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Mutige Worte brechen das Schweigen über Missbrauch

Königin Camilla setzt sich gegen häusliche Gewalt ein

Mit Verve und Ausdauer setzt sich Queen Camilla gegen häusliche Gewalt ein. Sie ist nicht die einzige Königin an einem europäischen Hof, die sich persönlich für ein Anliegen engagiert, das ihr besonders wichtig ist.

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Queen Camilla enttabuisiert das Thema häusliche Gewalt – und erreichte bereits eine Gesetzesänderung.

Queen Camilla enttabuisiert das Thema häusliche Gewalt – und erreichte bereits eine Gesetzesänderung.

Samir Hussein/WireImage

Selbstsicher steht Königin Camilla (77) am Rednerpult. Föhnfrisur, elegantes blaues Kleid. Ihr Gesicht wirkt freundlich, aber resolut. Energisch nimmt sie ihre klobige Brille ab, schaut direkt ins Publikum und sagt: «Mit Entschlossenheit und Mut werden wir erfolgreich sein.» Dann lächelt sie. Und Millionen Briten vor den Bildschirmen haben Tränen in den Augen. Der Dokumentarfilm «Her Majesty The Queen: Behind Closed Doors» («Ihre Majestät die Königin: Hinter verschlossenen Türen») rückt ein grosses gesellschaftliches Problem in den Fokus – und zeigt eine unbekannte emotionale Seite dieser sonst so stoisch wirkenden Königin.

«Wir müssen darüber reden»: Queen Camilla hält in London eine Rede. Diese wird simultan in Gebärdensprache übersetzt.

«Wir müssen darüber reden»: Queen Camilla hält in London eine Rede. Diese wird simultan in Gebärdensprache übersetzt.

Dukas

Während eines Jahres begleitete der Privatsender ITV Camilla und zeigt der Nation, mit welcher Leidenschaft und Hartnäckigkeit sie sich seit 2010 für Opfer häuslicher Gewalt einsetzt. Opfer beiderlei Geschlechts zwar, aber zu über 90 Prozent weiblich. Etwa drei Frauen pro Woche würden sich in Grossbritannien das Leben nehmen, weil sie es zu Hause nicht mehr aushielten, sagt die ehemalige Premierministerin Theresa May (68) in die Kamera und betont: «Wie viele es versuchen, wissen wir nicht.» Der Leidensdruck sei unermesslich, ergänzt Camilla, dazu komme die Scham, jemand könnte von ihrem Martyrium erfahren, das sie als eigenes Versagen empfinden, als Schande.

«Ausgerechnet in ihrem Heim, wo Frauen sich sicher fühlen sollten, sind unzählige täglich brutaler Gewalt und Angst ausgesetzt», so Queen Camilla weiter und gibt damit Überlebenden, «Survivors», wie sie im Königreich genannt werden, eine Stimme. «Er zielte mit der Waffe auf meine Brust und drohte, den Abzug zu ziehen, wenn ich ihn verlasse», erzählt eine zierliche Frau im Dokfilm. Eine andere berichtet, ihr sei lange nicht bewusst gewesen, dass sie Gewalt erlebe. Ihr Partner verprügelte sie nicht. Aber er kontrollierte ihre Finanzen, bestimmte, was und wann sie essen durfte, wie sie sich zu kleiden hatte und wie oft sie ihre Familie sah – oder eben nicht.

Sie nennt Dinge beim Namen

Camilla besucht regelmässig Frauenhäuser, spricht mit Betroffenen und Betreuerinnen. Sie organisiert Meetings und holt die Meinung von Mitarbeitenden von Sozialwerken, von Justiz, Polizei oder Spitälern ein. Sie spricht mit Betroffenen und Betreuerinnen und scheut sich nicht, Wörter wie Vergewaltigung und sexueller Missbrauch auszusprechen – bisher undenkbar für ein Mitglied der royalen Familie. Auch in Dänemark hat das Thema eine prominente Unterstützerin. Königin Mary wurde für ihr Engagement in Deutschland 2014 gar mit einem Bambi geehrt.

Mit Krone und Herz

Praktisch alle Königinnen an europäischen Höfen engagieren sich für ein Anliegen, das ihnen speziell wichtig ist. Letizia von Spanien (52) etwa gibt den rund 300 Millionen Menschen weltweit, die an einer seltenen Krankheit leiden, eine Stimme.

Seit Jahren setzt sich Königin Letizia von Spanien für Menschen ein, die an einer seltenen Krankheit leiden.

Seit Jahren setzt sich Königin Letizia von Spanien für Menschen ein, die an einer seltenen Krankheit leiden.

OHWOW

In den Niederlanden rückt Königin Máxima (53) als Ehrenvorsitzende der Mind-us-Foundation psychische Gesundheit in den Fokus.

Königin Máxima der Niederlande sorgt dafür, dass auch an Schulen über psychische Gesundheit diskutiert wird.

Königin Máxima der Niederlande sorgt dafür, dass auch an Schulen über psychische Gesundheit diskutiert wird.

Getty Images

Silvia von Schweden (81) und Mathilde von Belgien (52) setzen sich dafür ein, dass benachteiligte Kinder Zugang zu Bildung bekommen.

Königin Silvia von Schweden gründete eine Stiftung, die Kinder schützt, die Gewalt und Missbrauch ausgesetzt waren.

Königin Silvia von Schweden gründete eine Stiftung, die Kinder schützt, die Gewalt und Missbrauch ausgesetzt waren.

Dukas
Königin Mathilde von Belgien engagiert sich dafür, dass unterprivilegierte Kinder uneingeschränkt Zugang zu Bildung bekommen.

Königin Mathilde von Belgien engagiert sich dafür, dass unterprivilegierte Kinder uneingeschränkt Zugang zu Bildung bekommen.

Getty Images

«Wenn man nur ein bisschen an der Oberfläche kratzt, hat man einen Schock», erklärt Queen Camilla ihr Herzensprojekt. «Wir müssen offen und öffentlich darüber reden.» Am Anfang allerdings hörte Queen Camilla zu. Dann tat sie etwas Simples, aber Effektives. Im Juli 2016 richtete sie in Clarence House einen Empfang aus und lud alle ein: Politiker, Gewaltopfer, Vertreter von Hilfs- und Wohltätigkeitsorganisationen. Aber auch Prominente wie den «Star Trek»-Schauspieler Sir Patrick Stewart (84) der in einem gewalttätigen Haushalt aufwuchs.

Später tat sich Camilla mit der ehemaligen englischen Premierministerin Theresa May und mit Cherie Blair (70) Juristin und Ehefrau von Ex-Premierminister Tony Blair (71) zusammen. Die drei waren massgeblich daran beteiligt, dass 2021 der «Domestic Abuse Act» in Kraft trat – und damit auch psychische Brutalität unter häusliche Gewalt fiel. Die englische Presse reagierte nach Ausstrahlung der Dokumentation auf ITV durchs Band positiv. Selbst die unzimperliche Boulevardzeitung «The Sun» titelte «Bemerkenswerte Queen» und schrieb, die Aufnahmen seien «beeindruckend».

Einer von fünf Erwachsenen sei mit häuslicher Gewalt konfrontiert, sagt Theresa May. Darunter auch Polizeichefinnen wie Sharon Baker aus Bristol und Parlamentarierinnen wie Rosie Duffield (53). Beide trauen sich im Film ihr Gesicht zu zeigen und von ihren Erfahrungen zu erzählen, weil Camilla sie ermutigte. «Wenn jemand wie die Queen sagt, dass häusliche Gewalt nicht in Ordnung ist», erklärt Rosie Duffield, «dass wir Opfer sind und nicht selbst schuld, bedeutet dies für Frauen wie mich die Welt.»

Von Ruth Brüderlin vor 15 Stunden