Der Druckereibesitzer Paul Ringier aus Zofingen AG war ein mutiger Unternehmer: Anfang des 20. Jahrhunderts hatten in der Schweiz bereits andere versucht, eine Illustrierte zum Erfolg zu bringen. Aber sie schafften es nicht. Für ihn war klar warum: Sie seien «äusserst schlecht gemacht, machen von sich ein grosses Wesen mit vielen Allüren, wollen viel sein, bieten aber wenig und, was ihr Hauptmangel ist, sind nicht genügend unterhaltend.»
Gleichzeitig hatte er ausgerechnet, dass «das lesende Publikum» im Jahr die respektable Summe von 1,4 Millionen für ausländische Zeitschriften ausgebe, für schweizerische hingegen nur einen Bruchteil. «Diese Zahlen beweisen ein Lesebedürfnis des schweizerischen Publikums», folgerte er und fügte an: «Also liegt die Schuld des Nichtprosperierens schweizerischer Zeitschriften an diesen selbst, an ihrer mangelhaften Konkurrenzfähigkeit und nicht an der Bedürfnislosigkeit einer Zeitschrift.»
Deshalb gründet er die Schweizer Illustrierte Zeitung, die am Samstag, 9. Dezember 1911 erstmals erscheint. Sie umfasst 16 Seiten und kostete 20 Centimes.
Die Welt nach Hause bringen
Eine Redaktion gibt es nicht und lange ist Paul Ringier auf der Suche nach einer geeigneten Person. «Das aber war ein peinlicher Fall, weil ein solcher Beruf in der Schweiz gar nicht existierte.» Also ernennt er kurzerhand seine rechte Hand, Frau C. Sturzenegger (ihr Vorname ist leider nirgends festgehalten), zur Schriftleiterin. In einem Inserat verkündet sie ihr Konzept: «Aktuelles vom Schweizer Lande bringen, daneben aber auch Hauptereignisse des Auslandes berücksichtigen, … damit das Blatt nach und nach zur Welt im Hause wird.»
Die Schweizer Illustrierte Zeitung berichtet während zweier Weltkriege, schickt Reporter in damals als exotisch geltende Gegenden in Afrika und Asien, organisiert Interviews mit Staatsoberhäuptern, dokumentiert Ereignisse, die Geschichte schreiben. Auch der Beruf des Fotoreporters geht auf die Illustrierte aus Zofingen zurück: Hermann Stauder war der Begründer dieses Fachs. Ab 1916 zog er durchs Land und fotografierte vor allem ländliche Szenen.
1965 wird der Name auf Schweizer Illustrierte verkürzt, neben dem Blick auf die Aktualität wird Beratung für alle Lebenslagen wichtig, es folgt die hohe Zeit der harten journalistischen Recherchen. Umfangreiche Themendossiers werden erstellt und an Schulen abgegeben. Mit dem aufkommenden Interesse an Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens verändert sich auch der Fokus der SI – der People-Journalismus hält Einzug in der Schweiz. Zu dieser Zeit ist die SI längst schon eine Institution. Kaum jemand, der keine persönliche Beziehung zu dieser jungen, alten Dame hat. Ihr Erfolgsgeheimnis liegt in ihrer DNA, die ihr von Paul Ringier vorgegeben wurde: Sie solle mannigfach sein und nie langweilig, «darf sich nicht aufs hohe Ross setzen, muss ohne Allüren sein».
Dem ist nichts beizufügen.
Quellen: Stephanie Ringel, SI-Serie zu 100 Jahre Schweizer Illustrierte; «Zwischen Masse, Markt und Macht», Peter Meier, Thomas Häussler, Chronos Verlag