Wotan Wilke Möhring (54) ist am Mittwoch (25. Mai) um 20:15 Uhr bei VOX (und vorab bei RTL+) in «Weil wir Champions sind» zu sehen. In der Komödie spielt der Schauspieler einen Basketballtrainer, der nach einigen Fehltritten Sozialstunden ableisten muss.
Das neue Team des Bundesliga-Trainers ist eine Mannschaft mit kognitiv beeinträchtigten Menschen. Die neun Spieler werden von Menschen mit Behinderung gespielt, die allesamt ihr Schauspieldebüt vor der Kamera feiern. Antonia Riet, Tanino Camilleri, Luca Davidhaimann, Christian Forst, Nico Michels, Jonas Relitzki, Jochen Riemer, Simon Rupp und Matthias Sander sind Teil der Mannschaft.
Nicht nur der Film, sondern auch Möhring selbst fordert einen inklusiven Umgang mit allen Menschen. Was die Produktion so einzigartig macht und wieso er sich schwer von seinen Schauspielkollegen trennen konnte, hat der Star im Interview mit der Nachrichtenagentur spot on news verraten.
Wie sah das erste Zusammentreffen aus?
Wotan Wilke Möhring: Das Zusammentreffen war erstmal ein «Hallo» sagen. Sie kannten mich bereits aus dem Fernsehen. Es war sofort sehr herzlich, wie das eben ist bei «solchen» Menschen. Sie reden nicht um den heissen Brei. Sie sagen, was sie denken und zeigen, wie sie wirklich sind. Das war sehr schön. Einen grossen Beitrag haben ausserdem alle Betreuer geleistet.
Was macht «Weil wir Champions sind» so einzigartig?
Möhring: Weil die Mannschaft von sogenannten Behinderten selbst gespielt wurde und das einfach so wunderbare Menschen sind. Keiner tut so, als wäre er gerne jemand anderes. Natürlich spielt jeder eine vorgegebene Figur in dem Film und auch die Dialoge sind exakt formuliert. Zudem stehen sie alle zum ersten Mal vor der Kamera. Ansonsten sind sie ganz einfach, wie sie sind. Und das ist das Berührende und so befreiend zu beobachten. Niemand kann diese Menschen besser darstellen als sie selbst. Das wollten wir auch. Wir haben erkannt, welche Bereicherung diese Menschen auch für uns sein können. In gewisser Weise waren wir beschämt für unser Unverständnis, das wir als Gesellschaft gegenüber Menschen zeigen, die anders sind als wir.
Haben sich Szenen ergeben, die so gar nicht geplant waren?
Möhring: Natürlich gab es das mal, obwohl es für unsere Darsteller ganz wichtig war, einen sicheren Rahmen zu haben. Wir haben einfach geschaut, was passiert. Das haben wir vorher auch eingeplant. Das war aber auch eine tolle Regie-Leistung, mit der Ruhe und mit der Offenheit anzunehmen, was die Darsteller anbieten. Innerhalb dieses Rahmens haben sie Dinge anders gemacht, als vielleicht erwartet. Und das war sehr schön.
Haben Sie sich denn irgendwie speziell auf die Dreharbeiten vorbereitet?
Möhring: Nein, das habe ich nicht. Meine Figur, der Basketballtrainer Andreas Ellgut, ist ganz weit weg vom Verständnis dieser Menschen. Er stellt quasi überspitzt die Haltung unserer Gesellschaft dar, mit all dem Unverständnis und der Leistungsorientiertheit. Deswegen habe ich mich gar nicht vorbereitet. Was mit ihm passiert, ist auch eine Entwicklung, die wir sehen wollen.
Haben Sie den spanischen Film, also das Original, angesehen?
Möhring: Selbstverständlich und den fand ich grossartig - ganz toll. Schade, dass unser Film aus verschiedensten Gründen nicht ins Kino gekommen ist. Er ist es wert, im Kino gespielt zu werden. Das wäre ein anderer, intensiverer Rahmen. Wir sehen aber, dass er in der Mediathek, bei RTL+, super läuft. Ausserdem habe ich schon viel tolles Feedback bekommen.
Was soll der Film Ihrer Meinung nach bei den Zuschauern auslösen?
Möhring: Berührungsängste zu nehmen. Ausserdem wäre es wünschenswert, wenn die Zuschauer hinterfragen, warum wir diese Normierung zwar haben, aber nicht brauchen. Wer legt denn überhaupt «normal» fest? Wer sagt das? Wer zieht die Grenze und warum massen wir uns an, das sogenannte «normal» zu bestimmen? Wir brauchen für alles eine eigene Schachtel, ein Label, eine Normierung und erkennen nicht, wie einschränkend das eigentlich ist. Da sind wir wirklich unterentwickelt. Wir fliegen zum Mond, aber wir wissen nichts über diese Menschen und machen es ihnen schwer, ihren Platz zu finden. Weil uns «Anders sein» leider eher Angst als neugierig macht und wir zu wenig zuhören.
Sie haben Kinder. Haben Sie das Gefühl, dass jüngere Leute oft toleranter sind, weil sie anders aufgewachsen sind?
Möhring: Wir sind schuld an bestimmten Haltungen der Folgegenerationen. Durch die Erziehung geht alles Neue, Kreative und die Andersartigkeit weg. Wir sind stolz auf unsere Kinder, wenn sie so funktionieren, wie sie sollen. Ich hoffe, dass die nächste Generation das anders macht. Um noch mal auf das untergegangene Thema Umweltschutz zu kommen. Es ist die erste Generation an Jugendlichen, die die Vorgeneration an die Zerstörung des Planeten erinnern muss. Das ist peinlich genug. Es zeigt aber, dass wir einfach in die falsche Richtung rennen. Ich habe drei Kinder, die sind alle anders. Und dieses andersartig sein ist einfach sein lassen. Und auch nicht diese Andersartigkeit betonen. Wir sind sowieso alle anders. Das muss man auch nicht immer betonen, sondern das Verbindende suchen.
Diese ganzen Grenzen haben wir selbst gemacht. Die gibt es eigentlich gar nicht. Kinder haben diese Berührungsängste zum Beispiel erstmal nicht. Das hat mit naiv und unterentwickelt nichts zu tun, sondern es ist etwas, was wir uns als Erwachsene wieder ganz schwer erarbeiten müssen. Uns von Kategorien, die uns eingebrannt worden sind und die wir für das einzig Wahre halten, zu lösen.
Haben Sie während der Dreharbeiten selbst etwas gelernt, was Sie mit nach Hause nehmen konnten?
Möhring: Ich hatte diese Berührungsängste nicht, weil ich solche Menschen kenne und auch schon mit ihnen arbeiten durfte. Ich habe aber gesehen, wer eigentlich das Defizit hat. Das sind nämlich wir. Wir lassen sie gar nicht zu Wort kommen. Sie müssen 24 Stunden am Tag nach unseren Regeln funktionieren und wir massen uns an, dass wir tolerant seien. Das stimmt aber leider meistens nicht. Das sind oft nur Worthülsen, damit wir uns wohler fühlen. Ich habe auch gesehen, welche Harmonie möglich ist, wenn man einfach Rücksicht nimmt und zuhört. Wenn man nichts einfordert. Wenn man alle sein lässt. Welchen tollen Beitrag man bekommt, wenn man Menschen nicht zwingt, so und so funktionieren zu müssen. Das war der harmonischste Dreh, den ich je hatte. Wir verneigen uns vor den Menschen eher als umgekehrt, weil sie die doppelte Leistung gebracht haben: Uns in unserer Welt entgegenzukommen und dann noch in dieser künstlichen Film-Welt.
Also haben Sie durch die Dreharbeiten auch Freunde gewonnen?
Möhring: Ja, natürlich. Das war der herzlichste und tränenreichste Abschied eines Teams, weil das für sie natürlich auch ein Ausflug in eine ganz andere Welt war. Wie die Leute durchgehalten haben über einen so langen Zeitraum war wirklich eine tolle Leistung. Die Produktion hat aber auch alles ganz behutsam angelegt. Wir hatten viel mehr Tage zur Verfügung und keine Nacht-Drehs. Das war schon schwer genug und sie wurden wirklich auch gefordert.
Die anderen Schauspieler haben Basketball-Unterricht bekommen. Kamen Sie auch ohne gut zurecht?
Möhring: Ich musste nicht selbst werfen, deswegen war das ganz gut. Aber ich habe schon vorher Basketball gespielt und habe auch Sachen vormachen müssen. Die Anderen waren das nicht gewohnt und wurden auch danach gecastet, ob sie sich den Text merken und mehrfach wiedergeben können und wie sie mit dem Ball umgehen können. Wir haben auch viel eingefangen, was sie dann mit dem Ball machten, was sie eigentlich gar nicht sollten.
Das Projekt bringt eine starke Message rüber. Ist Ihnen das auch bei zukünftigen Filmprojekten wichtig?
Möhring: Eine gut verpackte Botschaft ist immer gut, aber es kommt natürlich auf die Botschaft an. Wir wollen in erster Linie Geschichten erzählen und niemand kann und soll da mit erhobenem Zeigefinger herumlaufen.