Schnell mags Mick Schumacher schon als Kind. Winter 2002, zu Hause bei den Schumachers in Vufflens-le-Château VD: Es ist Formel-1-freie Zeit, Papa Michael zu Hause mit seinem Jüngsten. Ungeduldig rutscht der Dreijährige auf seinem Platz hin und her. «Kann ich schon essen?» Der Bub angelt sich die Gabel, sein Vater bremst ihn: «Wir warten auf Gina und Mama.»
Die Liebe fürs Schnelle bleibt Mick. «Rennfahren ist das, wovon ich träume», schreibt er auf seiner Homepage. 2018 holt er in der europäischen Formel-3-Meisterschaft den Titel, gibt seit 2019 Gas in der Formel 2, die er mit 22 Punkten anführt – und kommt als 21-Jähriger vor einer Woche zum ersten Einsatz in der Königsklasse des Motorsports. Sein Ritual jeweils: «Ich versuche, mich eine Stunde vorm Rennen zurückzuziehen. Augen zu, Kopfhörer auf und zehn Minuten abschalten.»
Tage zuvor rast Mick übers Testgelände in Fiorano. «Der kleine Schumi fährt wie ein Grosser», schreibt der «Corriere dello Sport». «Er ist für die Formel 1, die von Mythen lebt, enorm wichtig.»
Mick hat einen Platz in Ferraris Driver Academy. Sein Tagesablauf: «Meetings, Workshops, Simulator-Sessions, gemeinsames Kart-Fahren. Wir Fahrer nehmen von dort sehr viel mit, und die Nähe zu Ferrari ist für uns alle aufregend, auch wenn durch Corona der Kontakt in diesem Jahr etwas eingeschränkt war.»
«Rennfahren ist das, wovon ich träume»
Mick Schumacher
Zu den Mythen trug Micks Vater Michael als siebenmaliger Formel-1-Weltmeister viel bei. Schreibt der Sohn den Mythos fort? «Ich war elf und sass mit meinem Vater im Renntruck an der Kartbahn in Kerpen. Er guckte mir in die Augen und fragte: Willst du das ernsthaft? Ich habe nur genickt», verriet Mick jüngst im «Playboy».
Er träumt schon als Kind von einer Karriere als Rennfahrer, beginnt in der Bambini-Klasse mit Kartfahren. «Mein Vater war immer mein grösstes Idol.» Der Spass steht an vorderster Stelle – für Mick und für seine Eltern. Es geht nicht darum, Papa nachzueifern, sondern um Fun. Um nicht zu viel Aufsehen bei Rennen zu erregen, startet er unter dem Namen Mick Betsch, dem Mädchennamen seiner Mutter.
Mick verlebt eine glückliche Kindheit am Genfersee, wächst ohne Kindermädchen mit den Eltern und Grosseltern auf. Er tobt mit Vater Michael und Schwester Gina durchs Haus, klettert im Garten rum, springt auf dem Trampolin, reitet Shetlandponys. Die Kids haben zwei Wellensittiche und zwei Belgische Schäferhunde, Bonnie und Shiva. Für Singen oder Lesen ist Mama Corinna zuständig. Nur auf der Couch rumlümmeln, das gibts nicht bei Schumachers. Im Winter klemmt der Vater Mick zwischen die Knie und braust mit ihm Skipisten hinab. Später ist er es, der seinen verunfallten Vater auf der Piste findet.
Bei den beiden trifft das Sprichwort zu: Der Apfel fällt nicht weit vom Stamm. «Wir haben ein ähnliches Temperament, besitzen die gleiche Zielstrebigkeit», sagt Mick. Und beide sind bodenständig. Nicklas Nielsen, 23, ein Freund von Schumi junior, sagt: «Mick ist ein sehr ruhiger Typ, eine nette, einladende Person, die mit allen spricht.» Er erinnert sich an einen Auftritt des Vater-Sohn-Gespanns bei einem Kart-Event. «Sie kamen herein, gingen herum, sagten allen guten Morgen, gaben die Hand.» Mick hat auch Humor – zu sehen im Mercedes-Benz-Comedy-Clip «Fahrschule Furious» – wo er mit seinem Fahrlehrer in eine Radarfalle rauscht.
In sozialen Medien hält sich Mick zurück. Auf Instagram hat er eine Million Abonnenten, folgt selbst nur 137 Personen: Fussballer Lukas Podolski, 35, und Skispringer Sven Hannwald, 45. Er ist Fan des 1. FC Köln. Die Leidenschaft für die Geissböcke hat er vom Vater, der seit 2002 Mitglied des Bundesliga-Klubs ist.
Freundinnen? Partys? «Ich ordne dem Wunsch, in die Formel 1 zu kommen, alles unter.» Das Privatleben hielten Schumachers seit je privat. Nur so viel: Als Knirps hasst Mick Gemüse, ist Spider-Man-Fan, liebt die Ausflüge mit der Familie ins Ferienhaus im norwegischen Trysil.
«Mick ist ein sehr ruhiger Typ, eine nette, einladende Person»
Nicklas Nielsen, Ferrari-GT-Werksfahrer
Wie schnell gehts mit Mick weiter? Ob er nächste Saison schon fix in der Formel 1 mitfährt, für Ferrari-Teamchef Mattia Binotto wärs «der nächste logische Schritt». Der Sauber-Rennstall gilt als heisser Kandidat. In Hinwil ZH gibt man sich bedeckt. Sauber-Sprecher Will Ponissi: «Wir haben unsere Aufstellung für 2021 noch nicht bestätigt.»
Und Mick? «Wenn man zwei Wochenenden vor Saisonende die Formel-2-Meisterschaft anführt, möchte man auch oben bleiben. Was 2021 passiert, wird man sehen. Natürlich ist es seit je Karriereziel, ein erfolgreicher Formel-1-Fahrer zu werden.» Seine Familie wäre sicher stolz.