Zur Schweiz hat die Österreicherin Dagmar Koller eine ganz besondere Beziehung. «Ich verdanke ihr, dass ich überhaupt in diesen Beruf einsteigen durfte», sagt die Bühnendiva. Als Sängerin, Tänzerin und Schauspielerin ist sie in New York am berühmten Broadway aufgetreten, hat in der legendären Carnegie Hall gesungen und ist an der Seite von Stars wie Opernsänger René Kollo, «Schnulzenkönig» Vico Torriani, Filmkomiker Theo Lingen und TV-Legende Peter Weck auf Bühnen und vor Filmkameras gestanden. Sie arbeitete mit Frank Sinatra und Jack Lemmon, Tony Curtis und Isabella Rossellini, Paul Anka und Charles Aznavour – und schäkerte mit Prinz Charles, dem heutigen englischen König.
In Bern aber, «einer Traumstadt», wie Koller schwärmt, startete sie nach ihrem Schauspielstudium an der Wiener Akademie für Musik und darstellende Kunst ihre Karriere, begeisterte am dortigen Stadttheater von 1964 bis 1966 in Operetten wie «Die lustige Witwe» oder «Gräfin Mariza» das Publikum. 1965 zierte die damals 26-Jährige gar die Titelseite der Schweizer Illustrierten. «Das hat mir unglaublich weitergeholfen», erinnert sie sich. Koller stieg zur «Operetten-Königin» auf, stand in den 1970er-Jahren im Zürcher Opernhaus an jeweils drei Abenden pro Woche in «My Fair Lady» auf der Bühne, dem erfolgreichsten Musical aller Zeiten – und zeitweise besass sie gar eine eigene Wohnung in Arlesheim BL.
Eben erst ist die gefeierte Sängerin und Entertainerin 85 geworden. Regelmässig pendelt sie heute zwischen ihrer Wohnung in der Wiener Innenstadt und ihrem Zweitwohnsitz an der Algarve-Küste. «Das Meer ist sowohl meiner Gesundheit als auch meiner Stimmung förderlich», sagt sie. Zudem sei die Villa in Portugal rollstuhlgerecht umgebaut. Ein Umstand, von dem sie gerade in den vergangenen Monaten profitiert hat. Ein Oberschenkelhalsbruch nach einem Sturz zwang sie Ende vergangenen Jahres zuerst ins Spital – und danach für längere Zeit in den Rollstuhl. «Aber soll ich deshalb Trübsal blasen? Nein!» Im Job sei sie sehr hart zu sich gewesen, habe sich viel abverlangt. «Nun sind meine Beine vom vielen Tanzen abgenutzt, und manchmal melden sie sich. Ich muss ein bisschen aufpassen, dass ich nicht übermütig werde.»
Mit ihrer Karriere hat die Musical-Ikone abgeschlossen. «Ich habe keine Lust mehr, auf Bühnen zu stehen. Ich habe genug gearbeitet. Wenn wirklich noch mal ein gutes Angebot käme, würde ichs mir überlegen, aber ich bin eigentlich sehr froh, dass ich frei über meine Zeit verfügen kann.»
Spaziergänge am Strand und baden im Meer
In Albufeira geht sie oft spät ins Bett und schläft lange – bis gegen elf Uhr vormittags. Als Erstes folgt dann ein Blick von der Klippe ihres Grundstücks über das Meer, um das Wetter und den Wellengang einzuschätzen. Anschliessend frühstückt sie. Wer Dagmar Koller anrufen will, für den gilt strikt: nicht vor zwölf Uhr mittags! Ortszeit, wohlgemerkt. Gern geht sie am Strand spazieren oder badet im Meer – vorausgesetzt, es ist nicht zu kalt. Den Pool ihrer Villa nutzt sie dagegen nur, wenn der Atlantik zu kühl ist. Nach einem Mittagsschlaf gönnt sie sich hin und wieder einen Gin Tonic, ein Gläschen Prosecco oder einen Schluck Grand Marnier. Anschliessend telefoniert sie, plant den Abend oder die folgenden Tage. Und: Sie geht sehr gern und lange aus.
Das war in den letzten Jahren nicht immer so. Lange trauerte sie – um ihre grosse Liebe Helmut Zilk. Mit dem legendären ehemaligen Bürgermeister Wiens war «Dagi», wie ihre Landsleute Koller liebevoll nennen, 30 Jahre verheiratet gewesen. Als er 2008 an Herzversagen starb, zog ihr das den Boden unter den Füssen weg. Der Politiker, den sie mit Kosenamen zärtlich «Zilk» nennt, ist ihr Lebensmensch. Als Paar waren sie gern gesehene Gäste auf Österreichs gesellschaftlichem Parkett. «Ich habe lange um ‹Zilk› getrauert, war nur noch auf dem Friedhof, pflegte einzig Freundschaften mit Friedhofsbekanntschaften.»
Als die Koller am Berner Kollerweg posierte
Zuversicht gegeben habe ihr in dieser schweren Zeit das Meer. «Es hat so viel Kraft, das ist unglaublich!» Eines Tages, als sie in ihr Refugium am Atlantik zurückkehrte, habe sie sich im Spiegel betrachtet: «Ich sah müde Augen, fahle Haut, war mir fremd, schämte mich vor meinem Spiegelbild.» Sie begann wieder, sich zu schminken, und beschloss das Ende ihrer Trauer. Heute kann sie wieder lachen. Und mit fester Stimme sagt die Grande Dame, die einst als junge Frau für die Schweizer Illustrierte am Berner Kollerweg posierte: «Mein Leben ist wie ein Traum.»