Er war berühmt für kecke Sprüche, eisernere Disziplin und gelegentliche Fauxpas, mit denen er die Royale Familie gerne in Verlegenheit brachte. Was bisher nicht bekannt war: Die Kindheit von Prinz Philip, der letzten Freitag 99jährig starb, war geprägt von Schicksalsschlägen, zwischenmenschlichen Tragödien und hinterlistigen Komplotten. Schon seine Geburt, die den Herzog von Edinburgh 1921 in eine «schrecklich nette Familie» hineinkatapultierte, ist filmreif!
Mutter Alice bringt ihren einzigen Sohn ausgerechnet auf dem Esstisch eines Hauses in Korfu zur Welt. Nach einem Staatsstreich lässt sich Vater Andreas, immerhin direkter Nachkomme des griechischen Königs, mit Frau und fünf Kindern mittellos in Paris nieder. Hier widmet er sich exzessiv dem Alkohol, während sich die gehörlose und übersinnlich angehauchte Prinzessin um den Nachwuchs kümmert. Ein Glück, kann sie den kleinen Philip schon bald bei seiner Grossmutter Victoria im Londoner Kensington Palace unterbringen.
Als sich Alice in psychiatrische Behandlung begibt, nimmt das Schicksal seinen Lauf. Ernst Simmel und Sigmund Freud nehmen sich ihrer an. Die Herren diagnostizieren eine «paranoide Schizophrenie». Den Grund liefern sie auch gleich mit: «Sexuelle Frustration aufgrund einer nicht ausgelebten Leidenschaft.»
Sigmund Freud, einer der mächtigsten Psychiater seiner Zeit, entscheidet sich für eine geradezu skandalöse Behandlung: Starke Röntgenbestrahlung der Eierstöcke zwecks Beschleunigung der Menopause und Eintritt der Wechseljahre. Anzunehmen, dass dies ohne die Zustimmung der Patientin geschehen ist. Denn damalige Zeitgenossen attestieren Alice einen durchaus wachen und humorvollen Geist.
Doch es kommt noch dicker für die junge Frau. 1930 wird sie mit Betäubungsmitteln ruhig gestellt und heimlich im Fond eines Autos in die Schweiz gebracht. Ihre Entführer unter der Leitung von Professor Karl Wilmanns aus Heidelberg schrecken selbst vor körperlicher Gewalt nicht zurück. Sie verabreichen ihr eine Injektion mit Morphium-Scopolamin. Ziel ist das noble Sanatorium Bellevue bei Kreuzlingen in der Schweiz.
Die angeblich geisteskranke Adelige soll diskret versorgt werden. Zweieinhalb Jahre lang wird Philips Mutter hier festgehalten. Ein Fluchtversuch scheitert. Alice schwankt zwischen lethargisch und euphorisch, ist suizidgefährdet. Herzprobleme tauchen auf. Aus heutiger Sicht weist vieles darauf hin, dass sie ein Opfer moderner Psychiatrie wurde.
Derweil blüht Philips Vater als «Privatier» auf, lässt in Cannes und Monaco mit seiner Geliebten die Korken knallen. Zu seinem Sohn pflegt er nur schriftlichen Kontakt. Philip selber lebt in London und pendelt in den Internatsferien zwischen der Grossmutter und seinen älteren Schwestern hin und her. Drei davon heiraten Nazis. Im Sanatorium in Kreuzlingen findet Prinz Philips Mutter heraus, wer hinter ihrer Entführung steckt: ihre Mutter Victoria mit dem Einverständnis ihres Mannes Andreas. Die Verletzung sitzt tief. Nach ihrer Entlassung 1932 zieht sie nach Athen, führt ein wohltätiges Leben, widmet sich den Armen.
«Mein lieber Philip», schreibt sie ihrem Sohn: «Ich habe hier eine kleine Wohnung gemietet, nur für dich und mich. Ich freue mich so sehr, hier mit dir zu leben.» Alices von Battenbergs Wunsch erfüllt sich jedoch nicht.
Als 1953 Queen Elizabeth gekrönt wird, ist inmitten der europäischen Hocharistokratie eine schmale ältere Dame in einem grauen Nonnengewand zu sehen. Die letzten Jahre verbringt Prinzessin Alice im Buckingham-Palast, wo sie 1969 stirbt. Nach einem aufwühlenden, schwierigen Leben, das sie mit Mut, Haltung und bewundernswerter Resilienz gemeistert hat.