Keiner hatte es so drauf wie er – die hohe Kunst des Wutanfalls. Des totalen Ausrastens. Und wenn ihm der Kamm schwoll und er explodierte, wollte sich Europa über ihn halbtot lachen. Weil er das konnte wie kein anderer, war der kleine Louis de Funès (1,64m) der Allergrösste.
In seiner Heimat Frankreich, aber auch in Mitteleuropa, ist er unvergessen, obwohl er schon vor 40 Jahren – am 27. Januar 1983 – gestorben ist. Bis heute erzielen die Wiederholungen seiner alten Filme erstklassige Einschaltquoten. An seinem Todestag werden wieder Fans sein Grab mit Blumen schmücken.
«Mann mit 40 Grimassen pro Minute»
Niemand konnte Enttäuschung, Ungeduld, auch satanische Freude und Hinterlistigkeit auch ohne Worte so darstellen wie er. Und die Rolle des Cholerikers, der sich in seinem Temperament rettungslos verfängt und vergeblich um Fassung ringt, war ihm auf den Leib geschrieben.
Als «Mann mit 40 Grimassen pro Minute» haben ihn französische Zeitungen bezeichnet, dahinter steckte oft kein Lob, sondern eher Verachtung, denn für die meisten Filmkritiker waren seine Filme keine Kunst, sondern purer Klamauk. Doch das Publikum liebte ihn abgöttisch dafür.
Dabei entstammt er Kreisen, in denen Klamauk als nicht besonders gesellschaftsfähig galt. Als Louis Germain David de Funès de Galarza wurde er am 31. Juli 1914 in Courbevoie bei Paris geboren. Sein Vater war der spanische Rechtsanwalt Carlos Luis de Funès de Galarza. Er kam aus einer andalusischen Adelsfamilie, die ihm untersagte, die Bürgerliche Léonor Soto Reguera zu heiraten. Also wanderte das Liebespaar von Sevilla nach Frankreich aus, wo Louis zur Welt kam.
Schon in der Schule glänzte er angeblich mehr mit Sport und Streichen als mit Leistungen in den Hauptfächern. Immerhin schickte ihn die kunstbeflissene Mutter 1932 auf die Filmhochschule École nationale supérieure Louis-Lumière, die auch Grössen wie den Hollywood-Regisseur Fred Zinnemann («Zwölf Uhr mittags») ausgebildet hatte. Ein Jahr später flog er raus wegen eines Streichs mit Knallfröschen.
Karriereanfänge als Jazzpianist
Eine Lehre als Kürschner wurde ebenso vorzeitig abgebrochen, weil er den Kanarienvogel eines Berufschullehrers mit Gummiband und Haarnadeln abgeschossen hatte. Er hat dann als Zeichner, Dekorateur und Buchhalter gearbeitet. Und verdingte sich in verschiedenen Clubs des Pariser Rotlichtviertels Pigalle als Jazzpianist – denn Klavierspielen, das konnte er «wie Gott», wie seine zweite Frau Jeanne-Augustine Barthélémy de Maupassant zu sagen pflegte.
1942 ging er an die renommierte Pariser Schauspielschule Cours Simon, hatte kleine Theaterrollen, arbeitete als Sprecher beim Radio und landete 1946 beim Film. Da war er Anfang 30, nach der Scheidung von Germaine Louise Élodie Carroyer, mit der er einen Sohn hat, in der zweiten Ehe verheiratet mit besagter Madame Barthélémy de Maupassant – aus der zwei Söhne hervorgingen – einer Grossnichte des französischen Grossschriftstellers Guy de Maupassant.
Sein erster Filmauftritt in «Wenn der Himmel versagt» währte 40 Sekunden, und es dauerte fast 20 Jahre und 80 meist kleinere Rollen, bis er in «Quietsch... quietsch... wer bohrt denn da nach Öl?» die erste Hauptrolle bekam.
Der erste Erfolg
Louis de Funès war schon über 50, als sich 1964 mit «Der Gendarm von Saint Tropez» der erste grosse Filmerfolg einstellte. Die Rolle des einfältigen Polizisten Ludovic Cruchot, der von einer Katastrophe in die nächste stolpert, spielte er in fünf weiteren Filmen. Sie wurden alle Kassenschlager. Es folgten drei Filmkomödien der «Fantomas»-Reihe als Partner von Jean Marais.
In manchen Jahren drehte Louis de Funès drei bis vier Filme. Alle hatten ein Millionenpublikum, darunter waren grosse Kassenschlager wie «Louis, das Schlitzohr» (1965), «Drei Bruchpiloten in Paris» (1966), «Oscar» (1967), «Die dummen Streiche der Reichen» (1971), «Brust oder Keule» (1976), «Louis und seine ausserirdischen Kohlköpfe» (1981) und zahllose «Balduin»-Filme.
Die Machart war stets dieselbe: Ein hypernervöser Spiessbürger, der nach unten tritt und nach oben buckelt, dreht durch, der komische Wutanfall wird zum Mittelpunkt, ergänzt durch groteske Mimik und Gesten. Lediglich der Film «Die Abenteuer des Rabbi Jacob» (1973) weicht etwas von der Norm ab: Louis de Funès spielt einen rassistischen Unternehmer, der sich in die Machenschaften der Geheimdienste verstrickt und sich als Rabbiner tarnen muss. Dieses Rollenspiel verändert auch seinen Charakter zum Positiven. Es war sein anspruchsvollster Film.
Sehr zum überwältigenden Erfolg in Deutschland hat auch die Synchronisation beigetragen, die teilweise erheblich von den Original-Dialogen abweicht und perfekt auf Funès' Irrwisch-Gestik abgestimmt ist. Zum regelrechten Kult wurde ein Dialog aus «Hasch mich, ich bin der Mörder» (1971): «Nein!» – «Doch!» – «Oooh!»
In Frankreich wird Louis de Funès zum beliebtesten Schauspieler – und 1973 Ritter der Ehrenlegion. Seine Filme haben ihn reich gemacht: 1967 kauft er bei Le Cellier an der Loire das Château Clermont, den Stammsitz derer von Maupassant, und bezieht die 30 Zimmer des Schlosses.
Der wahre Louis de Funès ist anders als in seinen Filmen: ein zurückhaltender, aber angeblich nicht unkomplizierter Naturfreund, der leidenschaftlich gern Rosen züchtet, am liebsten in seinem Garten werkelt und tagelang schweigen kann. Sein Humor wird als scharf, hinter- und tiefgründig beschrieben, was auch ein überliefertes Bonmot belegt: «Verdunkelung ist ein wunderbares Mittel gegen Geschwätzigkeit. Es wirkt bei Papageien, man sollte es auch bei Menschen anwenden.»
Schauspieler war herzkrank
Seine Hilfsbereitschaft ist legendär. «Für Freunde machte er alles», sagt sein Sohn, der Arzt Patrick de Funès der «Süddeutschen Zeitung». Als die Frau seines Hausmeisters mal über heftige Kopfschmerzen geklagt habe «und daheim nicht abgeholt werden konnte, es schneite, da aktivierte Papa seine Kontakte zum Militär. Kurze Zeit später landete ein Armee-Hubschrauber bei uns im Garten und holte die Hausmeisterin ab! Im Krankenhaus stellte sich heraus, dass die Frau nur eine normale Migräne hatte».
Nur wenigen Menschen ist bekannt, dass der Edelmann Louis de Funès, der Politiker generell für Idioten hält, ein eingefleischter Royalist ist, der die jährliche Gedenkmesse für den am 21. Januar 1793 enthaupteten König Ludwig XVI. und alle Opfer der französischen Revolution besucht.
Ausserdem ist de Funès schwer herzkrank. Offenbar hat dieses ständige künstliche Aufregen einen hohen Tribut gefordert, zudem arbeitet er wie ein Besessener: Neben den Dreharbeiten spielt er noch Theater und liest regelmässig Werke der klassischen Literatur auf Schallplatten. Nicht stressfrei ist eventuell auch sein Privatleben; in den letzten Jahren verliebt sich der Schauspieler in die Radiomoderatorin und Schauspielerin Macha Béranger.
Sein Filmpartner Michel Galabru schildert diese Liaison in seinen Memoiren: Um die Geliebte regelmässig zu sehen, mietete Louis de Funès eine Suite im Pariser Hotel Intercontinental. Angeblich dauerte diese Beziehung über ein Jahrzehnt.
Am 20. März 1974 erlitt de Funès einen ersten Herzinfarkt, eine Woche später hatte er einen zweiten. Fortan war bei den Dreharbeiten immer ein Kardiologe dabei, doch am 27. Januar 1983 kam es zum dritten Infarkt, an dem Louis de Funès im Alter von 68 Jahren starb. An der Beerdigung nahe seinem Schloss nahmen 2000 Menschen teil.
«Le Figaro» schrieb über den Star, dem die französische Post 1998 eine Briefmarke widmete: «Louis de Funès, dieser Royalist, der jeden Sonntag zur Messe ging, war ein Besessener des Lachens.» Er hat viele Millionen Menschen damit angesteckt.