Sein Ehrgeiz war schon als Kind gross. Helmut Steinberger, ein introvertierter, stiller Bub aus Bad Ischl, wollte nicht das Gasthaus seiner Eltern übernehmen, er wollte hoch hinaus und Zahnarzt werden. Sein Leben wäre sicherlich ruhiger verlaufen, er wäre nicht aus dem Olymp der Leinwandgötter in die Niederungen der Realityshows abgestürzt. Er wäre nicht vom «schönsten Mann der Welt» zu einer traurigen Ruine mutiert.
Aber die Welt wäre um eine schillernde Figur, um das erste androgyne Sexsymbol ärmer gewesen. Und das europäische Kino hätte einen grossartigen Schauspieler verpasst.
Schon in seiner ersten grossen Rolle – jetzt als Helmut Berger – zeigte sich sein Ausnahmetalent, diese Mischung aus Schönheit und Können, Wagemut und Eitelkeit. Meisterregisseur Luchino Visconti hatte den Schauspielschulabgänger, der sich mit Nebenrollen und Modeljobs durchschlug, an einem Strand entdeckt, er gab dem 25-Jährigen 1969 die Hauptrolle im Film «Die Verdammten».
Eine beunruhigende Blondine
Sein Auftritt als Dragqueen in Strapsen, mit Federboa und blonder Perücke, bleibt unvergessen. Zahllose Schauspieler vor und nach ihm, die in Frauenkleider schlüpften – von «Charleys Tante» über «Tootsie» bis «Mrs. Doubtfire» –, waren plumpe Parodien auf die Weiblichkeit. Dagegen machte Bergers ambivalente Ausstrahlung aus der Travestie Kunst, seine Blondine war beunruhigend echt und sexy. Regisseur Billy Wilder («Some Like it Hot») liess sich nach dieser Performance zu der Bemerkung hinreissen: «Ausser Helmut Berger gibt es heute keine interessanten Frauen mehr.»
Luchino Visconti und Helmut Berger waren bis zu Viscontis Tod 1976 Gefährten im Leben und in der Kunst. Ein Outing als schwul oder bisexuell war damals ein Risiko, Bergers Image als Sexsymbol hats nicht geschadet. Zusammen drehten der Meister und sein Schönling stilbildende Werke wie 1973 «Ludwig II.». Dieser Film brachte Berger mit Romy Schneider zusammen, die nochmals die Sissi spielte, die kaiserliche Cousine des Märchenkönigs.
Teufel mit Engelsgesicht
Mit Romy verband Berger eine lebenslange Freundschaft. In die Rolle des exzentrischen Bayernkönigs steigerte sich Berger so sehr hinein, dass er nach dem Dreh psychiatrische Hilfe beanspruchte. 1974 spielte Berger erneut unter der Regie seines Mentors und Geliebten in «Gewalt und Leidenschaft» einen teuflischen Charakter mit einem Engelsgesicht. Eine Mischung, die zu einem Markenzeichen wurde. In den frühen Siebzigern war Berger ein gern gesehener Gast bei den Schönen und Reichen des Jetset. «Solange ich Geld habe, gebe ich es aus», so das Credo des Schauspielers.
Von Denver ins Dschungelcamp
Der Tod von Visconti war ein Wendepunkt in Bergers Leben. Ein Jahr nach dem Verlust seines Gefährten unternahm Berger einen Selbstmordversuch. «Leider hat mich unsere römische Haushälterin, die sonst immer nachmittags kam, am Morgen gefunden», gab er öffentlich zu. Seine Karriere brach ein, er trat fortan noch in C-Filmen auf, hatte eine Gastrolle in der Mutter aller Serien, dem «Denver Clan», und spielte in schäbigen Parodien auf seine früheren Filme.
«Alle Regisseure, mit denen ich gern gearbeitet hätte, sind tot», redete er sich sein Karriere-Aus als ernsthafter Schauspieler schön. Er pöbelte sich durch Fernsehshows und landete am Tiefpunkt seines Lebens im Dschungelcamp. Dessen Slogan «Ich bin ein Star – holt mich hier raus» klang wie die blanke Ironie. «Alle meine Freunde sterben weg, ich fühle mich schuldig, dass ich noch da bin», sagte er schon vor Jahren. Er verstarb letzte Woche kurz vor seinem 79. Geburtstag in Salzburg.