Die junge Frau trägt ein Kopftuch, wie es Tradition ist in Pakistan. Ihr Blick ist gütig und fordernd zugleich. Als lasse sie die Leserschaft keinen Moment aus den Augen. “The ectraorinary life of Malala. Survivor, activist, legend” – so titelt die Juli-Ausgabe der britischen Vogue.
Das legendäre Modemagazin widmet sein Cover einer der wichtigsten Feministinnen des 21. Jahrhunderts. Malala Yousafzai ist erst 23-jährig – und hat doch bereits eine unglaubliche Lebensgeschichte zu erzählen.
Angefangen hat alles 2009. Malala ist ein normales, elfjähriges pakistanisches Mädchen und träumt von einer freieren Welt für die Mädchen in ihrem Land. Und sie hat Angst. Die Taliban gewinnen in ihrer Wohnregion, dem Swat-Tal, immer mehr an Einfluss und terrorisieren die Bevölkerung. Insbesondere die Mädchen und Frauen werden von den Extremisten drangsaliert. Sie zerstören Schulen für Mädchen, der Unterricht wird Mädchen generell verboten, das Hören von Musik, das Tanzen und das unverschleierte Betreten öffentlicher Räume.
Für die Webseite der britischen BBC produziert Malala eine Art Tagebuch, auf dem sie von ihren Erfahrungen und Ängsten schreibt. Der Blog wird in Pakistan ein Hit. Malala wird bekannt. Das wird ihr zum Verhängnis.
Am 9. Oktober 2012 wird der Bus, in dem Malala zur Schule fährt, von den Taliban gestoppt. Mit einem Revolver wird ihr aus nächster Nähe in Kopf und Hals geschossen; auch einige ihrer Mitschülerinnen werden durch die Schüsse verletzt. Malala kommt in kritischem Zustand ins Krankenhaus.
Doch sie überlebt, kämpft sich zurück – und setzt sich fortan noch stärker für mehr Freiheit für Mädchen ein. Mit ihrer Familie lebt sie mittlerweile in Grossbritannien. Sie wird zu einer Ikone – und bald kennt die ganze Welt ihre Geschichte und ihr (anfangs noch entstelltes) Gesicht.
Das Time-Magazin erklärt sie (nach Barack Obama) zur «zweitwichtigsten Person des Jahres 2012». Die Zuseher von Euronews wählten sie zum «Menschen des Jahres» 2012, und CNN ernennt Malala (hinter Obama) zur «faszinierendsten Persönlichkeit des Jahres» 2012.
Malala reist um die Welt. Trifft sich mit den Mächtigsten, ist zu Gast im Weissen Haus, referiert vor der Uno, besucht Mädchenheime und syrische Flüchtlingslager.
Für ihren Mut und ihren Einsatz erhält sie 2014 den Friedensnobelpreis. Als jüngste Preisträgerin der Geschichte.
Bei ihrer Rede in Oslo sagt sie: «Obwohl ich nur als ein Mädchen erscheine, eine Person mit 1,70 m, wenn man meine High Heels dazu rechnet, bin ich keine einsame Stimme, ich bin viele. […] Ich bin diese 66 Millionen Mädchen, denen man die Bildung verweigert hat.»
Die UN macht sie zu ihrer Friedensbotschafterin. Malala studiert an der Oxford University Philosophie, Politik und Wirtschaft. Sie hat ein Buch geschrieben («Ich bin Malala»), es gibt einen Dokfilm über sie («Malala – Ihr Recht auf Bildung»), und sogar das Kreuzfahrtschiff Celebrity Edge hat sie als Taufpatin.
Malala ist längst auch eine Marke und generiert viel Geld: Eine der grössten Werbeagenturen der Welt kümmert sich um sie, fünf Mitarbeiter betreuen die Kultfigur.
Das rubinrote, traditionelle muslimische Kopftuch, dass Malala auf dem Vogue-Cover trägt, hat sie bewusst ausgewählt: Wenn sie ihre traditionelle Kleidung trage, so Malala im Interview, heisse es oft, sie werde so doch unterdrückt, sei stimmlos oder lebe im Patriarchat. «Aber ich möchte jedem sagen, dass man auch in seiner Kultur seine eigene Stimme und Gleichberechtigung haben kann.»