Mit welch bösen Schmähnamen ist Grossbritanniens neue Königin Camilla, 75, in der Vergangenheit bedacht worden: Verhöhnt als «Rottweiler», verunglimpft als «vertrocknete Makrele». Die tierischen Schimpfwörter scheinen an der «Queen Consort» – «Königsgemahlin» – so ihr offizieller Titel als Ehefrau von König Charles III. – nicht nur abgeprallt zu sein; sie hat den Spiess sogar umgedreht und lässt damit ihren subtilen Humor durchblitzen: Als Camilla zum 75. Geburtstag in Clarence House das internationale Modemagazin «Vogue» zum Fototermin empfängt, scherzt sie: «Tut mir leid, dass Sie eine alte Fledermaus fotografieren müssen.»
Hoheit nimmt sich auf die Schippe – und lacht mit. Damit zeigt sich Camilla als würdige Nachfolgerin der verstorbenen Queen, die einst befand: «Wir sollten uns nicht zu ernst nehmen. Keiner von uns hat das Monopol auf die Weisheit.» So wie Elizabeth II. ihre Aufgaben sehr ernst nahm – sich selber aber weniger –, tut es ihr Schwiegertochter Camilla gleich. Seit vielen Jahren arbeitet sie hart an der Seite ihres Mannes Charles, 74, erfüllt ihre Pflichten mit Energie und Engagement, ist Schirmherrin von 100 Organisationen mit sozialen, medizinischen und kulturellen Aufgaben. Obwohl als Paar terminbedingt oft den ganzen Tag getrennt, hält Camilla an einem Liebesritual mit Charles fest: «Manchmal sind wir wie Schiffe, die nachts aneinander vorbeifahren. Aber wir setzen uns immer zusammen, trinken einen Tee und besprechen den Tag. Diesen Moment nehmen wir uns.»
«Kummer ist der Preis, den wir für die Liebe zahlen» – auch dieser Satz stammt von Queen Elizabeth II. Wie viele Falten im Antlitz Camillas diesem Schmerz geschuldet sind, weiss nur sie selbst. Sie ist 23, als sie Charles beim Polospiel kennenlernt, es folgt eine heftige Affäre. Camillas Familie gehört zwar zum Adel, nicht jedoch zum Hochadel, sie gilt somit am Hof nicht als passende Braut. Ihr fehlt es am Image einer Märchenprinzessin.
Camilla heiratet Andrew Parker Bowles, einen Offizier, der notorisch fremdgeht; Charles sagt Ja zu Diana, ohne die Beziehung zu Camilla je ganz aufzugeben. Er ist sogar Patenonkel von Thomas «Tom» Parker Bowles, 48, Camillas Sohn, der mittlerweile sein Stiefsohn ist. Erst nach langen Jahren des Wartens heiratet Charles 2005 seine grosse Liebe – 35 Jahre nach ihrem stürmischen Liebesintermezzo. Nachdem endlich alle in seiner Familie akzeptieren, dass ihre Anwesenheit im Haus Windsor für ihn nicht verhandelbar ist. Dabei ist es Charles’ Mutter, die noch bis in die 1990er-Jahre verbietet, Camillas Namen im Palast auszusprechen. Für Elizabeth II. ist Camilla lange Zeit «die böse Frau». Für die Briten ist sie nach Dianas Tod die Hassfigur. Aber die Queen lässt sich trotz ihrem Zorn auf Camilla von Weisheit leiten, anerkennt, dass die einstige Nebenbuhlerin Dianas durchaus eine «patente, witzige Frau ist, die mit beiden Beinen auf der Erde steht» – und die ihrem Ältesten, Thronfolger Charles, guttut.
Bei seiner Hochzeit mit Camilla erhält diese offiziell den Titel «Her Royal Highness», womit sie nach der Queen zur zweitwichtigsten Frau in der britischen Monarchie aufsteigt. Endgültig geadelt wird Camilla von der Queen kurz vor deren Tod, als Elizabeth II. verlauten lässt, es sei ihr Wunsch, dass die Frau ihres Sohnes einmal den Titel «Queen Consort» tragen soll.
Auch in den Augen der meisten Briten hat sich Camilla von der Hexe zur Sympathieträgerin und zunehmend einflussreichen und «unersetzlichen Stütze» für Charles entwickelt, wie die Queen bei ihrem 70. Thronjubiläum im vergangenen Juni betont. Camilla und Charles – CC – sind wie eine Kopie: Beide lieben die Natur, das Gärtnern, Malerei und Jagd. Camilla besitzt mehrere Pferde, dazu zwei Jack Russell Terrier, Bluebell und Beth, und sie interessiert sich für Kunst. Während Diana einst mit Glamour punktete, tut dies Camilla mit Natürlichkeit, Warmherzigkeit und Diskretion. «Es war vor allem Camilla, die sich stark für die Idee eingesetzt hat, dass nichts über die Familie geht», sagt Katie Nicholl, 46, Royal-Expertin bei «The Mail on Sunday», «Vanity Fair», Sky News und BBC.
Ihre beiden Kinder aus der Ehe mit Andrew Parker Bowles rühmen Camilla «als vorbild-liche Mutter». Camilla ist zudem fünffache Grossmutter – von Lola, 15, Freddy, 13, Eliza, 15, sowie den Zwillingsbuben Louis und Gus, 13. In einem Interview mit dem «Daily Telegraph» sagte ihr Sohn Tom einmal über seine Mutter Camilla: «Sie verurteilt einen nie, ist sehr witzig, kocht leckeres Essen, und Besuche zu Hause sind im-mer eine grosse Freude.» Freunde und Gäste schwärmen von ihrem «ganz vorzüglichen Brathähnchen», «der köstlichen Lammkeule» oder «der allerbesten Seezunge».
Den letzten Schliff für ihre Kochkünste erhält Camilla zwischen 1963 und 1964 in der Schweiz, wo sie als Camilla Rosemary Shand die «Mon Fertile» in Tolochenaz VD besucht. Das Internat gilt als typisch britische «Schule für gute Manieren». Charlotte «Lottie» Ericson, eine ehemalige Klassenkameradin, erinnert sich an Camilla: «Sie war verrückt nach den Beatles und nach Make-up.»
Gemeinsam mit ihrer Schwester Sonia und ihrem 2014 verstorbenen Bruder Mark wächst Camilla wohlbehütet im kleinen Dorf Plumpton auf. Die adlige Familie ist durchaus wohlha-bend. Vater Bruce, ein britischer Offizier, gilt als «Meister der Fuchsjagd», hat einen gut laufen-den Weinhandel; Mutter Rosalind ist die Tochter eines Barons, Urgrossmutter Alice Keppel gar eine Mätresse von Charles’ Ururgrossvater, König Edward VII., der als «dicker Bertie» in den Geschichtsbüchern Eingang gefunden hat.
Nebst dem Vorwurf, die vermeintliche Märchenehe von Diana und Charles zerstört zu haben, blickt Camilla auf ein weiteres schwieriges Kapitel ihres Lebens. Jahrelang litt ihre Mutter an Osteoporose (Knochenschwund). In einem Interview offenbart die künftige Königin vor gut einem Jahr, wie sehr die Schmerzen und das Leiden der Mutter auf ihr und ihrer Familie lasteten. «Sie ging zu allen möglichen Leuten, die man sich vorstellen kann, alle sagten das Gleiche: ‹Tut mir leid. Sie sind alt.› Wir mussten zusehen, wie Mutter vor unseren Augen in sich zusammenfiel.»
Auch wenn Camilla bei engen Freunden den Ruf geniesst, eine ebenso angenehme wie zuverläs-sige Zeitgenossin zu sein – ihr Stiefsohn Prinz Harry, 38, sieht inzwischen in ihr die böse Stiefmutter, ein Monster, das «gefährlich» ist. In seiner Biografie «Spare» wirft Charles’ Jüngster ihr vor: «Camilla opferte mich auf ihrem persönlichen PR-Altar.» Mark Bolland, 56, langjähriger stellvertretender Privatsekretär von Charles III., schüttelt darüber nur den Kopf. Er erinnert sich anders an Camilla. Bolland begleitete Charles 1997 nach Paris, um den Leichnam Dianas nach England zu überführen. «Ich unterhielt mich damals auch mit Camilla. Ihre erste Reaktion war, nachzufragen, wie es den Jungs ginge. Sie empfand offenkundig tiefes Mitgefühl für William und Harry. Ihre erste Reaktion war vor allem die einer Mutter.»
«Sie ist ganz sicher keine böse Hexe», lässt Angela Levin in ihrer Biografie eine von Camillas engeren Freundinnen über die künftige Queen zu Wort kommen. Ganz im Gegenteil: «Camilla ist aufrichtig, bescheiden, einfühlsam, nahbar und zurückhalten.» Sie mache ihrem Namen alle Ehre. «Camilla» bedeutet: die Ehrbare, die Edle.