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Zeitmessung bei Olympia

Alain Zobrist hat Sieg oder Niederlage in der Hand

Alain Zobrist, CEO von Omega Timing, ist verant­wortlich, dass an den Olympischen Spielen in Paris die Messinstrumente exakte Resultate liefern.

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Alain Zobrist / Omega Zeitmessung

Alain Zobrist, CEO von Omega Timing, das zum 31. Mal seit 1932 die Rolle des offiziellen Zeitnehmers an Olympia übernimmt.

Omega

Skateboarding, BMX-Freestyle und Breaking sind Sportarten, die in Paris erstmals olympisch sind. Es sind drei von insgesamt 329 Wettkämpfen in 32 Sportarten, in denen sich Athletinnen und Athleten vom 26. Juli bis 11. August messen werden. Omega Timing ist dabei offizieller Zeitnehmer – und noch viel mehr: Neben der Live-Zeitmessung und -wertung wird mit Schweizer Präzision auch ein kompletter Datenverarbeitungsservice für Liveübertragungen geliefert. Neuste Technologien stellen faire Wettkämpfe sicher.

Herr Zobrist, welches sind die Erfindungen für die neuen olympischen Disziplinen?

Alain Zobrist: Die einzige komplett neue Sportart in Paris ist Breaking. Für Omega ist dafür keine spezielle Technologie erforderlich, aber natürlich werden wir mit unseren Wertungsgeräten und Anzeigetafeln dabei sein. Sehr interessant ist Sportklettern. Wir mussten oben an der Kletterwand Touchpads installieren, mit denen die Teilnehmenden beim Speed-Climbing die Zeit mit ihren Händen stoppen – genau wie beim Schwimmen.

Jede Sportart erfordert speziell entwickelte Messverfahren. Wie packen Sie es an?

Wir arbeiten immer direkt mit den Organisatoren der einzelnen Sportarten zusammen, um die Bedürfnisse der Athletinnen und Athleten und auch der Kampfrichter zu verstehen. Das ist der Ausgangspunkt, der uns zeigt, welche Ausrüstung oder neue Technologien benötigt werden. Wir investieren intern viel Zeit in Forschung und Entwicklung und später auch in Livetests. Sobald die Technologie offiziell homologiert ist, kommt sie bei den Olympischen Spielen zum Einsatz.

Welchen Einfluss hat die künstliche Intelligenz?

Die KI gewinnt für die Zeitmessung immer mehr an Bedeutung. Derzeit bietet sie uns viele Möglichkeiten und unterstützt auch die Kampfgerichte bei ihren Entscheidungen. Bei den Wettbewerben im Wasserspringen in Paris zum Beispiel wird unsere KI-Technologie eine exakte 3-D-Ansicht jedes Sprungs generieren (siehe Box / Red.). Die gleichen KI-Systeme eignen sich auch für die Rhythmische Sportgymnastik. Wir können nicht nur eine 3-D-Ansicht erzeugen, sondern auch die Sprungrotationen und sogar die Abwinklung der Füsse von Turnerinnen und Turnern aufzeigen.

Wie gross ist Ihr Forscherteam?

Für Swiss Timing arbeiten rund 400 Personen, die auf bestimmte Technologien oder Sportarten spezialisiert sind. Wir haben einen grossen Laborbereich für Entwicklung und Tests. Für einen so grossen Event braucht es Expertisen aus dem Sport, aber auch aus den Bereichen wie Softwareentwicklung und Ingenieurtechnik. Am Ende ist es eine Teamleistung, bei der wir auf eine Fülle von Wissen und Erfahrung zurückgreifen müssen und können.

Bauen Sie die Prototypen mit Ihrem Team selber?

Ja, auf jeden Fall. Es ist unsere Innovation, die uns so einzigartig macht.

Welche Disziplinen ist für Sie die spannendste, komplexeste und anspruchsvollste?

Jede Sportart stellt eine ganze eigene Herausforderung dar. Ganz besonders interessant ist immer der 100-Meter-Sprint. Er kann in weniger als zehn Sekunden vorbei sein und erfordert sehr viel hauseigene Technologie für diese kurze Zeitspanne: angefangen bei der Startpistole, den Startblöcken und dem System zur Erkennung von Fehlstarts. Datenmesssysteme decken das gesamte Rennen ab. Auf der Ziellinie gibt es Fotozellentechnologie und die Fotofinish-Kamera, welche die offiziellen Ergebnisse liefert. Das ist ein enormer logistischer Prozess, der auch für uns jedes Mal sehr spannend ist.

Immer ausgeklügelter

Zielkamera: Die Fotofinish-Kameras von Scan, ’O’ Vision Ultimate werden neu an den Wettkampf-Ziellinien bis zu 40 000 digitale Bilder pro Sekunde aufnehmen. Das macht es für die Kampfrichter einfacher, knappe Ergebnisse möglichst klar zu differenzieren und eine Entscheidung zu fällen. Eigens dazu entwickelte Farbsensoren ermöglichen klare Bilder ohne Pixel-Interferenzen.

Elektronische Startpistole: Ein fairer, gleichzeitiger Start ist im Sport von entscheidender Bedeutung. Bei traditionellen Startpistolen hörten die Athletinnen und Athleten auf den am weitesten entfernten Bahnen den Schuss einen Sekundenbruchteil später. Die elektronische Startpistole von Omega ist mit Lautsprechern hinter jedem einzelnen Wettkampfteilnehmer verbunden. Wenn der Startrichter den Auslöser betätigt, wird ein Lichtblitz ausgelöst, ein Startimpuls an das Zeitmessgerät übermittelt und hinter jeder Athletin, jedem Athleten ein akustisches Signal abgespielt.

Computer-Vision-Technologie: Erstmals wird beim Wasserspringen Computer Vision verwendet, eine Kombination aus Einzel- oder Multikamerasystemen. Diese speisen KI-Modelle, die für jede Sportart speziell trainiert wurden. Eine Kombination aus KI und mathematischen Algorithmen erstellt eine 3-D-Ansicht des Sprungs mit Bilddaten und berechnet unter anderem Luftzeit und Geschwindigkeit beim Eintauchen. Neben der Körperhaltung wird auch die Distanz zwischen dem Athleten und dem Sprungbrett während des Sprungs aufgezeichnet. Diese Sicherheitsmarge ist ein Mindestabstand, der bei jedem Sprung eingehalten werden muss.

Leichtathletik-Startblöcke: Sensoren in den Startblöcken messen die Kraft, mit der Athletinnen und Athleten gegen die Fussstütze drücken, 4000-mal pro Sekunde. Im Falle eines Fehlstarts sendet das Erkennungssystem die Kraftmessungen sofort an einen Computer vor Ort und erstellt eine Kraftkurve. Mit dieser können die Startrichter die Reaktion visuell analysieren. Die Regeln von World Athletics legen die Mindestzeit der physiologischen Reaktion auf
100 Millisekunden (eine Zehntelsekunde) fest. Jede Reaktion, die unterhalb dieser Grenze stattfindet, gilt als vorzeitig.

Von Richard Widmer am 21. Juli 2024 - 09:00 Uhr