Jeder Schritt wird vom Teppich gedämpft. Die Stimmung in der iranischen Botschaft in Bern ist bedächtig – obwohl es Grund zur Aufregung gibt. Donald Trump hat die Sanktionen verschärft, die Regierungen beider Länder provozieren sich und heizen den alten Konflikt an.
Mittendrin steckt Botschafter Haji Karim Jabbari, 56, der mit seiner Frau seit einem Jahr in Bern lebt. Er spricht Französisch und Englisch, empfängt den Besuch ohne Händedruck, dafür mit einem reich gedeckten Tisch voller Pistazien und Kirschen.
Herr Jabbari, steuern die USA und der Iran auf einen Krieg zu?
Weder der Iran noch Donald Trump wollen einen Krieg.
Aber?
Leider gibt es das sogenannte B-Team: Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu, Bin Zayid von den Arabischen Emiraten, Bin Salman aus Saudi-Arabien und US-Sicherheitsberater John Bolton wollen Trump in einen Krieg mit dem Iran hineinziehen.
Die Schweiz vertritt die Interessen der USA im Iran und umgekehrt. Können wir die Situation entschärfen?
Wenn ich hier in den Medien lese, die Schweiz sei einfach ein Briefkasten für beide Länder, überrascht mich das. Sie ist mehr als ein Briefträger. Die Schweiz spielt eine sehr aktive und sehr wichtige Rolle im Verhältnis zwischen dem Iran und den USA.
Inwiefern?
Die Schweiz gibt alles, damit sich die beiden Seiten besser verstehen, und versucht zu vermitteln, wenn die Parteien nicht miteinander sprechen können. Das ist eine heikle Aufgabe. Es geht nicht nur darum, dass man Nachrichten überbringt, sondern auch wie. Die Schweiz hat viel Erfahrung mit guten Diensten in schwierigen Zeiten. Das macht die Situation für beide Seiten einfacher.
«Meine Freizeit verbringe ich gern in der Bibliothek der Uni Bern»
Wie engagiert sich unser Land konkret?
Es verhandelt mit den USA seit 15 Monaten über ein humanitäres Handelsabkommen. Mit dem Einverständnis der Amerikaner will es einen speziellen Zahlungsmechanismus für Medikamente und Lebensmittel einrichten. Es gibt noch kein konkretes Resultat, aber wir schätzen den Effort der Schweiz sehr. Und die Schweiz engagiert sich für mehr Sicherheit im Persischen Golf.
Ihr Präsident Hassan Rohani sagte diese Woche, dass Iran wieder unbegrenzt Uran anreichern will. Spielt unser Engagement auch beim Atomabkommen eine Rolle?
Ja, die gute Beziehung zur Schweiz verbessert auch unser Verhältnis zur EU und hilft, das Atomabkommen am Leben zu erhalten.
Seit einem Jahr sind Sie als Botschafter in Bern. Wie gefällt es Ihnen?
Es ist wunderbar! Meine Freizeit verbringe ich gern in der Bibliothek der Uni Bern. Und ich mag euren Käse. Mir und meiner Frau fällt auf, dass es sehr einfach ist, mit Einheimischen in Kontakt zu kommen.
Ach ja?
Ja, die Schweizer sind leicht zugänglich. Ihre Diplomatie scheint mir ein Spiegel des Schweizer Wesens zu sein.
Haben Sie Familie?
Drei Söhne, der jüngste ist 22. Er studiert IT im Iran. Der mittlere wohnt ebenfalls im Iran und gehört zu den besten Computer-Entwicklern. Der älteste Sohn lebt mit seiner Frau und drei Kindern in Côte d’Ivoire, Afrika.
Vor kurzem hatten Sie Besuch einer hochrangigen Delegation aus dem Iran. Was war bei den Gesprächen in Bern Thema?
Bei den Treffen ging es um bilaterale, regionale und internationale Themen. Die Schweiz ist unser siebtwichtigster Handelspartner. Trotz der Turbulenzen und der US-Sanktionen exportieren Schweizer Firmen in den Iran.
Stadler Rail hätte gern Waggons für die Metro in Teheran produziert. Wegen der US-Sanktionen kam der Deal nicht zustande. Enttäuscht Sie das?
Das ist für den Iran und die Schweiz eine verpasste Gelegenheit. Aber wenn wir mit einem Land nicht zusammenarbeiten können, müssen wir uns jemand anderen suchen.
China und Russland?
Natürlich suchen wir auch den Kontakt zu diesen Ländern. Viele Firmen sind zu ängstlich und zu unterwürfig gegenüber den USA.
Weil sie Angst vor den Folgen haben.
Die ökonomische Isolation hat auch Folgen für die Iranerinnen und Iraner. Die Inflation steigt, unsere Öl-Exporte sinken. Das reicht aber nicht, um den Iran in die Knie zu zwingen.
Was halten Sie von Donald Trump?
Indem Trump sich aus dem Atomabkommen zurückzog, zerstörte er das minimale Vertrauen, das es zwischen den beiden Seiten gegeben hatte. Nun hält er uns die Klinge an den Hals und erwartet gleichzeitig, dass wir mit ihm verhandeln. Das ist gegen die Würde unserer Nation. Was Trump mit diesen Sanktionen macht, ist ökonomischer Terrorismus.
Wie meinen Sie das?
Die USA wollen nicht die Regierung, sondern direkt die iranische Bevölkerung treffen und leiden lassen.
Wünschen Sie sich Barack Obama zurück?
Während der letzten 40 Jahre haben die USA immer Sanktionen gegen den Iran verhängt. Für uns spielt es deshalb keine Rolle, ob Demokraten oder Republikaner an der Macht sind.
Aber Trump verwechselt in einem Tweet den verstorbenen Revolutionsführer Chomeini und den aktuellen religiösen Führer Chamene’i.
(Lacht.) Er schreibt ja auch etwa hundert Tweets pro Woche … Aber wissen Sie, die amerikanische Bevölkerung entscheidet, wer ihr Präsident ist.
«Ich schätze Ueli Maurers Engagement»
Was halten Sie von unserem Bundespräsidenten Ueli Maurer?
Ich schätze sein Engagement für den Iran sehr. Insbesondere seinen Einsatz für humanitäre Exporte in unser Land.
Gleichzeitig vertieft er die Beziehungen der Schweiz zu den USA und besucht Donald Trump im Weissen Haus.
Dass die Schweiz den Kontakt mit den USA sucht, stört uns nicht. Wir respektieren die bilateralen Beziehungen zwischen der Schweiz und anderen Ländern – mit der Ausnahme von Israel.
Sie haben Ihre Abschlussarbeit zum Thema nationale Identität geschrieben. Was macht die iranische Identität aus?
Unsere islamischen und nationalen Werte einerseits und unsere Unabhängigkeit und Würde andererseits. Unabhängigkeit ist uns sehr wichtig.
Das gilt auch für uns.
Ja, der Iran und die Schweiz sind sich da sehr ähnlich. Das Neutralitätsprinzip finde ich beachtenswert.
Wieso?
In der Schweiz machen sich viele Menschen Gedanken um den Einfluss ihrer Nachbarländer. Das sieht man an den Verhandlungen zum EU-Rahmenabkommen. Im Iran sind wir umzingelt von Nachbarländern mit eigenen Interessen und Waffenarsenalen. Unsere geografische Lage zwingt uns zu Sicherheit und Stabilität. Auch wir Iraner sind besorgt um unsere Identität und unsere Unabhängigkeit. Wir zahlen einen hohen Preis dafür, sie zu erhalten. Wir schätzen, dass die Schweizer das auch so sehen, und fühlen uns ihnen deshalb sehr nahe.
Der Iran ist seit Langem in einer isolierten Position. Was tun Sie als Botschafter, um das zu ändern?
Politisch ist nicht der Iran isoliert, sondern die USA.
Wie meinen Sie das?
Die Amerikaner sind als Einzige aus dem Atomabkommen ausgestiegen. Das zeigt, dass der Rest der Welt auf unserer Seite steht.
Zurück zur Schweiz: Haben Sie schon viel vom Land gesehen?
Was uns besonders gefällt, ist die natürliche Schönheit. Vor kurzem hat Bundespräsident
Ueli Maurer das Diplomatische Korps ins Freilichtmuseum Ballenberg eingeladen. Meine Frau und ich waren beeindruckt von der Geschichte und dem Gemeindeleben im 18. und 19. Jahrhundert. Das sind die Wurzeln der Schweizer Kultur und erklären, warum das Land heute sozial und ökonomisch so stark ist.
Gibt es etwas, das Sie in der Schweiz überrascht hat?
Bevor ich hierher zog, sagten meine Kollegen im Iran: In der Schweiz wirst du es etwas ruhiger haben. Vorher war ich 35 Jahre lang als Diplomat unterwegs. Tatsächlich habe ich hier mehr Arbeit als je zuvor.