Sie ist das Oberhaupt des britischen Königshauses und damit die Königin von England: Queen Elizabeth II. (95) regiert nun schon seit 70 Jahren das Land. Doch was bedeutet es heutzutage noch, als Monarchin ein Land zu regieren? Denn die Frage, die immer wieder aufkommt, auch bei Royal-Kritikern, ist die des politischen Einflusses der Queen. Bringt der Titel der Königin immer noch so viel Einfluss auf die Politik mit wie vor 400 Jahren? Die Antwort ist ein eindeutiges: Jein.
Ja, die Queen hat zu einem gewissen Teil nach wie vor Einfluss auf die Politik. Nein, sie ist nicht Alleinherrscherin von Grossbritannien und darf sich offiziell auch nicht zu sehr in politische Angelegenheiten einmischen, wie «Adelswelt» erklärt. Als Oberhaupt der britischen Royals ist sie sogar zu politischer Neutralität verpflichtet. Aber wer gut mit Worten umgehen kann, ist trotzdem in der Lage, gewisse Ziele zu erreichen. Das soll aber nicht heissen, dass die Queen manipulativ wäre. Sie weiss nur einfach, wie sie ihr Land zu regieren hat.
Die Queen kann anscheinend vor allem eines sehr gut: Zuhören. Bei ihren Audienzen, vor allem bei jenen mit den Premierministern und Premierministerinnen hört sie zu, hat ein offenes Ohr für deren Probleme und gibt Ratschläge. Aufgrund ihrer neutralen Position äussert sie in diesen Gesprächen kaum ihre eigene Meinung, darf bei Bedarf aber «beraten und warnen», wie es auf der Website des Palastes heisst. Ist sie mit der Entscheidung eines Premiers nicht einverstanden, wird sie das allerdings nie so deutlich äussern, sondern diplomatisch, aber bestimmt die Frage stellen: «Sind Sie sicher, dass das klug ist?», wie Inger Merete Hobbelstad im Buch «Die Queen» schreibt. Diese Frage ist mehr als offensichtlich, dass sie mit dem entsprechenden Staatsoberhaupt nicht übereinstimmt und dieser seine Pläne und Entscheidungen doch noch einmal überdenken soll.
Einmal in der Woche hält die Queen mit dem amtierenden Premierminister eine Audienz ab. Einen grossen Vorteil der Gespräche mit der Queen sah der ehemalige und inzwischen verstorbene Ex-Premierminister Harold Wilson. Er erklärte nämlich, dass er sich bei der Königin sicher fühle, denn bei ihr wisse er mit Sicherheit, dass sie nicht auf seinen Job aus sei und ihn daher aufrichtig und im Interesse des Landes berate. Bei seinen eigenen Leuten sei er sich da nie so sicher gewesen.
Und auch der grosse Winston Churchill soll ein Fan der Queen gewesen sein. Zugegeben, zu Beginn ihrer Regentschaft war Churchill noch etwas skeptisch der damals jungen Elizabeth gegenüber, aber später schien er es sich zur Aufgabe gemacht zu haben, sie um jeden Preis zu beschützen. Denn als sie sich über die Darstellung zweier Könige in entsprechenden Filmen ärgerte, gründete Churchill kurzerhand einen Ausschuss zur Überprüfung von Filmen über die Königsfamilie. Alles im Dienste Ihrer Majestät.
Aber Queen Elizabeth II. spielt nicht nur Psychologin und Beraterin für die Regierungsmänner, sondern ist auch in der Lage, Verbrecher zu begnadigen, Minister zu ernennen – und sogar anderen Ländern den Krieg zu erklären. Zu letzterer Massnahmen musste sie während ihrer Regentschaft glücklicherweise noch nie greifen und die Kriegserklärung könnte sie auch erst aussprechen, nachdem sich das Parlament und die Regierung damit einverstanden erklärt haben.
In der Ernennung von Ministern, Beratern und Kabinettsbeamten begegnen sich die Queen und der amtierende Premierminister auf Augenhöhe, denn auch er hat das Recht dazu, diese zu ernennen.
Verbrecher begnadigt die Monarchin praktisch nie. 2013 sprach sie jedoch posthum eine solche Begnadigung für Alan Turin aus, der im zweiten Weltkrieg deutsche Codes für die Briten knackte. Wieso Turing trotzdem verurteilt und nicht als Held gefeiert wurde? Er war homosexuell, was zu seiner Zeit ein Verbrechen war, wurde deshalb verurteilt und einer Hormonbehandlung unterzogen. Die Queen begnadigte ihn allerdings 60 Jahre später. Er starb kurze Zeit nachdem sie den Thron bestieg – angeblich durch Suizid.
Die Queen muss jedem neuen Gesetz, das in Kraft treten soll, ihre Signatur geben. Jeden Tag kommen eine grosse Menge zur Monarchin, geliefert in der bekannten roten Box, in der sich auch neue Gesetzesentwürfe befinden. Nachdem das Oberhaupt des Königshauses alle Dokumente und Unterlagen gründlich studiert hat, unterschreibt sie diese und schickt sie zurück. Seit 1708 soll übrigens kein Monarch und keine Monarchin je die Signatur verweigert haben.
Im Vorfeld wird die Queen über alle Gesetzesentwürfe informiert, womit sie die Möglichkeit hat, deren Ausgang noch ein wenig zu beeinflussen. Angeblich soll dies 1973 auch schon der Fall gewesen sein, als die Regierung Unternehmen gesetzlich dazu verpflichten wollte, die Namen ihrer Anteilseigner preiszugeben. Nachdem ihr Anwalt intervenierte, wurde das Gesetz nicht durchgebracht. Der Grund dafür soll Gerüchten zufolge gewesen sein, dass es der Queen peinlich sei, wenn ihr Vermögen offen gelegt würde. Der Palast dementierte die Gerüchte allerdings.
Jedes Jahr ist es ausserdem die Aufgabe von Queen Elizabeth II., das Parlament in einer aufwendigen Prozession zu eröffnen, dabei ihre Imperial State Crown zu tragen und eine Rede zu halten. Diese schreibt sie allerdings nicht selbst und enthält auch keine grossen Worte. Sie verkündet zu diesem Anlass lediglich, was für das kommende Jahr auf dem Programm des Parlaments steht.
Auch wenn die Monarchie heutzutage nicht mehr den gleichen Stellenwert hat wie noch vor etwa 300 Jahren, so ist die Queen trotzdem noch einflussreich. Ihre Hauptaufgabe ist zwar die der Repräsentantin von Grossbritannien, aber in ihren 70 Jahren Regierungszeit lag ihr das Wohl des Volkes stets am Herzen und sie legt nach wie vor immer Wert darauf, im Sinne Grossbritanniens zu entscheiden – oder der Regierung einen kleinen Stoss in die richtige Richtung zu geben.