Der SI Stammtisch macht an einem der wichtigsten Wirtschafts- und Wissenschaftsstandorte der Schweiz halt – auf dem Roche Areal in Basel – im Schatten des höchsten Gebäudes der Schweiz. Moderator Werner De Schepper begrüsst im Science Club eine illustre Runde: Beatrice Stirnimann, 53, CEO der Baloise Session, Florian Hofmann Aeschlimann, 48, Leiter BSN Programm Projektmanagement Roche Süd Areal von der UBS – Thomas Aegerter, 51, Regionaldirektor UBS Basel, und Harald Egger, 51, Leiter Corporate Services der UBS Group, sowie als Vertreter der Leserschaft Luc Nünlist, 32, Gründer und Inhaber der Oltner Brauerei Drei Tannen Bier.
Herr Nünlist, Sie mussten während der Pandemie als Kleinbrauer beruflich umsatteln und leiten die Impfzentren des Kantons Solothurn. Derzeit sind die Fallzahlen wieder am Steigen. Wie beurteilen Sie das?
Luc Nünlist: Wir bereiten uns vor, dass möglicherweise im Herbst noch eine Welle kommt. Aber mein Vertrag läuft Mitte Jahr aus. Im Idealfall ist die Pandemiebewältigung natürlich ein Geschäft, das sich selber abschafft.
Der SI Stammtisch ist eine publizistische Initiative der Schweizer Illustrierten und Illustré in Zusammenarbeit mit DEAR Foundation-Solidarité Suisse und UBS Schweiz.
Sprechen wir über Nachhaltigkeit. Wie stehts damit in der Eventbranche? Legen die Stars Wert darauf?
Beatrice Stirnimann: Absolut, das ist ein grosses Thema. Wir sind ein Livebusiness, in dem die Protagonisten mit Trucks und Flugzeugen unterwegs sind. Das lässt sich nicht kaschieren. Ausserdem bewegen wir Massen von Menschen. Aber diverse Bands setzen Gegentrends. Coldplay reisen nicht mehr im Privatjet, stellen dem Publikum Velos zur Stromproduktion hin und legen Wert auf umweltschonendes Essen. Oder Ed Sheeran. Er kompensiert seinen CO2-Verbrauch, indem er in England Land kauft und sich an Aufforstungsprojekten beteiligt. Bei der Baloise Session haben wir schon länger auf den Trend reagiert. Im Catering arbeiten wir nur mit lokalen Lieferanten zusammen – und wollen Food-Waste vermeiden. Wir setzen auf lokal und bio. Auch haben wir alle Lampen auf LED umgestellt. Generell spüre ich ein Umdenken. Früher wollten beispielsweise viele Künstler Wasser von den Fidschi-Inseln – das war in Mode, galt als gesund. Heute servieren wir nur noch Eptinger und «Unser Bier» aus der Region.
Nünlist: Leider nicht mein Bier, das aus dem Kanton Solothurn kommt …
Stirnimann (lacht): Solothurn ist noch nicht Ausland. Aber wir sind zufrieden mit «Unser Bier». Wir sind eine Veranstaltung, die auf eine kleine Anzahl Zuschauer setzt. So können wir im Catering bewusster agieren: mit echten Tellern und echten Gläsern.
Kann Bierbrauen nachhaltig sein?
Nünlist: Ja, uns beschäftigen dieselben Themen wie die Eventbranche: Verpackung, regionale Rohstoffe, lokale Produktion. Gleichzeitig gilt aber auch: je kleiner die Produktion, desto grösser der Energiebedarf pro Flasche. Wir bemühen uns aber stark, die regionale Wertschöpfung zu berücksichtigen und den Kreislauf aufrechtzuerhalten. Auch den Hopfen beziehen wir ausschliesslich vom regionalen Bio-Bauernhof in Wolfwil SO. Beim Malz ists schwieriger. Nun könnte ein Produzent aus dem Aargau die Lücke schliessen.
Kommen wir zur Bank. Wie sieht es mit der Nachhaltigkeit bei UBS aus?
Harald Egger: Die Nachhaltigkeit des eigenen Fussabdrucks liegt uns am Herzen, und wir engagieren uns seit 40 Jahren dafür und haben als erste Bank bereits 1999 eine Nachhaltigkeitszertifizierung, ISO 14001, für unseren weltweiten Betrieb erreicht. Seit 2020 beziehen wir hundert Prozent unserer Elektrizität aus erneuerbaren Quellen. Wir haben uns bis 2025 zu Netto-Null-Energieemissionen aus dem eigenen Betrieb verpflichtet. Der Schlüssel liegt in der Energie- und Umwelteffizienz der Gebäude, denn sie machen 70 Prozent unseres Energieverbrauchs aus. In unseren Sanierungen und Neubauten achten wir auf Nachhaltigkeit. So ist unser Hauptsitz in Zürich «LEED Platinum»-zertifiziert – und der Sitz am Bubenbergplatz in Bern ist «LEED Gold»-zertifiziert und wird fossilfrei mit Fernwärme betrieben. Es geht aber auch darum was in den Gebäuden passiert. Wir haben in den letzten 20 Jahren unseren Abfall um 75 Prozent reduziert. Dabei hilft es, dass wir an fast allen Standorten auch Recyclingstationen haben.
Florian Hofmann Aeschlimann (lacht): Dann kann ich alte Banknoten zurückbringen.
«Ed Sheeran kompensiert seinen CO2-Verbrauch mit Aufforstungsprojekten»
Beatrice Stirnimann
Nünlist: Nachhaltigkeit ist ein geniales Konzept, wird aber als Ausdruck schon beinahe inflationär gebraucht. Der Begriff darf keine leere Hülse bleiben. Wir müssen ihn mit Leben füllen. Gerade für eine Bank wäre es toll, wenn Immobilien energieeffizient verwaltet werden, aber der grosse Hebel liegt in der Wirkung und Anlage von kollektivem Finanzkapital.
Egger: Bei der Nachhaltigkeit nehmen wir auch unsere Zulieferer in die Verantwortung. Wir werden mit ihnen und den Servicepartnern im Dialog ausarbeiten, wie wir die Netto-Treibhausgasemissionen senken können. Dabei fokussieren wir uns zunächst auf jene Zulieferer, die in unserer Lieferkette die grössten Treibhausgasemissionen verantworten. Grundsätzlich ist unser Thema: reduzieren, nicht kompensieren. Wir sind überzeugt, dass richtige Investition in Nachhaltigkeit rentiert.
Hofmann Aeschlimann: Ja, man muss den gesamten Lebenszyklus eines Gebäudes betrachtet. Glaspaläste sind out. Ein neues Gebäude muss für drei Generationen funktionieren. Nehmen wir dieses Gebäude auf dem Areal. Es wird mit CO2-neutraler Energie beheizt – und alle Ressourcen werden mehrfach verwertet. Wir nutzen den Rhein. Die Erdsonde ist auch ein Thema. Die Optimierung der Effizienz beginnt stets beim Einfachen und Kleinen. Nachhaltig ist nicht nur Energiesparen. Wir prüfen sämtliche verwendeten Materialen. Hier bestehen etwa Teppiche und Vorhänge aus Recycling-Materialien; und die Stühle sind aus wiederverwendetem PET. Und der Coop auf unserem Areal ist die einzige Filiale, die keine Plastiksäcke mehr abgibt.
Thomas Aegerter: Die Schlüsselfrage ist: Wie schaffen wir es, eine Filiale zu bauen, die CO2-neutral ist? Wir sind daran, alle Prozesse zu überdenken, damit beispielsweise auch der Papierbedarf komplett vermieden werden kann. Entsprechend investieren wir derzeit viel in digitale Transformation. Und wir prüfen jedes Produkt, das wir verwenden. So hat die gesamte Bank Einwegbecher für Kaffee und Wasser komplett abgeschafft und mehr als 320 Einwegartikel gestrichen.
Nünlist: Das ist der richtige Weg. Einflussreiche Player wie Finanzhäuser oder grosse Detailhändler haben eine Gatekeeper-Rolle – und damit eine wesentlich grössere Verantwortung als die einzelnen Konsumenten. Durch Marketing und Angebot beeinflussen sie das Konsumverhalten wesentlich – und damit auch die Produktion. Die nachhaltige Coop-Filiale auf dem Roche Areal zeigt, dass es möglich ist.
Aegerter: Wir sind überzeugt, dass eine Konzentration auf weniger Gebäude – aber mit hohen ökologischen Anforderungen – viele Vorteile bringt und den ökologischen Fussabdruck optimiert. So haben wir in Basel unser Gebäude am Aeschenplatz verkauft und unsere Präsenz von drei auf zwei Standorte reduziert. So konnten wir den Energieverbrauch der UBS in Basel um einen Drittel, die Heizwärme um die Hälfte und den Elektrizitätsverbrauch um mehr als einen Viertel reduzieren.
«Der Schlüssel liegt in der Energie- und Umwelteffizienz der Gebäude»
Harald Egger
Hofmann Aeschlimann: 2025 wollen wir am Standort Basel CO2-neutral sein. Am Schluss ist Nachhaltigkeit auch ein Kommunikationsthema. Man muss sie als Unternehmen sichtbar machen. Als wir ein Angebot für ein Urban-Gardening-Projekt ausschrieben, rechneten wir mit maximal 50 Bewerbungen – und wurden vom Interesse der Mitarbeitenden völlig überwältigt. Wir mussten die Teilnehmenden auslosen – und haben nun eine Warteliste. Ausserdem machten wir eine Umfrage unter den Mitarbeitenden hier in Basel, was ihnen die Nachhaltigkeit im persönlichen Alltag wert ist. Ergebnis: Für nachhaltige Produkte sind sie bereit, mehr zu bezahlen.
Egger: Bei der UBS haben wir ähnliche Projekte. Beispielsweise wird in den USA Honig auf dem Dach eines unserer Geschäftssitze produziert (er verteilt ihn gleich zu den Gipfeli) – oder in Indien pflanzen Mitarbeiter Chili an. Ausserdem ist veganes Essen in den Kantinen immer beliebter.
Stirnimann: Der Arbeitgeber spielt in der Nachhaltigkeitsthematik eine wichtige Rolle. Aber ich mache auch die Beobachtung, dass sich die Menschen in der Freizeit anders verhalten. Wenn sie grosse Festivals besuchen, ist oft alles vergessen. Sie benutzen Plastikzelte, lassen sie liegen – und werfen den Abfall sorglos weg. Frei nach dem Motto: Nach mir die Sintflut!
Aegerter: Man muss im Kleinen beginnen. Ich bin beispielsweise OK-Mitglied eines Regionalturnfestes und wir haben ein OK-Mitglied bestimmt, welches sich ausschliesslich um den Bereich Nachhaltigkeit kümmert. Wir hinterfragen dabei alles – und prüfen jeden Posten und jedes Produkt.
Das Wachstumspotenzial und die breite Branchenstruktur von Basel-Stadt setzen Massstäbe. Davon profitiert auch Baselland.
Basel-Stadt weist ein hervorragendes langfristiges Wachstumspotenzial auf. Der Kanton mit der landesweit grössten Bevölkerungsdichte verfügt über ein weiträumiges Einzugsgebiet sowie eine schnelle Erreichbarkeit des internationalen Flughafens und der ältesten Universität der Schweiz. Dynamische Unternehmen locken Arbeitskräfte mit hohem Bildungsniveau an und verhelfen der Stadt am Rheinknie zu ausserordentlicher Innovationskraft.
Von diesem Wachstumsmotor profitiert Basel-Landschaft. Eine starke und breit aufgestellte Branchenstruktur sowie der höchste Beschäftigungsanteil in Forschung und Entwicklung zeugen davon. Die Strahlkraft der Stadt Basel lässt aber mit der Entfernung nach, sodass die Wachstumsaussichten im Oberen Baselbiet weniger günstig sind als im Unteren.
Beide Basel stehen vor ähnlichen Herausforderungen: Der Wettbewerb um Arbeitsplätze mit Erwerbspersonen aus dem benachbarten Ausland zeigt sich in einer erhöhten Arbeitslosigkeit. Eine überdurchschnittliche Staatsverschuldung lässt der Politik insgesamt begrenzten Manövrierraum.