Doña Letizia ist nicht gerade das, was man gemeinhin unter einer klassischen Spanierin versteht. Sie hat nichts von jener besonderen Ausstrahlung, wie sie beispielsweise der spanische Kinostar Penélope Cruz (48) so brillant darstellen kann. Dagegen kommt einem Doña Letizia, die am 15. September ihren 50. Geburtstag feiert, wie ein Gegenentwurf vor.
Wie so oft täuscht auch in diesem Fall das Klischee die Wirklichkeit, denn Letizia ist beileibe kein schwaches Wesen, das beschützt werden muss, sondern eine selbstbewusste, moderne Frau. Die Erste unter den Spanierinnen, die First Lady, mehr noch: die Königin. An der Seite ihres Mannes, König Felipe VI. von Spanien (54), verkörpert sie die Monarchie auf der iberischen Halbinsel. In der ultrastrengen Tradition des spanischen Hofs könnte auch kein verhuschtes Persönchen bestehen.
So erlebt Spanien eine Frau, die mehr Respekt als überschwängliche Sympathien geniesst und nun ihren runden Geburtstag begeht.
Mehr als nur Stil-Ikone
Internationale Modemagazine feiern sie schon lange als geschmacksichere Stil-Ikone und Vorbild für viele Frauen. «Spaniens wichtigste Moderepräsentantin», so sieht sie die «Berliner Morgenpost», denn die Königin sei keine elitäre Konsumentin. «Wenn Letizia ein Modell der spanischen Labels Zara oder Mango trägt, ist die Kollektion wenig später ausverkauft. Ein Phänomen, das in der Branche ‹Letizia-Effekt› genannt wird. Vor allem im Alltag setzt Letizia auf Low-Cost-Mode. Nur bei offiziellen Anlässen trägt sie Designerkleidung.»
Dazu passen die Fotos von einem Bummel Letizias mit ihren Töchtern, den Prinzessinnen Leonor (16) und Sofía (15), durch die Altstadt von Palma de Mallorca. Die Damen tragen einfache, aber farbenfrohe Minikleider, das der Königin ist das kürzeste. Auch diese Bilder gehen durch die Gazetten - mithin auch als Beleg für die geordnete heile Welt der spanischen Königsfamilie.
Aber Letizia ist mehr als nur Stil-Ikone. Sie ist intelligent, gebildet, zielstrebig und verantwortungsbewusst. Das wissen auch die meisten Spanier, die Letizia aus ihrem vorherigen Leben kennen. Da hiess sie noch Letizia Ortiz Rocasolano, und sie war eine der bekanntesten Journalistinnen des Landes. Sie ist keine Hochwohlgeborene und stammt aus Oviedo in der Provinz Asturien nahe der Atlantikküste im Nordwesten Spaniens. Dort ist das Temperament der Menschen nicht ganz so überschäumend.
Die Powerfrau
Ihre Familie verkörpert gutbürgerliches Milieu: der Grossvater Taxifahrer, der Vater Journalist, die Mutter Krankenschwester. Nach dem Studium der Kommunikationswissenschaften in Madrid arbeitete sie einige Zeit lang in Mexiko, bevor sie nach Madrid zurückkehrte, u.a. für die überregionale Zeitung «ABC» schrieb und schliesslich die Hauptnachrichtensendung beim grössten spanischen Fernsehsender TVE moderierte. Ihr Kennzeichen: Powerfrau mit scheuen Augen.
Den damaligen spanischen Kronprinzen Felipe hatte sie auf einem Empfang kennengelernt. Es heisst, Felipe, der eigentlich als antriebsschwach gilt, habe sich sofort Hals über Kopf in sie verliebt, während sein Vater, König Juan Carlos I. (84), und seine Mutter, Königin Sophia (83), zunächst grosse Bedenken gegen diese Verbindung hatten:
Letizia war geschieden. 1998 hatte sie den zehn Jahre älteren Lehrer und Schriftsteller Alonso Guerrero Pérez (59) geheiratet, den sie als 15-jährige Schülerin kennenlernte. Die Ehe war schon nach einem Jahr wieder vorbei, doch weil sie nur standesamtlich geschlossen wurde, signalisierte die katholische Kirche grünes Licht für eine kirchliche Hochzeit mit Prinz Felipe.
Der zweite Einwand war schwerwiegender: Letizia war eine Bürgerliche, und das war für eine künftige Königsgemahlin und Königin in der starren Tradition des spanischen Königshauses ein Ding der Unmöglichkeit. Doch Felipe beharrte auf sein Prinzip - entweder die oder keine - und setzte sich damit durch. Die Hochzeit wurde 2004 mit grossem Pomp gefeiert.
Böse Gerüchte
Dieses vermeintlich märchenhafte Schicksal war alles andere als einfach, Letizia sah nicht glücklich aus in ihren ersten Ehejahren. Die «Süddeutsche Zeitung» (SZ) führte das auf das Leben am Hof zurück, das alles andere sei «als ein weltoffenes, modernes Dasein. Es unterliegt einer Vielzahl von starren, verzopften Verhaltens- und Standesregeln, die dazu beigetragen haben mögen, dass Letizia zumindest in den ersten Jahren (...) nicht sehr erfüllt wirkte. Ihre auffällige Magerkeit liess die Klatschpresse über Magersucht, ihr Griesgram über Depression mutmassen.»
Als Journalistin sei sie es gewohnt gewesen, «ein offenes, kritisches Wort zu pflegen und sich ungezwungen zu bewegen. Das Leben bei Hofe katapultierte Doña Letizia in die Rolle der Repräsentantin einer traditionellen Mutterrolle, standesgemäss im Schatten ihres Gemahls». Ihr gesellschaftlicher Aufstieg zur Prinzessin habe sich «in der Umkehrung traditioneller Vorstellungen» eher zu einem «Aschenputtel-Dasein» entwickelt.
Teile der Presse attackierten sie als «zu unterkühlt», «überheblich» und «Eis-Prinzessin». Man unterstellte ihr Schönheitsoperationen auf Kosten des Volkes, tatsächlich hatte sie sich aus medizinischen Gründen einer Nasenkorrektur unterzogen. Und ihre offensichtliche Niedergeschlagenheit hatte auch mit dem Tod einer ihrer Schwestern zu tun.
Imagewandel als Königin
Als Felipe 2014 nach einer Reihe von Skandalen seines Vaters König wurde, hat sich allmählich eine Imageänderung vollzogen. Letizias Arbeit als Königin fand bei Experten Anerkennung. Und sie kämpft für ihre Sache: Als in Spanien über fünf Millionen Frauen für ihre Gleichberechtigung auf die Strasse gingen, war unter den Streikenden auch die erste Frau des Landes: Königin Letizia sagte alle Termine ab. Mit dem gleichen ernsten Engagement setzt sie sich für Kinder, Minderheiten und arme Menschen ein. Und in der UN-Welternährungsorganisation FAO kämpft sie als Ehrenbotschafterin gegen den Hunger.
Heute wird die Königin als grosse Stütze der spanischen Monarchie wahrgenommen. Selbst von ihrem angeblichen Zwist mit ihrer Schwiegermutter, Altkönigin Sophia, ist nichts (mehr) zu spüren. Beim diesjährigen Sommerurlaub auf Mallorca bummelte Letizia mit ihren beiden Töchtern und der königlichen Oma einträchtig durch Palma. Völlig entspannt posierten die Frauen für Fotos - wie für das königliche Familienalbum.