Ein Mann muss «tough» sein, darf keine Schwäche zeigen, Gefühle sind Weibersache – eine Ansicht, die vor fünfzig Jahren durchaus geläufig war. Auch heute gilt in so manchem Kulturkreis die Devise: Männer weinen nicht, Männer sind immer stark. Doch in unseren sozialen Gefilden ist inzwischen klar: Das sind Gender-spezifische Stereotypen, gegen die wir angehen müssen. Denn wir wissen: Eine gute psychische Gesundheit ist wichtig und Gefühle zu unterdrücken ist ungesund, es macht über kurz oder lang unglücklich.
Dass die Aufklärung zum Thema Mental Health wichtig ist, hat auch Schauspieler Dwayne «The Rock» Johnson (51) erkannt – für viele wohl das Sinnbild des männlichen Mannes. Er ist gross, muskulös, hat eine tiefe Stimme. Wer Interviews mit dem ehemaligen Wrestler schaut oder einen Blick auf seinen Social Media Kanal wirft, erkennt, dass Dwayne Johnson ein echter Softie ist – im besten Sinne des Wortes. Er vergötternt nicht nur seine kleinen Töchter, veranstaltet mit ihnen Teepartys und lässt sich von ihnen ein Umstyling inklusive Lidschatten, Rouge und Nagellack verpassen. Er spricht auch offen über seinen Kampf mit Depressionen.
In einem Podcast bei «The Pivot» sprach der «Jumanji»-Schauspieler nun erneut über Depressionen, die er bereits in jungen Jahren erfahren hatte. Damals sei er frisch an der Universität von Miami gewesen, Teil des Football-Teams und schien eine grossartige Sportler-Karriere vor sich zu haben. Dann kam die Schulterverletzung und Johnson fiel in ein Loch. Doch wusste er damals nicht, dass er Depressionen hatte. «Ich wusste nicht, was psychische Gesundheit ist. Ich wusste nicht, was eine Depression ist. Ich wusste nur, dass ich nicht dort sein wollte. Ich ging zu keinem der Teamtreffen. Ich habe mich an nichts beteiligt.»
Damals schaffte er es aus der Depression heraus, wurde Profi-Wrestler, dann Schauspieler und damit Hollywood-Star. 2017 suchten ihn die Depressionen wieder heim. Diesmal wusste Dwayne Johnson, was es mit seiner Stimmung auf sich hat, konnte dem ganzen einen Namen geben und sich Hilfe suchen. Über diese Zeit hinweg geholfen haben ihn auch enge Freunde, wie beispielsweise Kollege Kevin Hart (43), deren Wichtigkeit der Schauspieler im Interview betonte. «Freunde zu haben ist so wichtig, wenn man ein bisschen älter wird, weil man sich aufeinander stützen kann», erklärt er.
Dwayne Johnson ist nicht der Einzige mit Depressionen
Der «Zahnfee»-Darsteller ist mit dem Kampf gegen die Depressionen nicht alleine in Hollywood. Auch der britische Schauspieler Simon Pegg (53) sprach kürzlich über psychische Probleme. Auch er wusste zu Beginn der 2000er Jahre nicht, wie er damit umzugehen hat und griff daher zum Alkohol. Während der Dreharbeiten zu «Mission: Impossible» soll er stark alkoholabhängig gewesen sein, wollte seine Gefühle betäuben, gesteht er. «Man wird sehr heimlichtuerisch, wenn man so etwas in seinem Leben hat», gibt er zu, denn niemand habe von seiner Sucht etwas bemerkt.
Als 2009 dann seine Tochter zur Welt kam, war für Simon Pegg klar, dass er das Ruder herumreissen müsse und fand nicht nur aus der Alkoholsucht heraus, sondern konnte auch seine Depressionen überwinden.
Owen Wilson wäre fast gestorben
Bei Hollywood-Star Owen Wilson (54) waren die Depressionen in den 2000er Jahren so schlimm, dass er beinahe gestorben wäre. 2007 schnitt er sich die Pulsadern auf, wollte sich das Leben nehmen und entkam dem Tod nur knapp. Er wurde in ein Spital eingeliefert und erholte sich.
Danach sei sein älterer Bruder Andrew Wilson vorerst bei ihm eingezogen, habe auf ihn aufgepasst und ihm geholfen, zurück ins Leben zu finden. Wie Owen Wilson im Interview mit «Esquire» vor zwei Jahren erzählte, sei Andrew jeden Morgen mit ihm aufgestanden, habe ihm Zeitpläne erstellt und geholfen, Struktur in seinen Alltag zu bringen. Heute geht es dem «Zoolander»-Schauspieler wieder gut und für die Unterstützung seines grossen Bruders ist er «ziemlich dankbar».
Robbie Williams entkam der Depression
Auch Musiker Robbie Williams (49) sprach schon offen über seine Probleme mit seiner mentalen Gesundheit. In jungen Jahren kam der Ruhm und der Erfolg im Musikgeschäft – und damit die Herausforderungen auf die Psyche. Robbie Williams entwickelte Depressionen, versuchte aber, diese mit Hilfe von Alkohol und Drogen zu betäuben. Als er vergangenes Jahr eine Ansprache bei einer Veranstaltung des amerikanischen Aurora-Instituts für die Bildung von Kindern und Jugendlichen hielt, sprach er öffentlich über seinen Kampf gegen die Krankheit. Er leide an ADHS, Angstzuständen, Depressionen und nicht darüber zu sprechen sei seiner Meinung nach falsch. «Viel zu lange haben wir eine Krankheit, die buchstäblich Milliarden von uns täglich erleben, stigmatisiert und zum Tabu gemacht», sagte er und rief damit zu einer Enttabuisierung von der Thematik der psychischen Krankheiten auf.
Dania Schiftan über mentale Gesundheit
Immer mehr prominente Männer äussern sich öffentlich zu ihren psychischen Problemen. Und doch scheint es nach wie vor ein Tabuthema bei dem männlichen Geschlecht zu sein. Doch warum ist das so? Psychotherapeutin Dania Schiftan sprach mit Schweizer Illustrierte über dieses Phänomen und sagt: «Der Hintergrundgedanke zu vielen psychischen Störungen ist: ‹Wenn ich nur genug stark und motiviert bin, kann ich die Depression besiegen.› Die Haltung, die viele Menschen also haben ist, dass Depressionen dem Willen unterliegen und wenn der Wille stark genug ist, dann ist das genug, um aus der Depression herauszukommen. Aber das ist eben komplett falsch.»
Depressionen haben ihre Ursache in einem chemischen Ungleichgewicht im Gehirn, erklärt Dania Schiftan. Dieses Ungleichgewicht könne durch ganz unterschiedliche Faktoren ausgelöst werden. Schlimme Erlebnisse, Stress, Sorgen über diverse Lebensbereiche, steigender Konsum von Nikotin oder Alkohol…die Liste ist praktisch endlos. «Und nicht immer ist den Betroffenen der auslösende Aspekt bewusst oder bekannt. Manchmal kann man den Auslöser des Ungleichgewichts an einem bestimmten Faktor festmachen. Aber manchmal ist es auch ein eher schleichender Prozess, dessen Ursache sich nicht auf einen bestimmten Punkt im Leben zurückführen lässt.»
Mit einer entsprechenden Lebensführung könne man dieses Ungleichgewicht zwar positiv oder negativ beeinflussen, aber letztlich habe es sehr wenig mit dem Willen zu tun. Männer hätten daher in der Regel mehr Mühe damit, sich damit abzufinden, dass sich die Depression nicht mit reiner Willenskraft besiegen lasse und legen es deshalb als Schwäche aus und denken, sie hätten etwas falsch gemacht. Als Psychotherapeutin beobachte sie, dass Männer aus diesem Grund viel grössere Probleme damit hätten, zuzugeben, dass sie Depressionen haben.
Dass inzwischen so viele prominente Männer zu ihren Depressionen stehen und darüber öffentlich sprechen, hält Dania Schiftan für richtig und wichtig. «Vorbilder helfen immer», sagt sie. Doch das Problem in der Gesellschaft sei, dass eine psychische Störung häufig noch als Schwäche angesehen wird und das sei von vornherein schon mal falsch. «Eine psychische Störung ist keine Schwäche. Genauso wie ein Beinbruch keine Schwäche ist. Wenn jemand Emotionen zeigt, ist die Person nicht schwach, sondern eher stark. In erster Linie müssen wir aber erst einmal von den Begriffen stark und schwach wegkommen und von diesem Denken ‹Emotionen zeigen ist gleich stark›.» Da diese Begrifflichkeiten aber immer noch verwendet würden, hätten Männer laut Dania Schiftan immer noch mehr Probleme damit, zuzugeben, wenn sie Depressionen hätten. «Wir sollten genauso dazu stehen können, dass wir Depressionen haben, wie wenn wir uns das Bein gebrochen haben» sagt die Psychotherapeutin.
Zur Person
Dania Schiftan ist selbstständige Sexual- und Psychotherapeutin. Neben der Praxistätigkeit ist sie Autorin und Podcasterin und gibt regelmässig Kurse, Vorträge und Workshops. Sie ist Autorin des Buches «Coming soon - Orgasmus ist Übungssache», «Keep it coming - Guter Sex ist Übungssache» und der Graphic Novel «Let's talk about Sex», die im Piper-Verlag auf den Markt gekommen sind. Ganz neu erscheint nun Schiftans Buch «Das Comeback deiner Lust - So entfachst du das Feuer in dir», ebenfalls im Piper-Verlag.
Sollten Sie selbst das Gefühl haben, dass Sie Hilfe benötigen, sind diese Stellen rund um die Uhr für Menschen in suizidalen Krisen und für ihr Umfeld da:
- Beratungstelefon der Dargebotenen Hand: Telefon 143, www.143.ch
- Beratungstelefon von Pro Juventute (für Kinder und Jugendliche): Telefon 147, www.147.ch
- Weitere Adressen und Informationen: www.reden-kann-retten.ch