Musik-Thriller mit Cate Blanchett

Spiel mit dem Feuer

Sexismus im Orchestergraben: Cate Blanchett verkörpert im Kinohit «Tár» eine skrupellose Dirigentin. Das Drama über den Absturz eines übergriffigen Klassik-Genies fasziniert, wühlt auf und entfacht eine heftige Debatte. Fazit: Machtmissbrauch ist geschlechtslos.

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DARF NUR Für DIESE GESCHICHTE Genutzt werden!!!!! Venise, Italie, 1er septembre 2022 : séance photo avec l'actrice australo-américaine Cate BLANCHETT lors du 79e Festival International du Film de Venise (du 31 août au 10 septembre) : attitude souriante de face, la vedette du film "Tar" de Todd Field (en compétition) posant en robe Armani debout sur le balcon de l'hôtel Excelsior. PREIS INKLUSIV ONLINE

Besessen von komplexen Frauenrollen: Oscar-Preisträgerin Cate Blanchett («Elizabeth») lotet die Grenzen des Weiblichen aus.

VINCENT CAPMAN/PARIS MATCH/SCOOP

Der Atem des Publikums stockt. Schwingt die Dirigentin ihren Taktstock, trifft einen die Musik mit voller Wucht. Lydia Tár, die Ausnahmekünstlerin, ist brillant, aber auch ein wenig böse. Eine Besessene, die für ihre Arbeit brennt und bedingungslose Unterwerfung fordert. Wer nicht mitspielt, den bestraft sie mit Verachtung. Gerade erarbeitet sie mit den Philharmonikern eine Liveaufnahme von Gustav Mahlers 5. Sinfonie. Es ist der letzte Stein, der ihr in ihrer funkelnden Krone noch fehlt.

Cate Blanchett (53) verkörpert die Rolle der Tár – und ist ein Naturereignis! Sie spielt vielschichtig und mit expressiver Härte, wenn sie dirigiert. Versteckt sich hinter ihrer coolen Maske, wenn es ums Zwischenmenschliche geht. Der Hollywood-Star erschafft ein fiktives, geniales Monster, dessen Fassade nach und nach zu bröckeln beginnt. Musikalisch ist Lydia Tár hochbegabt, menschlich eine Katastrophe. Zu Beginn hat die Leiterin der Berliner Philharmoniker Leben und Taktstock fest im Griff. Doch sie vermischt Geschäftliches mit Privatem, betrügt ihre Lebensgefährtin, missbraucht ihre Position, um ihren Willen durchzusetzen. Wie viele mächtige Menschen kommt sie lange mit ihren Spielchen durch.

2M11KJ7 TAR 2022 de Todd Field Sophie Kauer Cate Blanchett. COLLECTION CHRISTOPHEL © Focus Features - Standard Film Company - EMJAG Productions

Musikalisch ein Genie, menschlich eine Katastrophe: Blanchett verteilt ihre Gunst als Dirigentin Lydia Tár sehr willkürlich.

Alamy Stock Photo

Zwischen Realität und Fiktion

Wie verändert Macht? Was macht sie mit einem? Regisseur Todd Field entzieht sich in seinem Monumentalwerk «Tár» (2 Stunden, 38 Minuten) einfachen Schuldzuweisungen. Machtmissbrauch gibt es überall, gerade auch im Kulturbetrieb. So wurden der Führungsstil von Stardirigent Daniel Barenboim, die sexuellen Übergriffe von Opernsänger Plácido Domingo oder das gottähnliche Verhalten Herbert von Karajans an den Pranger gestellt. In «Tár» begeht nun eine starke Frau den Sündenfall. Das sorgt für einen Aufschrei. Warum eigentlich? Erzählt der Film nicht vom Wesen des Menschen? Co-Schauspielerin Nina Hoss (sie verkörpert die Partnerin der tragischen Heldin) bringt es auf den Punkt: «Es ist erstaunlich, dass wir noch immer davon ausgehen, Frauen würden nur nach dem Guten streben.» Cate Blanchett doppelt nach: «Sollen Frauen eine Geschichte tragen, müssen sie edel sein, nobel und gebildet, sie sollen uns erheben. Dabei sind sie auch nur Personen mit Fehlern – genau darin liegt das Drama.»

Doch wie schlimm ist Társ Verhalten wirklich? Dass sie sich in eine junge Cellistin verliebt, obschon sie Mutter eines Adoptivkindes ist und eine lesbische Ehe führt: Kommt in den besten Kreisen vor. Dass sie altverdiente Mitarbeiter entlässt und Solistenposten umverteilt: Part of the Job. Dass sie die intellektuelle Hilflosigkeit eines Schülers ausnutzt und ihm die Hand aufs Knie legt, das vor Nervosität zittert: nicht wirklich ladylike. Besonders unheimlich wird das Psychogramm durch irritierende Horrormomente, die eine paranoide Atmosphäre erzeugen. Die Maestra (im Film wird bewusst nur die männliche Form gewählt) begegnet im Alltag seltsamen Zeichen und Mustern. Nachts hört sie unheimliche Geräusche und hat das Gefühl, dass Gegenstände nicht mehr da sind, wo sie sein sollten.

Cate Blanchett auf dem roten Teppich bei der Deutschlandpremiere von "Tar" im Rahmen der 73. Berlinale im Berlinale Palast in Berlin. 23.02.2023 +++ "TAR" premiere during the 73rd Berlinale International Film Festival Berlin at Berlinale Palast in Berlin, 23.02.2023.

Smart und mit Haltung: Die 53-Jährige Co-Produzentin feierte am 23. Februar an der 73. Berlinale mit ihrem Film «Tár» Deutschlandpremiere.

Dukas

Der nächste Oscar wartet!

Als eine Studentin Selbstmord begeht, nimmt das Drama seinen Lauf. Der weltweit gefeierte Star wird sprichwörtlich vom Podest gestossen. Am Ende des Films kommt er ganz unten an – bei sich selbst. Cate Blanchett: «Als ich die letzte Szene las, dachte ich: Das ist ja wahnsinnig traurig. Aber als wir dann drehten, fühlte ich, wie lebensbejahend sie wirklich ist. In Lydia Társ Ende wohnt ein neuer Anfang.»

US-Regisseur Todd Field will kein frauenfeindliches Denkmal setzen. Und auch nicht Weltklasse-Dirigentinnen wie Marin Alsop (66) verunglimpfen, die es in der männerdominierten Branche an die Spitze geschafft haben. Die Rolle schrieb er nur für Blanchett. «Sie hat uns alle mitgerissen. Das Privileg, mit einer Künstlerin dieses Formats zu arbeiten, lässt sich nicht in Worte fassen. ‹Tár› ist allein Cates Film. Ich wollte ihn nur mit ihr oder gar nicht drehen.» Die Australierin sagte zu. Und ist für den Oscar als beste weibliche Hauptdarstellerin nominiert. Über Cate Blanchetts Leben jenseits der Kamera ist wenig bekannt. Ihren Ehemann Andrew Upton, 57, einen australischer Drehbuchautor, lernte sie 1996 an einer Party kennen. «Das Erste, was ich von ihm sah», scherzt sie, «war sein Hintern. Er bückte sich, um etwas aus dem Backofen zu holen.» Zuerst konnten sie sich nicht leiden. Er fand sie unnahbar, sie ihn arrogant. Drei Wochen später machte er ihr einen Antrag. Heute hat das Paar drei Söhne, eine Adoptivtochter und null Skan-dale. Privat, sagt Andrew, sei seine Frau unglaublich nett und herzlich.

AU_1299172 - ** RIGHTS: ONLY UNITED STATES ** Sydney, AUSTRALIA - *EXCLUSIVE* - EXCLUSIVE: Cate Blanchett enjoys a day out with family during holidays in Sydney Pictured: Cate Blanchett and family BACKGRID Australia 26 JULY 2018 BYLINE MUST READ: DIIMEX / BACKGRID Phone: + 61 2 8719 0598 Email: photos@backgrid.com.au

Skandale? Fehlanzeige. Mit Andrew Upton ist der Superstar (70 Filme!) seit 1997 verheiratet (hier mit Töchterchen Edith).

Dukas
Caroline Micaela Hauger am 3. März 2023 - 16:47 Uhr