Sir Rod Stewart (79) hat seine weisse Schiebermütze tief ins Gesicht gezogen. «Hi, nice to see you», sagt er freundlich und setzt sich neben seine Frau Penny Lancaster (53) aufs geblümte Samtsofa in ihrem Anwesen in der Grafschaft Essex, nordöstlich von London. Das Interview mit dem britischen Rock- und Popstar findet per Zoom statt. Rod und Penny, seit fast 20 Jahren verheiratet und sichtlich immer noch ein Herz und eine Seele, nehmen sich eine Stunde Zeit für die Journalisten aus der Schweiz. Eine Seltenheit! «Normalerweise dauern meine Interviews nie länger als eine Viertelstunde», sagt die Musiklegende.
Rod Stewart ist vom renommierten Musikmagazin «Rolling Stone» auf Platz 59 der 100 grössten Sänger aller Zeiten gewählt worden. Prinz William hat ihn zum Ritter geschlagen. Derzeit tourt der 79-Jährige durch Europa und macht am 27. Juni halt im Hallenstadion Zürich. Ein Engagement in Las Vegas mit seinem neuen Album «Swing Fever» ist für Herbst geplant. Die Werbetrommel rühren muss Sir Rod Stewart definitiv nicht. «Mit dem Alter möchte ich nur noch Dinge tun, die mir sehr grosse Freude bereiten», sagt er und rückt ein bisschen näher zu seiner Frau Penny.
Die 53-jährige TV-Persönlichkeit und Fotografin managt die Familie, mit den gemeinsamen Söhnen, Alastair (18) und Aiden (13) sowie den sechs Kindern aus Rods vergangenen Beziehungen. Ganz nebenbei hat sie sich vor ein paar Jahren zur Hilfspolizistin ausbilden lassen und war bei der Beerdigung von Queen Elizabeth II. (†96) im Einsatz. Die beiden beenden Sätze voneinander, necken sich und sprechen vertraut, als würde man mit ihnen am Tisch beim Dinner sitzen.
Sir Rod Stewart, was macht Ihre Beziehung zu Penny aus?
Wir schaffen es, Streitigkeiten schnell zu lösen. Wir hören uns zu und versuchen, schmutzige Wäsche, wie Penny sagt, sofort zu klären, in jedem Fall, bevor wir schlafen gehen. Penny Lancaster: Man braucht eine gesunde Anziehung. Rod und ich können in einem überfüllten Raum zu Abend essen oder nur zu zweit sein – wir haben immer ein Auge füreinander, diesen Blick, diese Verbindung, die ohne Worte auskommt.
Wie haben Sie sich kennengelernt?
Penny: Wir trafen uns 1998, rein zufällig an Weihnachten im Nightclub des Londoner Dorchester Hotels. Ein Freund bat mich, Rod nach einem Autogramm zu fragen. Wir fanden uns interessant. Rods Bandleader, der Bassist Carmine Rojas, sagte ihm später: Ich habe ihre Nummer. Aber du machst grad eine Scheidung durch, es ist kein guter Zeitpunkt, sie anzurufen. Er gab Rod meine Nummer erst neun Monate später.
Rod Stewart witzelt: Ob das wirklich so verantwortungsvoll und nötig war?
Penny: Ja, denn ich war noch in einer Langzeitbeziehung!
Rod: Du kommst vom Thema ab! Penny: Nein! Anyway. Unser erstes Date hatten wir mit Freunden in einem italienischen Restaurant in Essex. Danach reiste ich zum ersten Mal nach Los Angeles, um Rod auf der Bühne zu sehen. Zur Jahrtausendwende trat er in Las Vegas auf. Im ersten Jahr führten wir eine Fernbeziehung. Ich lebte in England, Rod in den USA. Wir haben lange Gespräche über das Festnetz geführt, die Geschichte, die jeder von uns mitbrachte, ausgetauscht. Wir hatten von Anfang an eine ehrliche Beziehung.
Rod hatte bereits sechs Kinder …
Penny: Ja. Ich wusste, dass ich auch mit ihnen ehrlich sein muss, damit sie mich akzeptieren. Ich konnte mich nicht verstellen, um es jedem einzelnen recht zu machen. Also war ich einfach ich. Es dauerte eine Weile, aber sie fassten Vertrauen.
Rod, Sie posten auf Instagram oft Bilder mit Ihrer Familie. Warum?
Ich zeige Momente, die mir wichtig sind. Das Problem an sozialen Medien: Die Leute drehen durch, wenn sie Schlechtes über sich selbst lesen. Das geht so weit, dass sie sich deshalb das Leben nehmen. Ich lese das ganze negative Zeug nicht!
Penny: Du bekommst keine negativen Kommentare.
Rod: Doch! Und das ist okay. Es muss auch immer jemanden geben, der dich nicht mag. Aber ich habe keine Leichen im Keller. Wissen Sie, wenn wir etwas auf Instagram veröffentlichen, müssen wir natürlich sicherstellen, dass meine Haare gut aussehen. (Er grinst.)
Wenn Sie erlauben: Die wuselige Frisur ist seit Jahren Ihr Markenzeichen. Erstrahlt sie noch in echter Blüte?
Rod: Ja, ich habe Glück. (Er streift seine Schiebermütze ab und fährt sich durchs Haar.) Alles echt. Und das Styling: fünf Minuten, und die Frisur sitzt.
Penny: Sie sitzt, weil du ständig in deinem Haar herumwuselst.
Penny, wie ist es, mit einem Rockstar zusammen zu sein?
Rod lehnt sich nach vorn und fragt mit gespielter Empörung: Sprechen Sie auf etwas Besonderes in meiner Geschichte an?
Nein, eher auf das Klischee des wilden Rockstars. Trifft das zu?
Nun blickt Rod amüsiert zu Penny: Und, warst du je besorgt?
Penny: Nein. Zu meinem Glück war ich 27, als wir uns kennenlernten, also kein Teenager mehr, der sich in einen Rockstar verliebt. Es war aufregend, mit jemandem auszugehen, der ein solch aussergewöhnliches Leben führt, so berühmt ist. Aber ich realisierte schnell: Ich werde unter Beobachtung stehen. Das war das Schwierige. Ich musste lernen, vorsichtig zu sein, etwa im Umgang mit den Medien. Die Öffentlichkeit neigt dazu, immer gleich alles negativ zu interpretieren.
Rod, machen Ihnen Interviews noch Spass?
Um ehrlich zu sein, nein, nicht sonderlich. Mir werden immer wieder dieselben Fragen gestellt. Aber ich habe ein neues Album draussen. Ich muss Interviews geben. Das ist Teil des Spiels.
Worüber würden Sie denn gern sprechen?
Darüber, wie ich mich so fit halte. Aber das fragen Journalisten nie im Detail nach.
Penny übernimmt: Stimmt. Rod spricht gern über seine Fitness. Denn wie Sie sehen, ist er kein 79-jähriger Durchschnittsmann. (Lacht.) Ich habe Mühe, mit seinem Trainingsplan mitzuhalten. Er trainiert drei- bis viermal die Woche – auch wenn er auf Tournee ist. Ich gönne mir gern Gesichtsbehandlungen oder Massagen. Er hält das nicht länger als eine halbe Stunde aus. Er ist ein Workaholic, manchmal eine Nervensäge, er kann nie still sitzen. Er will arbeiten, nicht weil er muss, sondern weil er das, was er macht, so liebt.
Roderick David «Rod» Stewart wuchs als Sohn schottischer Eltern im Londoner Arbeiterviertel Highgate auf. Wie sein Vater ist er ein riesiger Fussballfan und will Profi werden. Mit 16 unterschreibt er einen Vertrag. Als es mit dieser Karriere nicht klappt, besucht er die Londoner Kunstakademie – und jobbt eine Zeit lang auf einem Friedhof. «Nicht als Totengräber, wie oft kolportiert wird», schreibt er 2013 in seiner Biografie. «Das ist nur eine genüssliche Mär.» In den 1960ern beginnt er seine Musikkarriere; erst in verschiedenen Blues- und Rockbands und dann als Solokünstler. James Brown, der Godfather of Soul, nannte ihn: «Den besten weissen Soulsänger auf Erden.»
Rod, sprechen wir über Ihre Eisenbahnanlagen!
O ja, eine grosse Leidenschaft!
Sie haben unglaublich reale, riesige Szenerien für Eisenbahnen gebaut, etwa von New York
Nun, ich habe nicht ganz alles selbst gebaut. Ich würde sagen, 80 Prozent. 1994 habe ich in Beverly Hills damit angefangen und einen Dachboden speziell für meine Modelleisenbahnen errichtet, weil ich mich schon mein ganzes Leben lang dafür interessiere. Vor fünf Jahren beschlossen wir, ins Vereinigte Königreich zurückzukehren. Penny sagte, du musst deine Eisenbahnen mitbringen! Ich antwortete: Das ist praktisch unmöglich. Sie insistierte: Doch, sie sind dein ganzes Leben! Schliesslich fanden wir Spezialisten, die alles ab- und wieder aufbauten. Die Eisenbahnlandschaften wurden in zwei Containern über den Atlantik verschifft und sind gut in Schuss. Ich werde gleich wieder ein wenig daran arbeiten.
Rod, Ihr Herz schlägt auch für Fussball. Während Sie durch Deutschland touren, spielt Schottland an der EM in Köln gegen die Schweiz. Gehen Sie hin?
Das Spiel findet tatsächlich an einem der wenigen konzertfreien Abende statt. Aber ich werde nicht hinfahren.
Warum?
Wenn ich hingehe, trinke ich und schreie meine Mannschaft an. Ich werde verrückt, und dann verliere ich meine Stimme. Ein Jammer! Seit 1974 habe ich keine einzige EM oder WM von Schottland verpasst.
Werden Sie nach all den Jahren eigentlich manchmal müde, auf Bühnen Ihre vielen Hits zum Besten zu geben?
Nein! Wenn Musiker sagen, sie hätten keine Lust mehr, ihre Hits zu spielen, ist das Blödsinn! Die Leute haben eine Menge Geld bezahlt, um sie zu hören. Würde Sam Cooke noch leben oder die Temptations und andere meiner Musikhelden noch auftreten, wäre ich sehr enttäuscht, wenn sie ihre grossen Songs nicht für mich bringen würden. Ich spiele, was das Publikum sich wünscht. Yeah, das ist Showbusiness!
Lassen Sie Lieder heute weg, weil die Texte nicht mehr angebracht sind?
Nein! Ich schaue mir die Texte an, die ich in den 1970er-Jahren geschrieben habe, wie «Stay with Me» oder «Hot Legs», und ich schäme mich nicht dafür. Ich erschaudere ein bisschen, aber das war eine andere Ära, ich war ein anderer Typ. Ich habe ja nicht gegen ein Gesetz verstossen. Die Texte sind Zeitzeugnisse. Und manche Lieder sind topaktuell geblieben: etwa «Rhythm of My Heart», ein Antikriegslied von 1991.
Worauf freuen Sie sich beim Auftritt in Zürich?
Ich mag die Leute, ein lebhaftes Publikum. Die Schweiz ist ein schönes Land. Das Bier ist gut. Irgendwann würde ich gern auch noch am Montreux Jazz Festival spielen. Ich kannte den Gründer, Claude Nobs. Ich möchte dort mit meinem Jazz, mit dem Pianisten Jools Holland auf die Bühne. Vielleicht nächstes Jahr, zu meinem 80.?
Wie pflegen Sie Ihre Charakterstimme?
Ah, ein guter Punkt! Ich kann mich nicht mehr so danebenbenehmen wie früher, die ganze Nacht aufbleiben. (Lacht.) Ich muss viel Wasser trinken, die Stimme aufwärmen und wieder abwärmen, tagsüber wenig sprechen. Ich kümmere mich um meine Stimme, als wäre sie ein Kronjuwel.
2016 hat Prinz William Sie zum Ritter geschlagen. Eine späte Ehrung, nachdem Sie schon Musikgeschichte geschrieben hatten?
Gar nicht! Ich hatte einige Jahre zuvor für meine musikalischen Beiträge schon einen CBE bekommen, den Commander of the British Empire. Ich bin sehr glücklich über diese Ehrungen.
Was verbindet Sie mit dem Königshaus?
Rod: Etwas ganz Besonderes. Ich würde nicht sagen, dass wir King Charles nahestehen. Aber wir haben gute Gespräche. Wir arbeiten seit Jahren für seine Wohltätigkeitsorganisation The Prince’s Trust.
Penny, Sie haben sich vor ein paar Jahren zur Hilfspolizistin ausbilden lassen und kamen zu einer ehrenhaften Aufgabe.
Ja, in der Funktion als Special Constable der City of London Police verrichte ich einmal pro Woche Dienst, unentgeltlich. Wir haben dieselben Befugnisse wie ein normaler Polizeibeamter, können etwa Verhaftungen vornehmen. Ich war bei der Beerdigung der Queen im Dienst und ebenso bei der Krönung des Kings. Ich fühlte mich sehr geehrt und stolz, in so unglaublichen Momenten dienen zu dürfen.
Begleiten Sie Rod auf Tournee?
Ich teile meine Zeit zwischen unseren beiden Söhnen und Rod auf. Da Rod nun in Europa unterwegs sein wird, ist es einfach, ein paar Tage mit ihm zu verreisen. Auch er kümmert sich um unsere Jungs. Vor ein paar Wochen fuhr er mit ihnen nach Schottland, um den Sieg seiner Fussballmannschaft Celtic zu sehen.
Treffen Sie sich mit den übrigen Kindern von Rod zu grossen Familienfesten?
Ja, aber manchmal schaffen es nicht alle gleichzeitig an einen Ort. Rods erstes Kind stammt aus einer Beziehung mit seiner damaligen Freundin, die wie er erst 17 war. Damals war es nicht okay, unverheiratet ein Kind zu bekommen. Sie waren beide selbst noch Kinder und hatten keinen Job. So gaben sie das Kind zur Adoption frei. Die Tochter hatte wunderbare Eltern und hat ein glückliches Leben. Sie erfuhr mit 18 Jahren, wer ihr richtiger Vater ist. Der Kontakt ist da, aber nicht sehr eng. Mit den anderen Kindern hingegen machen wir Zusammenkünfte.
Wahrscheinlich gar nicht so einfach, das zu organisieren.
Wir haben eine Whatsapp-Gruppe. So können wir alle Geschichten und wichtige Momente teilen, die wir sonst vielleicht verpassen würden, weil wir in verschiedenen Ländern und Zeitzonen leben. Letzten Sommer haben wir alle zusammen Urlaub gemacht, einschliesslich der Partner, verheiratet oder nicht, und der Babys. Wir waren 19 Personen in einer Villa, während Rod in Spanien gleichzeitig auf Tournee war. Es gibt Höhen und Tiefen wie bei allen Familien. Es sind fünf verschiedene Mütter involviert. Man muss geduldig und verständnisvoll sein. Aber am Ende ist es das wert. Man spürt dieses wunderbare Band, das nur eine Familie haben kann. Das Epizentrum ist letztlich Rod: Er ist der Rodfather.
Bitten Sie Rod manchmal kürzerzutreten?
Penny: Ich würde nie sagen, hör auf. Das würde nicht gut enden. Aber wir sprechen über ein wenig Verlangsamung. (Schmunzelt.)
Rod: In nächster Zeit sehe ich keine Möglichkeit für eine Verlangsamung. (Grinst.)
Lassen Sie uns zum Schluss noch über eine weitere Leidenschaft sprechen: Autos.
Rod: Schon bevor ich berühmt war und eine Menge Geld verdiente, habe ich Sportwagen geliebt. Nicht die älteren, sondern alle neuen Sportwagen. Heute stehen in der Garage drei Ferrari, ein Lamborghini und zwei Rolls-Royce.
Penny: Und er baut noch mehr Garagen – also habe ich den Verdacht, dass da noch was kommt …
Sind Sie ein schneller Fahrer, Rod?
Nein. Mir gefällt das Aussehen der Autos. Früher bin ich sehr schnell gefahren.
Penny: Ja, ich erinnere mich. Aber jetzt bin ich Polizistin. Jetzt kann ich das nicht mehr dulden. (Lacht.)
Rod: Und das ist gut so. Denn je älter man ist, desto langsamer wird man – weil man noch so viel zu verlieren hat.