1. Home
  2. People
  3. International Stars
  4. Britney Spears neuer Dok-Film
Neue Doku über die Popsängerin

Wir sollten uns bei Britney entschuldigen

Die Doku «Framing Britney Spears» erteilt uns allen eine Lektion. Und zeigt, dass Britney Spears viel mehr ist als eine Hit-Schleuder, die einst ihren Schädel rasierte. Sie hat eine Entschuldigung verdient.

Artikel teilen

HOLLYWOOD, CALIFORNIA - JULY 22: Britney Spears attends Sony Pictures' "Once Upon a Time ... in Hollywood" Los Angeles Premiere on July 22, 2019 in Hollywood, California. (Photo by Axelle/Bauer-Griffin/FilmMagic)

Britney Spears ist seit 2008 entmündigt. Ihr Vater kontrolliert seit ihrem Zusammenbruch ihr Vermögen – und wie viele ihr nahestehende Menschen behaupten: Ihr ganzes Leben. Der von der New York Times produzierte Dok-Film «Framing Britney Spears» geht dieser Frage nach. Und analysiert Spears' Abwärtspirale mit einer 2021-Brille.

FilmMagic

Wir kennen sie, die Memes à la «Wenn Britney 2007 überlebt hat, dann überlebst du auch das». Man lacht kurz. Immerhin haben viele von uns den Tiefpunkt von Britney Spears’ Karriere miterlebt. Damals, als sie zusammenbrach, sich die Haare abrasierte und mit einem Schirm auf Reporter losging. Die Welt hat sich über die damals 26-Jährige eine Meinung gebildet. Britney hatte einen Nervenzusammenbruch» war vermutlich noch das netteste, was über die Sängerin zu lesen war. 

Es war «ok», sich über sie lustig zu machen, sie und ihre Entscheidungen durch den Kakao zu ziehen. Man tat ja nur das, was alle taten. Promi-Blogger Perez Hilton sagte dazu: «Wenn es Britney schlecht geht, geht es mir gut». Doch Britney Spears’ Tiefpunkt ist kein Witz. Er ist die Folge eines Systems, das es nicht gut mit ihr meinte. Eines Systems, das heute, weniger als 20 Jahre später, wie aus der Zeit gefallen wirkt.

 

(EXCLUSIVE COVERAGE – PREMIUM RATES APPLY)  Britney Spears poses during a portrait session on October 2, 1998 in Los Angeles, California.

Die junge Britney Spears musste sich Ende der 90er- und in den Nullerjahren allerhand grenzüberschreitende Fragen zu ihrer Sexualität gefallen lassen. Sie lächelte das in den meisten Fällen weg – und litt laut Berichten ihr nahestehender Menschen im Privaten. 

WireImage

Die von der New York Times produzierte Doku «Framing Britney Spears» legt hier den Finger in die Wunde. Denn, Hand aufs Herz: Wer heute so Mitte 30 oder um die 40 ist, hat damals ein bisschen mitgemacht. Nicht aktiv, nicht bewusst und in vielen Fällen vermutlich ohne böse Absicht.

Wir haben News konsumiert, die einer verzweifelten 26-Jährigen «Irrsinn» attestierten und Bilder angeschaut, die Heerscharen von Paparazzi, die keine Grenzen kannten, von einer verzweifelten jungen Frau machten. Wir waren dabei, als die Sängerin entmündigt und in die Obhut ihres Vaters überstellt wurde. Wir waren dabei, als sie aufstieg und dann abstürzte. Wie es dazu kam, verstehen wir vermutlich erst heute.

 

LOS ANGELES, CALIFORNIA - SEPTEMBER 16: Supporters of Britney Spears attend the #FreeBritney Protest Outside Los Angeles Courthouse at Stanley Mosk Courthouse on September 16, 2020 in Los Angeles, California. (Photo by Frazer Harrison/Getty Images)

Britney Spears versucht sich vor Gericht ihre Unabhängigkeit zurückzuholen. Bis jetzt ist sie gescheitert. Das #FreeBritney-Movement ihrer Fans, will ihr dabei den Rücken stärken. 

Getty Images

Vielleicht fanden wir es schon Ende der 90er grenzüberschreitend, dass ein älteliger TV-Moderator ein zehnjähriges Mädchen in der Sendung «Star Search» fragte, ob sie denn einen Freund habe. Wir haben vielleicht die Augen verdreht und weiter gelebt.

Wie falsch das war, wird heute in der Rückschau deutlich: Wir sind nach #metoo und der unter anderem daraus resultierenden Debatte über Feminismus und systemischen Sexismus sensibilisierter auf diese Themen. 

 

Umso krasser fahren manche Sequenzen 2021 ein: Nein, es ist (und war) nicht ok, eine 16-Jährige im amerikanischen Fernsehen nach ihren Brüsten zu fragen (auch nicht, wenn sie sie sich selbst «sexy» anzieht). Und nein, nein, nein – auch Britney Spears muss sich für ihre Sexualität nicht rechtfertigen (wir erinnern uns an das Drama, als Ex-Freund Justin Timberlake plötzlich in Radio-Interviews über die vermeintliche Lüge von der Spears’schen Jungfräulichkeit witzelte. Er konnte das damals noch bringen.)

Die Doku präsentiert nichts Neues über Britney Spears. Sie konstruiert lediglich ein alternatives Narrativ des Geschehenen, arbeitet ein Stück Popkulturgeschichte auf, animiert auch uns, die wir damals irgendwie dabei waren, zur Selbstreflexion und - kritik. Auch wir können das besser.

 

LAS VEGAS, NEVADA - OCTOBER 18:  Singer Britney Spears attends the announcement of her new residency, "Britney: Domination" at Park MGM on October 18, 2018 in Las Vegas, Nevada. Spears will perform 32 shows at Park Theater at Park MGM starting in February 2019.  (Photo by Ethan Miller/Getty Images)

Die Sängerin will laut ihrem Anwalt erst wieder auftreten, wenn sie nicht mehr unter der Obhut ihres Vaters steht. Ihre erfolgreiche Show in Las Vegas sollte verlängert werden. 

Getty Images

Das haben wir Britney Spears zu verdanken. Denn ohne ihren öffentlich filetierten und unfreiwillig zelebrierten Zusammenbruch, wäre die Popkultur vermutlich nicht da, wo sie jetzt ist. Sängerinnen wie Taylor Swift, Selena Gomez, Ariana Grande oder Billie Eilish sprechen offen über ihre psychischen Herausforderungen, sie kontrollieren ihre eigene Geschichte. Auch sie sind mit Sexismus und misogynistischer Herablassung konfrontiert – aber sie stemmen sich dagegen. Dafür hat auch Britney Spears den Weg geebnet.

Sorry, Britney. Jetzt können wir das besser.

 

Von bna am 10. Februar 2021 - 06:09 Uhr