Im Herbst 2018 hat Lucas Fischer, 29, seine Homosexualität öffentlich gemacht. Ein Jahr später verkündet er, verliebt zu sein – um wen es sich bei seinem Partner handelt, möchte er hingegen nicht verraten.
Mit dem Ja des Nationalrats zur «Ehe für alle» vom Donnerstag aber werden beim Vize-Europameister am Barren von 2013 sogleich Gedanken an eine mögliche eigene Hochzeit wach. In aller Deutlichkeit – mit 132 zu 53 Stimmen bei 13 Enthaltungen – hat sich die Grosse Kammer für die gleichgeschlechtliche Ehe ausgesprochen. Doch zum Feiern ist Fischer noch nicht zumute: Noch hat der Ständerat sein Einverständnis nicht gegeben. Im Interview erzählt er, welchen Wert der Entscheid für die LGBTQ-Community trotzdem bereits hat, welche Chancen er der «Ehe für alle» einräumt – und weshalb er plötzlich selber ans Heiraten denkt.
Lucas, die «Ehe für alle» hat vom Nationalrat grünes Licht erhalten. Welche Gefühle löst das in dir aus?
Endlich!!! Es wurde höchste Zeit. Ich freue mich sehr darüber, dass wir der Gleichberechtigung einen Schritt näher kommen. Liebe ist Liebe und sie ist beim besten Willen nicht der Feind.
Ein grosser Schritt in Richtung Gleichberechtigung, nur eine Etappe auf dem Weg, der schon lange andauert – was bedeutet dir das Ja des Nationalrats?
Es stimmt mich glücklich, dass der Nationalrat diesen wichtigen Entscheid für viele Menschen in der Schweiz gemacht hat. Und es ist schön zu sehen, dass die Entscheidung so eindeutig war.
Inwiefern ist es eine Genugtuung, dass sich nun endlich etwas tut?
Es ist erst eine Genugtuung, wenn es wirklich sicher durchkommt. Aber es fühlt sich ein wenig erleichternd an.
Wie feierst du den Entschied des Nationalrats?
Ich feiere erst, wenn es tatsächlich eine Gesetzesänderung gibt. Dazu muss auch der Ständerat grünes Licht geben. Die Entscheidung wird im Herbst erwartet.
Wie schätzt du die Chancen ein?
Ich glaube daran, dass es klappen wird. Die Liebe wird siegen.
Vergangene Woche war das Thema im Nationalrat noch vertagt worden. Inwiefern hattest du damals damit gerechnet, dass sich nichts verändern wird?
Ich war einfach enttäuscht, dass genau dieses Thema wieder aufgeschoben wurde. Natürlich herrscht mit dem Coronavirus momentan ein Ausnahmezustand. Aber ein solcher herrscht in der Community seit Anbeginn der Zeit, weil wir nicht die gleichen Rechte haben wie Hetero-Paare. Darum war ich enttäuscht, dass man genau dieses Thema wieder aufgeschoben hat. Aber jetzt ist ja alles auf dem richtigen Weg.
Der Nationalrat sprach sich auch dafür aus, dass die Samenspende für lesbische Paare erlaubt werden soll. Die Gegner argumentierten, dass damit eine neue Ungleichheit geschaffen werde, weil schwulen Ehepaaren der Weg zum Kind versperrt bleibt, da die Leihmutterschaft hierzulande nach wie vor verboten ist. Wie stehst du dazu?
Ich finde, die Richtung stimmt, und es ist klar, dass es auch diesbezüglich wieder Diskussionen geben wird. Aber ich finde es total schön und positiv, dass es für lesbische Paare erlaubt werden soll. Das ist doch toll!
Das heisst allerdings, dass schwule Paare auf legalem Weg noch keine Kinder in der Schweiz kriegen können, wollen sie keine adoptieren. Inwiefern erachtest du das als unfair?
Ich finde es falsch, von Unfairness zu reden. Weil manchmal kann man nicht alles auf einmal haben. Es hat so lange gedauert, bis der Schritt, der jetzt passiert, endlich auf den Tisch kam – und das mit vielen Umwegen. Deswegen müssen wir uns gedulden und uns weiter dafür einsetzen, dass jede Liebe gleich behandelt werden soll.
Welchen Einfluss hat das Ja des Nationalrats auf deine eigene Beziehung?
Kein Kommentar.
Was bedeutet dir das Heiraten?
Ich glaube, als Hetero hätte ich nie heiraten wollen. Aber jetzt, so symbolisch, würde ich es sehr schön finden. Und ich finde auch, dass es ein schöner Liebesbeweis ist.
Vorausgesetzt, auch der Ständerat sagt Ja: Wann lesen wir von der Hochzeit von Lucas Fischer?
Das kann ich beim besten Willen nicht sagen, aber träumen kann man ja!