Frankreichs Ludwig XIV. schuf mit Versailles einst eine kleine Stadt. Das Denkmal des Sonnenkönigs. Noch nicht mal Sonnenkollektoren auf Hausdächern lässt Englands Öko-König Charles III. (74) in seiner Modellstadt Poundbury zu – weil er sie hässlich findet. Die Kleinstadt bei Dorchester im Südwesten der Grafschaft Dorset hat der Monarch am Reissbrett entwerfen und seine Vision von Landleben umsetzen lassen. Auf 162 Hektaren Acker- und Weideland im Besitz der Königsfamilie: moderne, energiesparende Häuser und Wohnungen, keine Bausünden, kein lärmender, krank machender Autoverkehr.
Ein Herz für Kinder: Bei seinem letzten Besuch als Prinz weiht Charles im Mai 2022 einen Spielplatz ein.
Getty ImagesSeinen persönlichen Wohntraum offenbart der Prinz bereits 1984 im Bestseller «A Vision of Britain». Schon damals legt sich der Thronfolger mit den Architekten des Landes an und wet-tert, die modernen Häuserbauer hätten «in Grossbritannien mehr Schaden angerichtet als die deutsche Luftwaffe während des gesamten Zweiten Weltkriegs». Im Luxemburger Architekten Léon Krier (77) findet Charles einen Seelenverwandten, der seine Liebe zum romantischen Konservatismus teilt. 1993 erfolgt der Spatenstich für Poundbury. Die ältesten Häuser sind 30 Jahre alt, trotzdem sieht der Ort aus wie ein idyllisches Dorf aus dem 18. Jahrhundert: zwei- bis dreistöckige Häuser, die nur mit natürlichen Baustoffen aus der Region gebaut werden dürfen. Fenster und Regenrinnen aus Plastik sind tabu. Überall gibts kleine Türmchen, Säulen, dazu akkurat aufgestellte Blumenkübel ohne ein Fitzelchen Unkraut.
Wohlfühlatmosphäre: Das Rentnerehepaar Fran und David Leaper lebt seit 18 Jahren in der Modellstadt und ist happy.
Julie de TriboletFran (73) und ihr Mann David Leaper (75) ein Ehepaar im Ruhestand, kehrten vor 18 Jahren dem Norden Englands den Rücken, um sich in Poundbury niederzulassen. Der ehemalige Chirurg und Professor ist eine der angesehenen lokalen Persönlichkeiten im Modellort von König Charles III. Die Leapers leben in einem zweistöckigen Herrenhaus im georgianischen Stil, im kleinen Garten ein Schwimmteich, in dem sich ein paar Goldfische tummeln. In der Garage stehen Davids Jaguar-Coupé und der Mini Cooper seiner Frau Fran.
«Natürlich ist nicht alles perfekt», sagt David Leaper. «Aber insgesamt ist Poundbury eine Stadt, in der ich gern lebe und die ich liebe.» Seine Ehefrau Fran, Herausgeberin des «Poundbury Magazine», der Dorfzeitschrift, erinnert sich an die Anfänge der Modellstadt: «Wenn der damalige Prinz Charles etwas wollte – und er ist nicht gewohnt, dass jemand Nein sagt –, dann bekam er es auch. Jedes Gebäude hier wurde im Planungszustand von Charles geprüft. Er setzte den Rotstift an, bevor der Stadtrat die letzte Erlaubnis geben durfte. Selbst danach konnte er noch etwas ändern.» Hält sich ein Architekt nicht an die Regeln, muss er auf eigene Kosten umbauen. Es kam vor, dass eine Garage komplett abgerissen werden musste, weil das falsche Baumaterial verwendet worden war.
Royales Flair: Das Stadtzentrum erinnert an den Buckingham-Palast. Die Nacht im Hotel The Duchess of Cornwall Inn (r.) kostet ab 130 Franken.
Julie de TriboletKritiker ätzen vereinzelt über das «feudale Disneyland» von Charles III. Doch selbst die Journalisten des linken «Guardian» geben zu, dass Poundbury «ein sozialer und wirtschaftlicher Erfolg ist». Die Modellstadt gilt neben Charles’ Bio-Lebensmittel-Marke Duchy Originals inzwischen als grösster Gewinnbringer des Duchy (Herzog von Cornwall). 17 Millionen Franken waren die 162 Hektaren Land bei Baubeginn wert. Seither verzwölffachte sich der Preis. 2025 soll der aus Acker- und Weideland gestampfte Ort fertig sein; Wohn- und Arbeitsort für 6000 Menschen. Nachdem Charles König geworden war, ging sein Titel als Herzog von Cornwall an den ältesten Sohn über. In Poundbury hat nun William, 40, das Sagen.
Bescheidenes Denkmal: In Poundbury findet sich ein einziger Hinweis aufs Königshaus. Elizabeth II. (im himmelblauen Mantel) enthüllte 2016 die Statue der Queen Mum.
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