Vor 42 Jahren war die Schweiz in royalem Fieber: vom 29. April bis am 2. Mai 1980 fand der einzige Staatsbesuch der Queen in der Schweiz statt. Es hatte vier Jahre gedauert zwischen ihrem Wunsch, die Schweiz zu besuchen, und dessen Umsetzung. Die Verzögerung hatte einen Grund, der heute lächerlich erscheint: Damals durfte der amtierende Bundespräsident nicht ins Ausland reisen, und es wurde befürchtet, dass eine Gegeneinladung erfolgen würde, die von der Schweiz nicht hätte erwidert werden können.
Der damalige Bundespräsident Georges-André Chevallaz (1915–2002) amtete als Gastgeber. Er war nicht gerade der umgänglichste aller Landesväter, aber sein Vize Kurt Furgler (1924–2008) machte dies wett. Nur SP-Bundesrat Willi Ritschard (1918–1983) tanzte aus der Reihe. Am 1. Mai, dem Tag der Arbeit, musste er im Smoking zu einem königlichen Bankett fahren, das war schwer verdauliche Kost für den Sozialdemokraten. Und enervierte ihn derart, dass er tags zuvor wetterte, «dass so viele Schweizer die Heftli kaufen, in denen bis zu den Unterhosen und bis zum Gloschli (Anm. d. Red.: Unterrock) alles beschrieben ist, was so eine Königin trägt».
Für uns Journalistinnen und Journalisten war der Staatsbesuch der Queen ein Horrortrip. Wir wurden von den viel zu zahlreichen, viel zu nervösen und viel zu überforderten Polizisten so behandelt, als reimte sich das Wort Journalisten auf das Wort Terroristen. Nur in Zürich konnten wir durchatmen – das gesamte Team der Polizei-Pressestelle war im Einsatz, unterstützte die Fotografen mit den besten reservierten Plätzen und beantwortete geduldig unsere Fragen. Etwa die, ob wirklich die Kanalisation unter den Strassen gründlich untersucht worden sei, bevor sie die Queen höchstselbst beschreiten würde. Die Königin klagte danach, dass sie in der Schweiz überwiegend die Rücken von Polizisten gesehen habe.
Am witzigsten war der Besuch auf dem Rütli mit gespielten Szenen aus «Wilhelm Tell» – dem Mythos der Schweiz, der auf dem Mord an Gessler, dem Vertreter eines Monarchen, beruht. Die Rütliwiese verglich die Queen mit dem Areal rund um ihr Heim in Windsor, eine Untertreibung, die aber gut ankam.
«Die Königin klagte, dass sie überwiegend Rücken von Polizisten gesehen habe»
Gila Blau
Eindrücklich war der Empfang der Queen für die Journalistinnen und Journalisten in Bern. Wir wurden instruiert, in vorgeschriebener Reihenfolge an ihr vorbeizudefilieren, dabei wenige Fragen zu stellen und weiterzugehen. Höchstens einige Minuten wurden uns zugestanden. Ein Protokollchef las unsere Namen und Medien vor, und Prinz Philip zeigte, dass er gut Bescheid wusste.
Ich erzählte der Queen, dass die Zeitungsverkäufe an den Kiosken sprunghaft stiegen, sobald sie auf dem Titel erscheine. Das interessierte sie sichtlich nicht. Dann erwähnte ich Pferde, und sie begann zu strahlen. Das sei ihr Hobby, rief sie und erzählte mir ausführlich von ihren Pferden und ihrer Vorliebe für Flachrennen. Springkonkurrenzen hingegen seien der Bereich ihrer Mutter.
Aus dem Augenwinkel sah ich, dass die Offiziellen der britischen Botschaft von einem Fuss auf den anderen traten, aber sie wagten es nicht zu intervenieren. Auch ich dachte nicht daran, der Queen ins Wort zu fallen. So gewann ich viel mehr Zeit, als zugestanden war, und konnte sie genau beobachten. Sie hatte den berühmten englischen Pfirsichteint und trug nur ein dezentes Make-up. Ihre Frisur, die aussah wie die meiner Mutter, war noch erstaunlich frisch, und ich erinnerte mich an alle die Berichte über die persönliche Entourage, die sie jeweils begleitete, um die Garderobe ihres Lieblingscouturiers Norman Hartnell bereitzulegen, ihren Schmuck auszusuchen und ihr Äusseres zu trimmen. Und noch was entdeckten wir: In einem schwarzen Köfferchen waren Flaschen mit schottischem Wasser als Durstlöscher für die Queen mitgebracht worden.