Wünscht sich nicht jeder ein gesundes, langes Leben? Die Dosis macht das Gift, das wusste schon Paracelsus. Nina Ruge hat sich zum Frühstück Flohsamenschalen mit viel Wasser gegönnt. Strahlend öffnet die gertenschlanke Bestsellerautorin die Tür zu ihrem stilvoll eingerichteten Schweizer Domizil. Der Garten ist frisch gemäht, der Blick auf Vierwaldstättersee und Rigi atemberaubend. Auch Welpe Rico hat auf seinem Spaziergang schon Pipi gemacht. Für die ehemalige Moderatorin des ZDF-Magazins «Leute heute» zählen die kleinen Glücksmomente im Alltag, ohne dass sie das grosse Ganze aus den Augen verliert. Ihre Formel ist einfach: Wir sind, was wir essen! «Wer zu viel Zellgift wie Alkohol, Zucker oder Fett zu sich nimmt, erhält irgendwann die Quittung. Er altert schneller, wird krank, stirbt.» In ihrem neuen Verjüngungskochbuch, das sie im Ferienhaus in der Toskana geschrieben hat, taucht die gelernte Biologin in die Langlebigkeitsforschung ein und präsentiert 60 Rezepte auf dem neusten Stand der Wissenschaft. Das Trendthema wird uns noch lange beschäftigen, ist die 65-jährige Deutsche überzeugt. Sie hat ihr biologisches Alter messen lassen: «Dank meiner Zellfitness bin ich erst 58 Jahre alt!»
Nina Ruge, waren Sie überrascht, als Sie erfuhren, dass Sie so viel jünger sind?
Vielleicht könnte ich ja noch jünger sein? Begonnen hatte alles mit einem Warnschuss. Ich arbeitete damals enorm viel und schlief wenig, hatte jede Menge positiven Stress. Dennoch: Stress macht alt. Mein Arzt sagte: «Wenn du nicht wenigstens die Ernährung umstellst, dann wirst du früher oder später krank.» Das habe ich getan. Seitdem bin ich Vegetarierin. Ich nehme Nahrungsergänzungsmittel zu mir, treibe Sport, bleibe geistig aktiv, gehe mit dem Hund laufen – und esse vor allem gesund.
Heisst gesund auch möglichst wenig?
Leider. Aber keine Angst, man gewöhnt sich daran (lacht). Unsere Milliarden Körperzellen sind unfassbar intelligent. Täglich reparieren sie Zehntausende Schäden an der Erbsubstanz. Dass wir alles im Überfluss haben und unsere Gelüste ständig stillen können, ist ein eher neues gesellschaftliches Phänomen. Wir wissen heute: Fasten kurbelt die Zellreinigung an. Dank diesen Essenspausen haben die Reparatursysteme mehr Zeit dafür. Passiert dies nicht, können sich Entzündungen und Tumore entwickeln.
Wie schafften Sie es, gesund zu altern?
Ich habe meinen Lebensstil korrigiert. Die innere Einstellung ist einer der Hauptfaktoren für gutes Altern. Dazu gehören genügend Bewegung, Schlaf, die Atmung, aber auch ein gutes Gehör. Wussten Sie, dass Schwerhörigkeit das grösste Risiko darstellt, an Demenz zu erkranken? Bekannt ist auch, dass im Alter sowohl Ausdauer- als auch Krafttraining nötig sind. Wichtigster Pfeiler ist aber derzeit die richtige Ernährung.
Ihr 28. Buch ist ein Verjüngungskochbuch. Wie lautet Ihre Botschaft?
In vielen Lebensmitteln stecken Wirkstoffe, die das Leben nachweislich verlängern, den Körper mit Energie versorgen, die Entgiftung unterstützen. Ganz vorn auf der Liste steht das Wundermittel Gemüse. Ballaststoffe senken das Schlaganfall- und Herzinfarktrisiko, sie sind zum Beispiel in Vollkornprodukten und Nüssen enthalten. Alkohol möglichst nur ein Glas am Tag. Zucker ist tabu. Von Desserts und süssen Früchten wie Mango & Co. sollten wir die Finger lassen, ebenso von Fertigprodukten und rotem Fleisch.
Das ist aber keine gute Nachricht angesichts der bevorstehenden Grillsaison.
Man darf sich nicht überfordern: Alles von null auf 100 Prozent umzustellen, ist keine gute Idee. Warum nicht mit einer sanften Veränderung des Speiseplans in Richtung optimale Ernährung anfangen? Möglichst gemüsebasiert essen, am besten alles in Bio-Qualität, das ist das langfristige Ziel. Dazu gibts Kräuter, Fermentiertes, Spros-sen. Ich mache mir heute Mittag einen Salat – Sie können gern mitessen. Zwei Mahlzeiten am Tag reichen vollauf. Man muss sich nicht satt essen, kann versuchen, auch mal vorher aufhören.
Sie leben nun am Vierwaldstättersee. Happy hier? Wie kam es dazu?
Es war immer der Traum meines Mannes, hier zu leben. Wir haben ihn verwirklicht und uns hier vor sechs Jahren eine Wohnung mit Garten gekauft. Es ist ein Geschenk, an einem so schönen Ort leben zu dürfen. Schon mein Vater hatte eine besondere Beziehung zur Schweiz. Er war «Halbjude» und überlebte das Arbeitslager in Frankreich. Als Opfer des Faschismus durfte er 1948 für mehrere Monate in der Schweiz bei einem Bauern arbeiten, während meine Mutter im zerbombten Berlin zurückbleiben musste, wo die Menschen schrecklich Hunger litten.
Die Schweiz muss ihm wohl wie das Paradies vorgekommen sein.
Ich habe gerade nochmals alle seine Briefe gelesen, die er meiner Mama aus der Schweiz schickte. Darin schreibt er von den schönsten Tagen seines Lebens. Er war fasziniert von der Natur, den Menschen, dem Essen. Die Schweiz war für ihn das Gelobte Land.
Wie gehen Sie mit negativen Gedanken um?
Es ist wichtig, sich eine Strategie zurechtzulegen: innehalten, sich des Geschenk des Lebens bewusst werden, die Denkmoskitos verscheuchen. Das schafft Platz für Kreativität. Mein Mann und ich erfreuen uns an alltäglichen Dingen. Unsere zwei Katzen machen mich froh. Auch unser Hund Rico bringt mich mit seinen Flausen jeden Tag von Neuem zum Lachen. Er ist noch nicht ganz stubenrein. Das ist eine Herausforderung, der ich mich gern stelle.
In der Toskana besitzen Sie das Weingut Villa Santo Stefano. Packen Sie selber mit an?
Natürlich! Wir stellen dort im Jahr 50 000 Flaschen Wein und 2000 Liter eigenes Olivenöl her.
Zehn Jahre moderierten Sie im ZDF «Leute heute». Ihr Satz «Alles wird gut» ist Kult. Werden Sie noch darauf angesprochen?
Ja, was mich sehr freut. Ein Zuschauer, der Depressionen hatte, schrieb mir sogar mal, ich hätte sein Leben positiv verändert. Heute würde ich sagen: «Alles wird gut – aber nicht von alleine!»