Sie sind zurzeit auf Ihrer ersten eigenen Tour. Wie lautet die Zwischenbilanz?
Ich glaube, ein Künstler ist nie 100 Prozent zufrieden. Es gibt immer etwas, das man besser machen könnte. Beim Tourstart in Stuttgart war ich sehr nervös und verkrampft. Das wird von Konzert zu Konzert jedoch besser.
Am Samstag spielen Sie im Zürcher Hallenstadion. Wie gefällt Ihnen die Schweiz?
Ich liebe die Schweiz. Ich überlege schon die ganze Zeit, dort hinzuziehen. Die Ordentlichkeit, die Sauberkeit, die Pünktlichkeit, die Natur, Zugverbindungen ins Ausland – hier hat man einfach alles. Im Gegensatz zum chaotischen Berlin sind die Leute ruhig und entspannt. Ich komme super gerne in die Schweiz und esse immer ganz viel Sprüngli-Süssigkeiten.
Ihr letzter Auftritt in Zürich war 2015. Waren Sie seither wieder in der Schweiz?
Meine Tante wohnt in der Nähe von Zürich, weswegen ich öfters hier bin. Sie kam von Litauen nach Deutschland und zog vor 23 Jahren in die Schweiz. Ich bin also immer mit der Schweiz verbunden. Meine Tante gibt mir Updates, wie zum Beispiel, als das Fabrikgebäude von Lindt & Sprüngli 2017 gebrannt hat. Mit Zürich habe ich daher eine innigere Beziehung als zu anderen Städten.
2015 haben Sie im Komplex 457 gespielt. Nun treten Sie im Zürcher Hallenstadion auf. Was macht das mit Ihnen?
Ich kann es gar nicht fassen. Ich versuche bei Konzerten jeweils die Gesichter zu zählen, höre bei vier wieder auf, weil ich sonst abgelenkt bin. Ich bin wahnsinnig dankbar. Ich weiss, wie die Schweizer abgehen. Das hat die Gangtour 2015 bewiesen. Alle YouTuber, die mit mir aufgetreten sind, waren der Meinung, dass Zürich mit Abstand die krasseste Show war.
Worauf haben Sie sich bei Ihrer ersten Tour besonders gefreut?
Ich habe mich am meisten darauf gefreut, die ganze Show selbst auf dieser Bühne zu sehen. Wir konzipieren seit Monaten an Licht, Showaufbau, Choreo oder Interaktion mit dem Publikum. Diese einzelnen Bauteile fügen sich nun endlich zusammen. Es ist wahnsinnig schön, wenn sich die Arbeit visuell sichtbar macht.
Was bereitet Ihnen Stress?
Wenn Sachen nicht so umgesetzt werden können, wie ich es möchte. Sei das, weil jemand, der für das Licht zuständig ist, gerade etwas schläft oder ein Fauxpas mit dem Mikrofon passiert. Solche Kleinigkeiten bekommt der Zuschauer nicht mit, aber hinter der Bühne ist nun mal auf der Bühne. Ausserdem sind die Outfitwechsel stressig. Innerhalb einer Minute muss ich mich backstage umziehen.
Welche Glücksbringer haben Sie bei der Tour dabei?
Meine Mama und meine Schwester Pati haben mich mit diversen Schlüsselanhängern, Kreuzarmbändern, Räucherstäbchen und Palo Santo ausgestattet.
Ihre Fans haben lange auf Ihre erste eigene Tour gewartet. Wieso ist jetzt der richtige Zeitpunkt?
Ehrlich gesagt habe ich mich lange einfach nicht getraut, weil ich nicht an mich selbst geglaubt habe. Ich hatte das Gefühl, dass ich als Babsi meinem Namen Shirin David nicht gerecht werde. Seit diesem Jahr bin ich selbstbewusster. Davor habe ich ständig daran gedacht, was schief laufen könnte. Mir war allerdings klar, dass Live-Auftritte einen Künstler nun mal ausmachen. Deswegen musste ich meinen Perfektionismus ablegen und endlich auf die Bühne.
Wieso hatten Sie das Gefühl, Ihrem Namen nicht gerecht zu werden?
Der Name Shirin David ist so gross geworden. Ich bin online aufgewachsen, habe Fehler gemacht. Wie jeder andere Mensch auch. Nur können Menschen meine persönliche Entwicklung mitverfolgen und darüber urteilen. Lange hatte ich zudem das Gefühl, dass ich bin noch nicht erwachsen oder reif genug bin. Ich wusste nicht, wie ich Sachen handeln sollte.
Ihre Community hat sich selbst einen Dresscode für Ihre Konzerte zurechtgelegt. Wie kommt es dazu?
Meine Zuschauer und Zuschauerinnen folgen mir, weil sie ähnliche Interessen wie ich haben. Das heisst, Beauty, Make-Up oder Styling. Meine Community ist nämlich «für die Girls and the Gays». Es sind visuelle Persönlichkeiten, die gerne auffallen. Es ist überwältigend zu sehen, dass die Community sich für das Konzert so chic macht und sich selbst feiert. Besonders, weil in Deutschland das Aufbrezeln immer noch verpönt ist. Darum bin ich besonders stolz.
Das Aufbrezeln wird auch bei Ihnen seit Jahren kritisiert. Wie stehen Sie dazu?
Mittlerweile sage ich, das ist Berufsrisiko. Wenn du dich in die Öffentlichkeit stellst, musst du neben den Privilegien, die du geniessen darfst, einfach damit leben, dass gewisse Leute über dich reden. Lange ging es mir sehr nahe, jetzt weiss ich, dass es deren Wahrnehmung oder Meinung ist. Welche Meinung ist wohl relevanter? Seitdem ich weiss, dass meine eigene die wichtigste ist, fühle ich mich ganz wohl damit.
Kritik gibt es auch für Kollaborationen mit McDonald's oder Features mit kontroversen Künstlern. Geht Ihnen das nahe?
Absolut. Klar sind Shitstorms ekelhaft, gerade, wenn es heisst, ich sei ein schlechter Mensch. Doch viele Shitstorms waren eine gute Schule für mich. Ich habe mich kulturell mit vielen Themen beschäftigt, mit denen ich zuvor nicht vertraut war. Klar kann ich nicht alles aufs Alter schieben, aber ich musste auf jeden Fall dazu lernen. Es war unangenehm, aber effektiv für die Zukunft. Vor allem weiss ich jetzt, wozu ich Nein sage.
Löst die Kritik Druck in Bezug auf die Tour aus?
Auf jeden Fall. Viele haben meinen Auftritt mit Rapper Shindy im September kritisiert. Ich habe Playback gespielt. Ich wollte das es perfekt wird, habe mir allerdings nicht zugetraut, dass ich mich aufs Publikum konzentrieren kann, präsent und locker bin und gleichzeitig eine Choreo abliefere. Ich verstehe, dass sich die Leute nach dem Auftritt gefragt haben, wie das bei der Tour aussehen wird. Dennoch habe ich geübt und verstanden, dass Training alles ist.
Aktuell sind Sie als Coach bei «The Voice of Germany» zu sehen. Wie gefällt Ihnen dieser Job?
Ich freue mich, dass der Sender meiner Beurteilung vertraut. Ich schätze die enge Zusammenarbeit mit den Talenten. In diesem Format begleitet man die Teilnehmenden und ihre Entwicklung intensiv. Nicht wie bei anderen Castings. Diese Freiheit und das Vertrauen in die Coaches schätze ich sehr.
Mit dieser Sendung sprechen Sie ein neues Publikum an. Was bedeutet das für Sie?
Das bedeutet für mich, dass ich mittlerweile wirklich überall erkannt werde. Normalerweise wusste ich, wann ich wo in Berlin unterwegs sein kann, ohne in meine Zielgruppe zu rennen. Wenn ich jetzt um 10 Uhr in einen Drogeriemarkt gehe, erkennen mich die Muttis, Tanten und Grossmuttis. Sie sprechen mich an und sagen, ich sehe ungeschminkt ja ganz anders aus (lacht).
Kürzlich lancierten Sie Ihren Podcast DirTea-Talk. Wie gefällt Ihnen die Rolle als Host?
Ich habe unglaublich Spass mit meinem Podcast. Das Ziel ist, neue Facetten zu zeigen und Leute vorzustellen, die ich einfach fühle. Es ist schön Frauen, aber natürlich auch Männern, eine Plattform geben zu können. Ausserdem habe ich nach YouTube nach etwas Neuem gesucht und bin zurzeit sehr zufrieden damit.
Fussballerin Alisha Lehmann war in Ihrer zweiten Folge zu Gast. Sie thematisierten Sexismus im Berufsleben. Wieso ist Ihnen das ein Anliegen?
Weil ich es einfach sehr anstrengend finde, dass wir als Frauen anders behandelt werden – egal ob im Beruf oder privat. Wir müssen doppelt so hart kämpfen und werden ständig sexualisiert. Alisha ist eine starke Fussballerin, die alles gibt. Natürlich nutzt sie auch ihr Pretty Privilege, das heisst nicht, dass wir einen Menschen aufs Aussehen reduzieren dürfen. Dafür kämpfe ich.
Welche Botschaft möchten Sie mit Ihrer Musik vermitteln?
Ich möchte Selbstvertrauen und Gefühle vermitteln – am liebsten positive. Ich liebe freche, laute Songs. Auch wenn sich die Community wieder mehr Balladen wünscht, was bestimmt wieder kommen wird. Ich brauch aber laute Songs, um mich besser zu fühlen. Wenn ich einen schlechten Tag habe, höre ich Nicki Minaj. Sie gibt mir das Gefühl, dass ich alles schaffen kann. Und genau das will ich mit meiner Musik vermitteln.
Womit dürfen die Fans bei Ihrem Konzert in Zürich rechnen?
Ganz viele Emotionen. Sie dürfen lachen und weinen. Es wird auch lustig. Wir haben einige unterhaltende Videos aufgezeichnet. Es wird ein DJ-Duo geben, mein erstes Signing Josi tritt ebenfalls auf. Ich liefere ein über 1,5h-stündiges Set. Eine Ladies-Only-Show mit jeder Menge Frauenpower.