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  4. Rocklegende Tina Turner stirbt im Alter von 83 Jahren in Küsnacht am Zürichsee
Rocklegende stirbt mit 83

Bye, bye, Tina – so laut, und doch so still

Alles an ihr schien gewaltig: ihre Stimme, ihre Karriere, ihre Erfolge, ihr Schmerz. Doch Tina Turner war viel mehr als das. Sie liebte die Stille, dachte nach über das Leben. So ist sie nun von uns gegangen. Still und weise.

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Sie ist friedlich zu Hause gestorben. Mit ihr verliert die Welt eine Musiklegende und ein Vorbild.» Je grösser ein Mensch, umso schlichter die Todesnachricht. Leise geht sie von dieser Welt, die Frau, die mit ihrer gewaltigen Stimme die Herzen von Millionen, ja mit Sicherheit sogar Milliarden von Menschen bewegt hat. Tina Turner tot. Diese Nachricht poppt am frühen Mittwochabend kurz nach 20 Uhr auf Millionen von Mobiltelefonen auf. Im ersten Moment wirkt es unwirklich.

Ein Megastar wie Tina Turner kann nicht sterben. Zu sehr prägen ihre Welthits wie «What’s Love Got to Do with It» oder «Private Dancer» unseren Radio-Alltag. Zu stark leuchten die unvergesslichen Bilder dieser kraftvollen Diva im Gedächtnis, wie sie mit ihrem eleganten Körper in schillernden Outfits auf High Heels über die Bühne tänzelt, ihre wuchtige Mähne schüttelt, mit ihren vollen Lippen den Refrain singt, der vor allem auch für sie selbst gilt – auch wenn sie dies selbst nie so gesagt hätte: «Simply the Best!»

Megastar einer anderen Dimension

Tina Turner. Das ist die gefeierte Queen of Soul und Rock ’n’ Roll. Die Künstlerin der anderen Dimension: Über 180 Millionen verkaufte Platten. Zwölf Grammy Awards. Verewigt in der Rock ’n’ Roll Hall of Fame. Geehrt mit einem Stern auf dem Hollywood Walk of Fame. Und nicht zuletzt auch in ihrer Wahlheimat, der Schweiz, geehrt mit einem Swiss Music Award und der Ehrendoktorwürde der Universität Bern. Alles an dieser Frau scheint powergeladen, glamourös und überwältigend. Als sie 2009 im Alter von 70 Jahren zu ihrem 50-Jahr-Bühnenjubiläum offiziell Abschied von ihrem Livepublikum nimmt, hat sie allein in den USA mit 37 ausverkauften Shows über 50 Millionen Dollar eingespielt. Es folgen nochmals 47 Livekonzerte vor über einer Million Zuschauer in ihrem geliebten Europa. Denn auf dem alten Kontinent hat sie ihre grosse Liebe gefunden: den deutschen Musikproduzenten Erwin Bach.

Anfang der 1980er-Jahre lernen sie sich kennen, als er sie vom Flughafen Heathrow abholt. Er Marketingmanager bei einer Plattenfirma. Sie im Begriff, ihren Trouble in den USA hinter sich zu lassen und in Europa mit neuen Songs neu zu starten. Im Menschengewimmel sehen sie sich in die Augen, dann ist es um sie geschehen: Liebe auf den ersten Blick! Diese hält über 40 Jahre, übersteht schwere Schicksalsschläge, die Tina Turner auch im hohen Alter noch zu verkraften hat. Am Ende, als Tinas Körper sich von all den Strapazen ihres bewegten Lebens nicht mehr richtig erholen will, schenkt Erwin ihr sogar eine Niere.

«Sie war inspirierend, warmherzig, lustig und grosszügig. Sie half mir so viel, als ich jung war, und ich werde sie nie vergessen»

US-Rocker Mick Jagger

Die stille alte Seele von Tina

Tina Turner gilt als laut. Doch wer die Ikone privat kennenlernen darf, erkennt, dass ihr eine stille, warme alte Seele innewohnt. Zusammen mit Regula Curti und der tibetischen Sängerin Dechen Shak-Dagsay hat Tina Turner sie 2009 in christlichen und buddhistischen Gesängen auf dem Album «Beyond» verewigt. Es ist die musikalische Versöhnung mit der Vergangenheit, die Tina bereits als Kind in eine harte Überlebensschule schickt.

Am 26. November 1939 kommt sie als Anna Mae Bullock im Haywood Memorial Hospital in Brownsville, Tennessee, zur Welt – im Untergeschoss. Wegen der Rassentrennung für Afroamerikaner. Mit elf Jahren wird sie von ihrer Mutter verlassen, wächst bei ihrer Grossmutter im Provinzkaff Nutbush auf. Als Kind singt sie im Baptisten-Chor. Mit 19 Jahren lernt sie den Sänger Ike Turner kennen, steigt bei seiner Band Kings of Rhythm als Backgroundsängerin ein und legt sich den Künstlernamen Tina Turner zu, weil dieser sich besser promoten lässt. 1960 schafft es ihre Single «A Fool in Love» auf Platz 27 der US-Charts. Danach touren sie als «Ike & Tina Turner Revue» erfolgreich durch die USA und Europa, werden 1972 sogar mit einem Grammy ausgezeichnet und landen mit Tina Turners autobiografischem Song «Nutbush City Limits» einen Welthit. Doch wenn das Rampenlicht erlischt, leidet Tina. Ike ist gewalttätig, verfällt den Drogen. Tina reicht die Scheidung ein. Ihr bleiben die Autorenlizenzen für die eigenen Songs sowie zwei Autos, Pelze und Schmuck – und Ronald «Ronnie» Renelle, ihr Sohn. Letztes Jahr wurde ihr «geliebtes Kind» jedoch tot vor seinem Haus in Los Angeles gefunden. Ein weiterer schwerer Schicksalsschlag für die grosse Sängerin, die bereits 2018 ihren ältesten Sohn Craig verloren hatte, der durch Selbstmord starb.

«Mögen Engel für sie auf ihrem letzten Weg singen – aber wie ich Tina kenne, wird sie selber die Leadsängerin sein»

US-Sängerin Bette Midler
Tina Turner

«Worte zu Noten, Gespräche zu Sinfonien – das wünsch ich mir im Himmel»: Tina Turner, hier 1987 bei einem Konzert in Paris.

AFP

Ein Hauch von Nutbush

Nun ist auch sie von uns gegangen, die grosse Tina Turner. Still und leise. Aber an einem Ort, den sie und ihr Mann sich für den Lebensabend ausgesucht haben: eine Villa in Küsnacht am Zürichsee. Ein kleines Dorf. Unspektakulär, aber bodenständig. «Ein Kirchenhaus. Ein Schulhaus. Ein Nebengebäude. Die Leute halten die Stadt sauber» – fast ein bisschen wie Nutbush. Kein Wunder, gefällt es Tina Turner hier so gut, dass sie sich 2013 einbürgern lässt.

Darum verneigt sich die Schweiz ganz besonders vor dieser grossen Künstlerin. In Dankbarkeit für all das, was sie uns an Emotionen, Freude und unvergesslichen Momenten geschenkt hat. In der Erinnerung bleibt sie unsterblich!

Von Zeno van Essel am 25. Mai 2023 - 11:51 Uhr