Francesca Romana Rivelli ist 14 Jahre alt und hat langes dunkles Haar. Ihr Vater ist Journalist, ihre Mutter Künstlerin, ihre Heimatstadt Rom 1970 Zentrum des internationalen Films und für viele Jugendliche Sprungbrett in eine Schauspielkarriere. Auch Francescas ältere Schwester Claudia versucht ihr Glück, spricht bei Regisseur Damiano Damiani vor, der Protagonisten für seinen Film «La moglie più bella» – die schönste Frau – sucht. Francesca begleitet ihre Schwester – was ihr Leben verändert. Denn während der Probeaufnahmen mit Claudia fällt dem Filmemacher die besondere Ausstrahlung der kleinen Francesca auf. Er überredet sie, ebenfalls Probeaufnahmen zu machen, erkennt ihr Potenzial, macht sie zur Hauptdarstellerin und gibt ihr den Künstlernamen Ornella Muti.
Damit beginnt die Karriere einer Frau, die es geschafft hat, als Ikone für Schönheit auch die Werte von Emanzipation, weiblichem Stolz und Bodenständigkeit zu verkörpern. Ihre erste Rolle spielt sie mit Bravour: eine Tochter armer Bauern, die von einem Mafiaboss vergewaltigt und zur Ehe gezwungen wird, danach aber den Mut aufbringt, ihren Peiniger bei der Polizei anzuzeigen. Heute sagt sie dazu: «Ich habe damals nichts realisiert. Ich war so jung, mir war alles eher peinlich, weil ich ja gar keine Schauspielerin werden wollte. Zudem war ich nie jemand, der stolz auf Komplimente ist – bis heute nicht.»
«Männer schauen allen Frauen nach», sagt Ornella Muti. «So sind sie nun mal.»
©Alexandra PauliDiese Woche feiert Ornella Muti ihren 70. Geburtstag. Mit über 60 Spielfilmen hat sie das Kino geprägt – sei es 1976 an der Seite von Gérard Depardieu (76) im Skandalfilm «Die letzte Frau» von Marco Ferreri oder 1998 in «Der Graf von Monte Christo», sei es als Prinzessin Aura in «Flash Gordon», dem Kult-Science-Fiction-Film der 1980er. Oder sei es in Komödien wie «Gib dem Affen Zucker» mit Adriano Celentano oder «Oscar – Vom Regen in die Traufe» mit Sylvester Stallone (78). Als Model zierte sie die Cover von Hochglanzmagazinen wie «Vogue» und «Elle».
Fantasy-Queen: In «Flash Gordon», dem Kult-Science-Fiction-Film der 1980er, spielte Ornella Muti die Rolle der raffinierten Prinzessin Aura.
Alamy Stock PhotoSchwanger mit 18 Jahren
Als sie mit 18 schwanger wird und sich trotz dem Druck ihrer Mutter und ihres Agenten für ihre Tochter entscheidet, zeigt sie ihren starken Charakter. Ihr zurückhaltendes Auftreten in der Öffentlichkeit und ihre Fähigkeit, auf der Leinwand gleichzeitig verletzlich und stark zu wirken, verleihen ihr schon in jungen Jahren eine besondere Art von Mystik. Noch immer umgibt Ornella Muti die Aura von Anmut und Authentizität. Ihre blauen Augen leuchten mit jugendlicher Neugier. Ihre Sprache ist direkt, ihre Aussagen sind geradlinig und lebensklug.
Tochter Naike (l.) und Mami Ornella treten gern zusammen auf wie jüngst an einer Gala in Köln.
Getty ImagesOrnella Muti, Sie sind auch mit 70 Jahren noch eine attraktive Frau. Wie gehen Sie mit dem Älterwerden um?
Man kann nicht etwas spielen, das man nicht ist. Es ist beunruhigend für den Geist, wenn man nicht dem Lauf des Lebens folgt. Wahrscheinlich werden Menschen eines Tages nie mehr sterben, aber bis dahin sollte man sich entspannen.
Hat Alter eine eigene Schönheit?
Das muss jeder für sich entscheiden. Natürlich ist es schön, gut zu altern. Und wenn einen etwas wirklich stört, gibt es wunderbare Ärzte, die weiterhelfen können. Aber von Schönheit besessen zu sein, führt oft zu schrecklichen Ergebnissen. Das Ziel ist, glücklich zu sein und sich mit sich selbst wohlzufühlen. Dann hat man die Kraft, Spass zu haben und das Leben zu geniessen – egal in welchem Alter.
Italo-Komödiantin: Mit Adriano Celentano formte Muti in drei Komödien der 1980er ein kongeniales Filmduo – hier in «Gib dem Affen Zucker».
INTERCAPITAL / Courtesy AlbumSie galten als Sexsymbol und Traumfrau und wurden 1994 vom US-Magazin «Class» zur schönsten Frau der Welt gekürt. Haben Sie es nie als Druck empfunden, eine Ikone für Schönheit zu sein?
Doch, natürlich. Ich glaube, das geht allen Frauen gleich. Es gehört zu unserem «Job», gut auszusehen, daher ist das Thema Schönheit besonders präsent. Aber man muss mit sich selbst Frieden schliessen. Wenn nicht, wird es zu einem Albtraum.
Schauen Sie sich oft Ihre Bilder von früher an?
Nur, wenn ich muss. Ich blicke nicht gern zurück. Denn ich glaube an das Jetzt. Wenn man an gestern und morgen denkt, vergeht der Tag, und man hat ihn verloren. Er kommt nie wieder.
Haben Sie jemals negative Erfahrungen aufgrund Ihrer Schönheit gemacht?
Schönheit ist ein Geschenk Gottes. Man muss wissen, wie man damit umgeht. Männer stehen nicht nur auf die sogenannt «schönen Frauen», sondern sie schauen allen Frauen nach. So sind sie nun mal. Man muss lernen, damit umzugehen. Es geht darum, wie man sich selbst präsentiert und wie man auf andere reagiert.
Femme Fatale: Im Geschlechterdrama «Die letzte Frau» von Skandalregisseur Marco Ferreri spielte Muti an der Seite von Depardieu.
Alamy Stock PhotoWie haben sich die Schönheitsideale seit den 70er-Jahren verändert?
In meinen jungen Jahren waren natürliche Schönheiten gefragt, heute geht es oft um ein sehr perfektioniertes, manchmal sogar künstliches Aussehen. Natürlich haben Make-up und andere Hilfsmittel uns damals auch geholfen, besser auszusehen. Aber heute ist es einfacher, schön zu sein, weil es viel mehr Möglichkeiten gibt, sein Aussehen zu optimieren. Man kann kleine Dinge tun, die das Erscheinungsbild stark beeinflussen. Das ist positiv. Als negativ könnte man sehen, dass der Druck, perfekt auszusehen, dadurch noch grösser geworden ist.
Social Media, digitale Filter und künstliche Intelligenz beeinflussen heute die Schönheitsideale. Was halten Sie davon?
Man kann Bilder so viel manipulieren, wie man will, aber am Ende zählt die Realität. Wenn man irgendwo als Person erscheint, ist man das, was man ist. Weniger ist darum oft mehr, denn sonst enttäuscht man nur, wenn man nicht so aussieht wie auf den Bildern. Schönheit betrifft zudem nicht nur das Äussere. Sie wird erst durch eine schöne Seele und einen schönen Geist lebendig. Wäre das nicht so, wären wir alle gleich.
Ihr persönliches Schönheitsgeheimnis?
Ich versuche, gut zu schlafen. Ich trinke keinen Alkohol. Leider rauche ich, das ist mein Laster. Ich denke, dass innere Ruhe ein Schlüssel ist. Sie hilft, den rastlosen Geist zu besänftigen und Wut und negativen Ballast aus dem Leben zu verbannen. Eine positive Einstellung und Zufriedenheit spiegeln sich in unserem Äusseren wider.