Seit ihrem Tod am 5. August 1962 rätselt die Welt, was Marilyn Monroe umbrachte: Drogen? Selbstmord? Die Haushälterin? Oder doch der US-Geheimdienst? Zurzeit laufen neue Untersuchungen zu dem mysteriösen Fall, die x-ten – herausfinden lässt sich die Todesursache wohl nie mehr. Nicht 60 Jahre danach.
Viel spannender als der Grund ihres verfrühten Todes ist doch die Frage, was Marilyn unsterblich gemacht hat. Über den Mythos Monroe haben sich Millionen von Fans und Heerscharen von Schriftstellern, Feministinnen, Philosophen und Filmhistorikern Gedanken gemacht. Alle sind sich einig: Neben ihrer Schönheit, ihrem Sex-Appeal war da noch mehr. So ein inneres Leuchten, das jedes ihrer Bilder (gefühlt Zillionen) und jeden ihrer Filme (gerade mal zwei Dutzend) bis heute erhellt.
Die Kamera liebte Marilyn – und sie liebte die Kamera. Seit ihren Teenagertagen suchte sie Foto- und Filmlinsen, wollte sichtbar sein. Damit war sie das genaue Gegenteil einer anderen Frauenfigur, die als eine der meistfotografierten gilt: die Queen, die mit MM das Geburtsjahr teilt. Elizabeth musste posieren, Marilyn wollte.
Mit ihrer hartnäckigen Suche nach dem Scheinwerferlicht kompensierte Marilyn zweifellos ihre triste Kindheit zwischen Kinderheimen, Pflegefamilien und einer psychisch kranken Mutter, als niemand die kleine Norma Jean wollte. Sie meinte später über diese dunkle Zeit: «Als ich ein kleines Mädchen war, hat mir niemand gesagt, dass ich schön bin. Allen kleinen Mädchen sollte man sagen, dass sie schön sind, auch wenn sie es nicht sind.»
Schön sein allein hätte aber nicht gereicht, aus Marilyn eine Ikone zu machen. Schön und sexy waren viele, vergessen wurden sie trotzdem. Unter Marilyns glamouröser Fassade – Resultat von stundenlangem Make-up, Coiffure und Styling – verbarg sich eben eine natürliche Klugheit, Wärme und Witz. Sie ging enorm souverän um mit ihrem Promistatus und der Schauspielerei. Das beweist eine Episode, die der Schriftsteller Truman Capote erzählt: Die beiden trafen sich in New York zu einem Bummel. Er fürchtete, sie kämen keine hundert Meter weit, ohne von Fans oder Paparazzi belagert zu werden. Sie meinte, sie mache sich mal eben unsichtbar, band ein Kopftuch um und schaltete innerlich von Marilyn auf Norma Jean – und kein Mensch hätte sie erkannt. Als sie genug gehabt hätte vom (Versteck-)Spiel, sei sie zurückgeswitcht zum Superstar und habe das Bad in der Menge genossen. Grosse Schauspielkunst! Ihr makelloser Körper mag der ganzen Welt gehört haben, aber die Kontrolle darüber, wie viel sie wann zeigte, lag jederzeit bei ihr.
Zwar wurde Marilyn in ihren Filmen meist als blondes Dummchen besetzt, würdelos wirkte sie in keinem Moment. Waren ihre Filme oft schlecht – sie wars nie. Ihr Humor schien in jeder Szene durch, verlieh noch dem flachsten Dialog oder dem plumpesten Männerscherz die nötige Prise Esprit. Es waren Männer, die Marilyn Monroe erfanden, bändigen konnten sie sie nie. Über das Macho-Universum Hollywood meinte sie einmal: «Ich habe nichts dagegen, dass unsere Welt eine Männerwelt ist – solange ich die Frau darin bin.» Und über wie viel Selbstironie sie verfügte, zeigt eine der wenigen Szenen in «Something’s Got to Give», dem unvollendeten Film vor ihrem Tod: Sie planscht in einem Pool herum, ihr stets kunstvoll toupiertes Sirenenhaar klebt platt am Kopf, ihr legendärer Lidstrich fehlt, und die Art, wie sie über den Poolrand zu krabbeln versucht, hat die Eleganz eines Frosches, der aus einem Kochtopf zu entkommen versucht.
Diese kleine Szene lässt erahnen, was wir von der reifen Marilyn bekommen hätten: die Demontage ihres Mythos als Sexgöttin. So wird der Filmtitel zu ihrem Vermächtnis – sie hätte der Welt noch viel zu geben gehabt.