner at The Royal Festival Hall on May 14, 2023 in London, England. (Photo by Rowben Lantion/BAFTA via Getty Images)

«Cheese» fürs Selfie: Kate (r.) mit Gatte Abel und Tochter Mia bei den Bafta Awards.

BAFTA via Getty Images

Sie spielt Figuren mit Ecken und Kanten und gewinnt über die Jahre einen Oscar («The Reader»), fünf Golden Globes und zwei Emmys. Von Königin Elizabeth II. wird sie mit dem Verdienstorden des Britischen Empires ausgezeichnet. Nun gibts den Golden Icon Award für ihr Lebenswerk. Zeit für eine Standortbestimmung: «Ich fühle mich momentan in der Filmwelt mehr integriert als je zuvor», fasst sie zusammen. «Ich habe bei ‹Lee› die Story selber entwickelt, die Finanzierung organisiert, das Team engagiert und viel gelernt. Ich bin wirklich erfüllt im Leben. Es ist schön, das so sagen zu können in diesem Job, den ich immer noch sehr liebe.»

LONDON, ENGLAND - FEBRUARY 14:  (EDITORS NOTE: Image has been digitally manipulated) Kate Winslet attends the EE British Academy Film Awards at The Royal Opera House on February 14, 2016 in London, England.  (Photo by Mike Marsland/WireImage)

Der Filmkrise trotzen: «Wir dürfen nicht aufgeben, sondern müssen weiter Geschichten erzählen, die zum Nachdenken anregen.»

Getty Images

In den Fussstapfen der Mama

Und diese Liebe hat sie an die nächste Generation weitergegeben: Ihre älteren beiden Kinder, Tochter Mia Honey Threapleton (23) und Sohn Joe Alfie Mendes (20) treten 2021 im britischen Familiendrama «I Am Ruth» an der Seite ihrer Mutter auf. Sohn Bear Blaze Winslet (10) hat ihr und Daddy Ned Rocknroll, der nun wieder unter seinem bürgerlichen Namen Edward Abel Smith läuft, seine Schauspielambitionen ebenfalls schon angekündigt.

Nach Zürich kommt Kate Winslet jedoch mit Antony Penrose, dem Sohn von Lee Miller. Und nur kurz: «Ich würde gern in einem guten Restaurant fein essen gehen. Aber ich weiss nicht, ob die Zeit dazu ausreicht.»

Kate Winslet mit Sohn Joe Alfie

Drei Kinder und drei Ehen: Kate Winslet hier mit Sohn Joe Alfie Mendes. Sein Vater ist «Skyfall»-Regisseur Sam Mendes.

Dukas
Von Marlène von Arx am 6. Oktober 2024 - 12:00 Uhr