«Kates Auftritt war ein Statement»

Es regnet Katzen und Hunde, pflegt man in Grossbritannien zu sagen. «It’s raining cats and dogs.» Frei übersetzt: Es schifft wie aus Kübeln. Und das ausgerechnet am 15. Juni, dem Tag der Geburtstagsparade für König Charles III. Die dennoch zahlreich anwesenden Royal-Fans trotzen dem garstigen Wetter mit Schirmen, die 1400 teilnehmenden Soldaten – unter ihnen Thronfolger William (42), sein Onkel Edward (60) und seine Tante Anne (73)  – mit stoischem Gesichtsausdruck. Dass das Trio, das die Parade Trooping the Colour hoch zu Ross absolviert, am Ende «soaked» – zu gut Schweizerdeutsch pflotschnass – ist, lässt sich nicht vermeiden. Doch ausgerechnet in dem Moment, als die Königsfamilie den Balkon des Buckingham-Palasts betritt, reisst der Himmel auf und taucht die Szenerie für einen kurzen Moment in gleissenden Sonnenschein. Es ist fast ein bisschen surreal. Oder kitschig. Oder symbolisch, wie Royal-Biografin Angela Levin meint: «So ist das Leben. Egal, wie dunkel die Wolken – Hoffnung gibt es immer.»

Sie selbst habe angesichts der düsteren Wetterprognosen allerdings nicht zu hoffen gewagt, dass die an Krebs erkrankte Prinzessin Kate (42) sich tatsächlich zeigt, so die preisgekrönte britische Royal-Kennerin. Zumal die Herzogin von Cambridge sich noch immer einer kräftezehrenden Chemotherapie unterziehen muss. Angela Levin und mit ihr das gesamte britische Volk sind «absolutely delighted» – frei übersetzt total usem Hüüsli –, dass Kate sich an diesem Tag in der Lage fühlt, ihren ersten öffentlichen Auftritt seit ihrer Krebsdiagnose zu absolvieren.

Kampf, Siegeswille und Loyalität 

Es sei kein Zufall und habe ebenfalls hohen symbolischen Wert, dass sich die Prinzessin ausgerechnet Trooping the Colour für diesen denkwürdigen Moment ausgesucht habe, so Levin. Die Soldatenparade hat ihren Ursprung im Brauch des täglichen Vorführens der Fahnen vor den Truppen. So sollten diese sie im Getümmel des Gefechts wiedererkennen.

Die Symbolik übertrug sich mit Einführung der Parade auf den Monarchen: Die Fahne soll das Heer an seine Verpflichtung dem König gegenüber erinnern und ihm umgekehrt den unbedingten royalen Schutz abverlangen. «Im übertragenen Sinne hat Catherine mit ihrem Auftritt ihre Loyalität gezeigt, sowohl der Krone als auch dem Volk gegenüber.» Und: Im historischen Kontext gehe es bei Trooping the Colour um Kampf und Sieg. Die Botschaft der Prinzessin: «Seht her, ich kämpfe. Und ich habe den Willen zu siegen. Nicht nur für mich, sondern auch, um allen anderen Betroffenen Mut zu machen.»

Einer ihrer wichtigsten Verbündeten in diesem Kampf: König Charles (75) der zum ungefähr gleichen Zeitpunkt wie Kate ebenfalls eine Krebsdiagnose erhielt. Auch er gilt noch nicht als geheilt, nimmt aber seit geraumer Zeit wieder öffentliche Verpflichtungen wahr. Die bösen Stimmen, die behaupteten, Kate würde mit ihrem Auftritt dem König vor der spärlichen Sonne stehen, bringt dieser mit einer eindeutigen Geste zum Schweigen: Die künftige Königin steht auf dem royalen Balkon an seiner Seite – der Platz, der eigentlich dem Thronerben zusteht. Das zeige klar: Der König setzt auf Kate. Jetzt und für die Zukunft. «Das Verhältnis der beiden ist eng, zumal sie das gleiche Schicksal teilen», bestätigt Angela Levin.

Die Prinzessin will an diesem Tag auch ein Stück Normalität vermitteln. Nicht nur ihrem Volk, das einen öffentlichen Auftritt schon lange herbeisehnt. Sondern vor allem auch ihren Kindern. Für George (10) Charlotte (9) und Louis (6) ist die Teilnahme ihrer Mutter an der Geburtstagsparade für den Grossvater einerseits Zeichen, dass sich ihre geliebte Mama auf dem Weg der Besserung befindet. «Zum anderen zeigt sie ihnen damit auch: Nichts ist wichtiger als der Zusammenhalt der Familie», so Royal-Biografin Levin.

Kates Freude darüber, sich dem Volk endlich wieder zeigen zu dürfen, ist echt, sagt Levin. «Sie ist eine sehr authentische Person. Ihr Lächeln gilt in erster Linie der jubelnden Menge.» Aber auch wenn das Strahlen ehrlich ist: Es kann nicht überdecken, dass die Fürstin von Wales in ihrem weissen Jenny-Packham-Kleid (das sie in einer schlichteren Version bereits einmal getragen hat) nicht nur dünn, sondern fast zerbrechlich wirkt. Ihre Energie ist offensichtlich noch begrenzt: Zwischendurch muss sie sich sogar hinsetzen.

«Ich mache gute Fortschritte, aber wie alle wissen, die eine Chemotherapie durchmachen, gibt es gute und schlechte Tage», schreibt die Prinzessin auf Instagram. «An den schlechten fühlt man sich schwach, müde und muss seinem Körper nachgeben. «Aber an den guten Tagen, wenn man sich stärker fühlt, möchte man das Beste aus seinem Wohlbefinden machen.»

Kates Auftritt bei Trooping the Colour sei nicht als definitive Rückkehr zu ihren royalen Pflichten zu werten, betont Angela Levin. «Vielleicht wird sie sich im Sommer an einzelnen Veranstaltungen zeigen, falls sie sich fit genug fühlt. Es gibt einige Projekte, welche ihr sehr am Herzen liegen. Aber allzu grosse Hoffnungen darauf dürfen wir uns nicht machen.» Bis dahin wird der ebenfalls noch angeschlagene König weiterhin von der Familie, allen voran von Ehefrau Camilla (76) und seiner Schwester Anne unterstützt.

Auch Prinz William dürfte wieder vermehrt öffentlich auftreten. «Sein Fokus wird aber auf Kate und den Kindern liegen.» Bleibt die Hoffnung, dass der Sommer, den die Royals in Schottland verbringen, mehr Sonne als Dauerregen für sie bereithält. Real und symbolisch.