Prinz Harry (38) berichtete in seiner skandalträchtigen Autobiografie «Reserve» (2023) unter anderem von Eifersucht und Neid innerhalb der britischen Königsfamilie. Insbesondere ging es dabei um seine zurückgesetzte Rolle als Zweitgeborener hinter Thronfolger Prinz William (41). Auch im schwedischen Königshaus gibt es einige innerfamiliäre Konstellationen, bei denen Eifersucht oder Neid denkbar wäre:
König Carl XVI. Gustaf (77) und die sehr beliebte Königin Silvia (79) etwa. Oder Silvia und ihre Schwägerin, Prinzessin Christina von Schweden (80). Als jüngste, noch nicht verheiratete Enkelin, begleitete sie den verwitweten König Gustav VI. Adolf (1882–1973) und nach dessen Tod auch ihren Bruder König Carl Gustaf als eine Art First Lady zu öffentlichen Auftritten und auf Reisen – bis Silvia kam. Und dann wären da noch Thronfolgerin Victoria (46) und ihr Bruder, der Zweitgeborene Prinz Carl Philip (44).
Diese drei besonderen Beziehungen beleuchtet Royal–Expertin Julia Melchior im Interview mit «spot on news». In ihrer neuen Dokumentation «ZDFroyal: Mein Vater, der König – Carl Gustaf und Victoria von Schweden» (5.9., 20:15 Uhr, ZDF und Mediathek) erzählt Carl Gustafs charismatische Schwester Christina eindrucksvoll von den gemeinsamen Zeiten im Auftrag der Krone. Die Doku wird anlässlich des bevorstehenden 50. Thronjubiläums (15. September) ausgestrahlt.
Für Ihren neuen Film «Mein Vater, der König – Carl Gustaf und Victoria von Schweden» haben Sie unter anderem mit König Carl Gustafs jüngster von vier Schwestern, Prinzessin Christina, und seinen beiden Nichten gesprochen. Wie waren die Interviews?
Die eine Nichte, Sybilla von Dincklage, hat noch nie ein Interview gegeben. Mit der anderen Nichte, Désirée von Bohlen und Halbach, hatte ich schon zwei, drei Interviews für andere Filme geführt. Für beide ist Carl Gustaf eine Respektperson und das Familienoberhaupt, obwohl er gar nicht der Älteste ist. Deren eigene Mütter sind ja die älteren Schwestern von ihm. Aber er hat das Sagen und hält die Grossfamilie auch zusammen. Sie sehen sich bei Familienfesten oder in den Sommerferien. Es wird gegrillt und viel gelacht.
Das ist eine Seite, die man von König Carl Gustaf in der Öffentlichkeit nicht unbedingt kennt...
Er ist Familienmensch und kümmert sich nicht nur um seine eigene Familie, sondern auch um seine vier älteren Schwestern. Als Thronerben fiel ihm quasi alles zu. Seine Schwestern haben alle aus der Familie hinausgeheiratet und sich damit aus dem königlichen Leben verabschiedet. Sie leben sozusagen alle ein bürgerliches Leben, während der Bruder eben der König geworden ist. Die Fürsorge für seine grossen Schwestern ist ein sehr persönlicher Aspekt von Carl Gustaf, den ich auch erst durch die Gespräche mit den Nichten kennengelernt habe...
... und durch das Gespräch mit Prinzessin Christina, die sehr charismatisch wirkt...
So habe ich sie in der Tat auch erlebt. Sie hat eine grosse Ausstrahlung, auf der einen Seite königliche Grandezza, auf der anderen eine verbindliche Natürlichkeit. Als ich sie mit «Königliche Hoheit, herzlichen Dank, dass Sie sich Zeit genommen haben» begrüsst habe, hat sie geantwortet: «Ich bin keine Königliche Hoheit. Ich bin schon seit fast 50 Jahren keine Königliche Hoheit mehr, seitdem ich geheiratet habe. Nennen Sie mich einfach Christina.» Sie ist unheimlich sympathisch und typisch schwedisch.
Sie wäre vielleicht auch eine gute Königin geworden. An der Seite des gemeinsamen Grossvaters war sie eine Art First Lady. Diese Rolle übte sie auch nach Carl Gustafs Thronbesteigung noch aus – bis Silvia kam. Welche Rolle spielt Eifersucht in dieser Konstellation?
Prinzessin Christina hatte eine wichtige Rolle in der Königsfamilie, sie hatte auch schon den verwitweten Grossvater auf Reisen und Terminen begleitet. Die anderen Schwestern waren deutlich älter und längst aus dem Haus. Und als dann Silvia auf der Bildfläche erschien, hat sich auch für Christina viel geändert. Aber im positiven Sinn, denn sie konnte viel Ballast abgeben. Auch sie hatte kurz vorher geheiratet (Juni 1974), und konnte nun endlich ihr eigenes Leben führen. Sie hat ein erfülltes Familienleben mit ihrem Mann, den Kindern und Enkelkindern. Die Frage nach der Eifersucht stellte sich aber auch deshalb vermutlich nie, weil es bis Ende der 1970er Jahre für Christina gar nicht die Option gab, jemals Königin zu werden. Laut Verfassung konnte nur ein Sohn den Thron besteigen. Es war immer klar, dass ihr Bruder der König wird und die Frau, die ihn heiratet, Königin. Ich glaube, ganz im Gegenteil, dass es eine gewisse Erleichterung war, dass sie aus der Verantwortung entlassen wurde und diese ein Stück weit an Silvia übergeben konnte.
Ist bekannt, wie die beiden Frauen heute zueinander stehen?
Ja, sie sind ganz eng miteinander. Christina ist auch heute noch eine grosse Stütze für Carl Gustaf und Silvia.
Silvia und Christina ist nicht der einzige denkbare Eifersuchtsherd am schwedischen Königshof. In der Doku erzählen Sie, dass das Medieninteresse um 98 Prozent gestiegen ist, als Silvia Königin wurde und dass alle Aufmerksamkeit ihr galt. War Carl Gustaf da vielleicht ähnlich eifersüchtig, wie es Charles mit Diana nachsagt wird?
98 Prozent ist keine belastbare Zahl, es ist vielmehr die Wahrnehmung aus Sicht der Pressestelle im Königshaus in den 1970er Jahren, wie mir gesagt wurde. Tatsächlich haben sich die meisten nur noch für Silvia interessiert. Das war aber nie ein Problem für Carl Gustaf. Im Gegenteil, durch sie hat sich auch die Berichterstattung über ihn zum Positiven gewendet. Vorher galt er immer nur als der Playboy–Prinz, den keiner ernst genommen hat. Mit der Hochzeit hat sich das geändert, weil er damit seine erste gute Entscheidung getroffen hat. Und ich glaube ehrlich gesagt auch, dass er recht gut damit klarkommt, wenn der Fokus nicht auf ihm liegt. Darüber hinaus hat Silvia die Gabe, ihren Mann bei gemeinsamen Auftritten strahlen zu lassen. Das ist ganz wichtig, immerhin ist er der Staatschef.
Wie macht sie das?
Wenn sie beispielsweise ein Doppelinterview geben, schaut sie vor allem ihn an und nicht in die Kamera. Sie gibt ihm und allen Anwesenden das Gefühl, dass Carl Gustaf die Hauptperson ist. Sie hat nie versucht, ihm den Platz streitig zu machen. Darum glaube ich nicht, dass es da jemals eine Konkurrenz gab oder eine Eifersucht gegenüber dem Interesse an seiner Frau.
Ein drittes potentielles Eifersuchtsthema kennen wir spätestens seit Prinz Harrys Buch «Reserve», nämlich das der Zweitgeborenen, der Reserve–Thronfolger. In Carl Philips Fall war es ja sogar so, dass er die ersten beiden Lebensjahre der Thronfolger war. Gibt es zwischen ihm und Kronprinzessin Victoria ähnliche Konflikte wie zwischen William und Harry?
Es ist nur bekannt, dass Victoria, als sie Kinder waren, einmal gesagt hat: «Wenn ich gross bin, werde ich König.» Und dann hat Carl Philip geantwortet: «Das stimmt nicht. Wenn ich gross bin, werde ich König.» Im Kindesalter hat es wohl ein bisschen gedauert, bis sie verarbeitet hatten, dass sie die Nummer eins ist und nicht er – aber das war eher kindlich spielerisch. Inzwischen ist klar, dass Victoria durchsetzungsstärker und ehrgeiziger ist. Sie hat diese Rolle vermutlich eher angenommen, als Carl Philip es getan hätte. Ich glaube, dass man in allen drei Eifersuchtsfragen am Ende immer zum gleichen Ergebnis kommt: Das vorherrschende Gefühl ist Erleichterung darüber, dass jemand anders im Rampenlicht steht, der diese Rolle in der Öffentlichkeit gut und gerne übernimmt.