Fast aus jeder Ecke schauen sie einen an: Dinosaurier! Ob als Spielzeug oder Lampe, Plüschtier oder Wandbemalung. Doch wer hier des-halb einen Kinderhort vermutet, liegt falsch – obschon auch der Lärmpegel darauf hindeutet. Das Dinosaurier-Paradies sind die Redaktionsräume von «Izzy Projects» in Zürich. «Eine Bedeutung haben die Dinos nicht. Sie sind einfach cool und gehören zu unserer Familie», sagt Cedric «Cedi» Schild (31).
Spitzbübisch führt der Comedian und Journalist aus: «Unser Chaos muss so sein. Es ist neben unserer Eigenständigkeit mit ein Faktor für unseren Erfolg.» Und als Nächstes würde er wohl behaupten, «dass der Kühlschrank auf Beinen davonläuft», wirft Larissa Langone (31) mit gespielt vorwurfsvollem Blick ein – und erklärt auch gleich ihre Rolle bei «Izzy»: «Nebst dem, dass ich der Moralkompass im Team bin, sorge ich dafür, dass mit den Jungs nicht alles aus dem Ruder läuft.»
Sauberkeit und Chaos hin oder her. So ganz unrecht hat Cedi als Aushängeschild der munteren Truppe mit dem Erfolg nicht. Der ist beachtlich. Ob inszenierte Kornkreise oder aufgedeckte Sicherheitslücken bei der Schweizer Armee: Seit der Gründung 2017 sorgen die fünf «Izzy»-Macher mit ihren Kurzvideos in den sozialen Medien regelmässig für nationalen Gesprächsstoff. Jüngst ist ihnen ein neuer Coup gelungen, den sie in einem 80-minütigen Dokumentarfilm festgehalten haben.
In «Die Enkeltrick Betrüger» machen Cedric & Co. Jagd auf Kriminelle, die mit Telefonanrufen gezielt ältere Menschen um Geld und Wertsachen bringen wollen. Dabei setzen die Gauner vor allem auf Schockmomente bei den Opfern, behaupten etwa, dass Angehörige einen Unfall verursacht hätten und nun in U-Haft sitzen. Die Angerufenen könnten gegen Zahlung hoher Geldbeträge weiteres Ungemach von ihren Angehörigen abwenden. Während die Drahtzieher dieser Betrugsmasche meist im Ausland sitzen, schicken sie Komplizen in der Schweiz für die Geldübergabe an die Haustüren ihrer Opfer oder eben – wie im Film gezeigt – vor das Büro der Redaktion, wo die Ganoven-Kumpane bis zum Eintreffen der Polizei von der «Izzy»-Crew festgehalten und verfolgt werden.
Was fiktional klingt, ist Realität. 29 Festnahmen wegen Telefonbetrugs gab es 2023, fünf davon sind den jungen Filmemachern zuzuschreiben. «Klar macht uns das stolz, doch angetrieben hat uns, dass wir Sensibilität für die Betrugsmasche schaffen und diesen Gaunern das Handwerk legen wollen», sagt Cedric bescheiden und lehnt sich im Stuhl theatralisch wie ein Kriminalkommissar zurück: «Die sind schlau, lernen dazu, entwickeln ihre perfiden Methoden weiter. Niemand darf sich in Sicherheit wiegen. Es kann jeden treffen.»
Erfahrung als Polizeipraktikant
Dass Schild Schurken hinterhereilt, ist nichts Neues. In der SRF-Erfolgsserie «Tschugger» verkörperte er bereits den Polizeipraktikanten Smetterling. In der Rolle spielte er sich in die Herzen des TV-Publikums. «Beide Projekte kann man nicht miteinander vergleichen», winkt er ab. «Bei einem handelt es sich um ein Filmset, an dem so gut wie alles durchgetaktet ist. Wir aber hatten es mit echten Kriminellen zu tun. Wir wussten nie, wann kommt ein Anruf und wie entwickelt sich alles. Das Adrenalin trieb uns an.»
Dass die Redaktion tief in die Strukturen der Betrüger eindrang, barg Risiken. In einigen Szenen sind Drohungen und Einschüchterungsversuche zu sehen und zu hören. Egal sind ihnen diese nicht. Sie sind sich aber einig: Journalismus verlangt, an Grenzen zu gehen. Wo diese liegen? «Für eine Recherche würde ich so weit wie nötig gehen, mich oder andere aber nie in Gefahr bringen», sagt Schild.
Cedis Blick wandert über den zugestellten Bürotisch und bleibt in der rechten Ecke hängen. «Habt ihr das schon gesehen? Das ist etwas, was mich ausmacht», sagt er und zeigt auf Bäbihuus-Möbel. «Wenn ich nicht arbeiten mag, stelle ich mir fest vor, dass ich mich in mein Wohnzimmer teleportieren kann. Dann gehts besser.» Da ist er wieder, der scherzhafte «Supercedi», den die Online-Welt kennt.
Gefragt nach seiner Art Humor, macht er eine Denkpause. «Die Spannbreite liegt zwischen einem Zwölfjährigen und einem Intellektuellen», ruft wer aus dem Büro. Verlegen schmunzelt Schild und gibt zu: «Das hat was. Es ist sehr von meiner Tagesform abhängig.»
Die ist besonders gut, wenn er morgens um drei Uhr für seine grosse Passion aufsteht: Fischen. Oft versucht Cedric noch vor der Arbeit sein Anglerglück und zielt am liebsten auf Egli ab. Heute ist, abgesehen von einem einsamen Alet, im Zürcher Schanzengraben saisonbedingt nichts gross zu holen. Doch der Fisch zeigt sich von Cedis Ködern unbeeindruckt. Auch die gekonnten Würfe aus dem Handgelenk helfen nicht. Der grosse Fang bleibt heute aus. Doch eines ist sicher: Ob Betrüger oder Fisch, früher oder später kriegt Cedric Schild sie doch an den Haken.
Die Dokumentation ist auf der Website enkeltrickbetrueger.ch verfügbar.