«Als ich hörte, dass die Lauberhornrennen am kommenden Wochenende nicht stattfinden können, war ich sehr enttäuscht. Denn ohne diesen Klassiker fehlt ein wichtiger Teil des Saisonkalenders. Man könnte sogar sagen: Ohne die Lauberhornabfahrt ist der Winter nicht komplett.
Diese Abfahrt verkörpert unseren Sport wie kaum ein anderer Anlass. Erhält man die Gelegenheit, diese Strecke zu befahren, erlebt man zweieinhalb Minuten puren Spass. Im Gegensatz zu Kitzbühel, wo man keine Sekunde Zeit hat, sich der Strecke anzunähern, kann man sich am Lauberhorn richtiggehend einschwingen und auf die entscheidenden Passagen freuen.
Allein der Ort ist ein Highlight der Saison. Denn vor einer schöneren und spektakuläreren Kulisse fährt man nirgends Ski. Steht man auf der Lauberhornschulter am Start, erlebt man als Sportler wahre Glücksgefühle. Eiger, Mönch und Jungfrau machen einen demütig und respektvoll. Ein Skirennen in einer solch grandiosen Umgebung spiegelt die Magie unseres Sports. In Österreich haben wir zwar das Kaisergebirge, doch allein die Höhe des höchsten Gipfels (2344 m ü. M.) zeigt, dass wir mit den Schweizer Alpen nicht mithalten können.
«Ohne Lauberhornabfahrt ist der Winter nicht komplett»
Franz Klammer
Dank meinen drei Abfahrtssiegen verbinde ich grossartige Erinnerungen ans Lauberhorn. Der schönste Sieg war sicherlich der erste. Doch auch der dritte Erfolg 1977 bedeutete ein wunderbares Ereignis. Allerdings dachte ich damals nicht, dass es mein letzter Lauberhornsieg gewesen war.
So oder so: Wengen war für mich immer mehr als bloss der Austragungsort eines Sportanlasses. Allein die Anreise mit der Bahn ist sozusagen wie die Fahrt in eine andere Welt. In Wengen ist noch vieles wie früher – und das ist gut so. Jeder Skisport-Fan und die Fahrer sowieso sind von diesem Anlass fasziniert. Wir wohnten jeweils im Hotel Alpenrose unweit des Zielgeländes und genossen den Aufenthalt auch abseits der Rennstrecke. Als einmal das Training abgesagt wurde, schlittelten wir nach Lauterbrunnen. Oder wir setzten uns in ein Café und gönnten uns eine kleine Auszeit. Heute wäre das kaum mehr möglich.
Mein persönlicher Terminkalender lässt einen Besuch der Lauberhornrennen leider nicht jedes Jahr zu. Das letzte Mal war ich vor drei Jahren dort, als Bernhard Russi seinen Dokumentarfilm vorstellte. Da spürte ich den Mythos dieses Orts wieder ganz deutlich.
Wengen ist für mich eine Herzensangelegenheit. Dass vor Kurzem über eine Streichung des Anlasses gesprochen wurde, war für mich völlig unverständlich. Jeder, der den Skisport liebt, weiss aus eigener Erfahrung, was die Lauberhornrennen für Wengen, für die Schweiz – ja für den globalen Skisport bedeuten. Hier geht es nicht nur um ein einzelnes Rennen. Es geht um den Skisport als Ganzes. Sicherlich freue ich mich als Österreicher auf die Hahnenkammrennen in Kitzbühel. Aber genauso freue ich mich, wenn in einem Jahr die nächste Lauberhornabfahrt stattfindet. Denn dieses Rennen darf im Weltcup-Programm nicht fehlen.»
Aufgezeichnet von Thomas Renggli