Unscheinbar habe er gewirkt, in seinem braun-karierten Hemd, den beigen Wanderhosen und der «Dächlikappe». Fast wie ein normaler Tourist. Urs Kessler, Direktor der Jungfraubahnen, erinnert sich noch ganz genau an den Tag, als er den Mann namens Naruhito, 59, aus Japan traf. Dieser vermeintliche Tourist wurde heute am 1. Mai 2019 zum neuen Kaiser von Japan gekrönt.
Am 21. Juni 2014 besuchte der damalige Kronprinz die Schweiz, um die 150-jährige diplomatische Beziehung zwischen den beiden Ländern zu feiern. Teil seines Besuches war ein Abstecher auf die Schynige Platte im Berner Oberland. Mit dabei Urs Kessler.
Zu Ehren des adeligen Japaners trug er eine Uniform, wie sie der Stationsvorstand des Jungfraujochs vor mehr als hundert Jahren trug. Die Begegnung empfand Kessler jedoch als gar nicht so förmlich wie erwartet. «Kaiser Naruhito ist sehr bescheiden, volksnah und für japanische Verhältnisse richtig fröhlich», erinnert er sich.
«Für den Rundgang auf der Schynige Platte war alles genau vorgeschrieben, jeder Meter, den wir ablaufen sollten.» Daran gehalten hätten sie sich dann aber nicht. «Der Kaiser zeigte sich sehr interessiert, stellte mir etwa Fragen zur Schweizer Geschichte und dem Tourismus.» Auch fotografiert habe er fleissig.
Im Anschluss an den Rundgang gab es noch ein traditionelles «Zvieri» für den hohen Gast. «Er probierte regionalen Käse, der ihm sehr geschmeckt hat», sagt der Direktor der Jungfraubahnen. Besonders fasziniert habe Naruhito aber die Aussicht auf die Alpenwelt. «Er sagte, er würde diesen Ort gerne seiner Frau und seiner Tochter zeigen», sagt Urs Kessler.
Auf den Amtsantritt wird der Tourismus-Direktor dem Kaiser nun eine Einladung auf die Schynige Platte zukommen lassen. Den Brief hat er bereits verfasst. Nun muss er allerdings noch abklären, ob alles korrekt formuliert ist und sicherstellen, dass die Nachricht den offiziellen Weg geht.
Dem Kaiser schreibt Kessler, dass er sich noch immer mit Stolz und Freude an den Besuch im Jahr 2014 erinnert. Es sei eine Ehre gewesen, mit ihm dem Blumenweg entlangzulaufen, Schweizer Käse und Trockenfleisch zu essen und mit ihm das Kuhglockenspiel zu eröffnen.
Vielleicht hängt im japanischen Kaiserpalast sogar eine Schweizer Kuhglocke, mutmasst Urs Kessler. Er habe dem damaligen Kronprinzen nämlich eine als Erinnerung an den Besuch geschenkt.
Im letzten und sechsten Teil morgen lest ihr die Schicksalsgeschichte von Prinzessin Mako.