Orcas in der Stube, Haie im Büro, Seeanemonen in der Küche – sogar der Kater schläft in einem Fischkopf aus Plüsch: Im Zürcher Zuhause von Unterwasserfotograf Andy Schmid (46) und seiner Freundin Sarah Dovlo ist das Thema Meeresbewohner omnipräsent. Oder wie Sarah lachend sagt: «Alle müssen beim Fishgame mitspielen!» Auch der Umstand, dass in ihrer erst kürzlich bezogenen Wohnung Möbel fehlen, kann den beiden die gute Laune nicht nehmen. «Bei der Lieferung aus Deutschland gingen Stücke verloren, etwa das Bett, die Kleiderschränke sowie einige meiner Bilder», sagt Schmid. Aufgrund von Sarahs beruflichem Engagement als HR-Leiterin hat das Paar die letzten sechs Jahre in Köln gelebt.
Erst kürzlich ist es mitsamt Kater Django wieder in die Schweiz gezogen. Hier arbeitet Schmid als Wirtschaftsinformatiker. Vollzeit! Die Unterwasserfotografie ist für ihn trotz all seinen Erfolgen ein intensiv betriebenes Hobby. Mehrmals pro Jahr holt er sein Equipment aus dem Keller und fährt dann für eine oder mehrere Wochen an einen Tauchspot, um Meeresbewohner zu fotografieren. Oft zieht es ihn nach Norwegen, wo er im eiskalten Wasser seine Lieblingsmotive fotografiert: Orcas. Aber auch nach Mexiko, Ägypten, auf die Galapagosinseln oder die Malediven hat ihn seine Leidenschaft geführt.
Zur Unterwasserfotografie kommt der 46-Jährige vor über 20 Jahren. «Mit meiner damaligen Freundin machte ich einen Strandurlaub in Mexiko, besuchte einen Tauchlehrgang und war gleich angefressen.» Er beginnt intensiv zu tauchen und lässt sich zum Tauchguide ausbilden. «Um meinem Umfeld zu zeigen, was ich dabei sehe und wieso ich davon so faszinierend bin, habe ich mit Fotografieren begonnen.» Schmid bringt sich dabei alles selbst bei, entwickelt sich auch kameratechnisch immer weiter: von der kleinen Kompaktkamera bis hin zur heutigen mehrere Kilo schweren Unterwasserkamera mit Fischaugenobjektiv und selbst angebauter GoPro-Kamera.
Begegnung mit einem Buckelwal
Nebst dem technischen Know-how hat Andy Schmid den Ehrgeiz, neue und kreative Motive einzufangen. Er will Unterwasserbilder zeigen, wie man sie noch nie gesehen hat. «Dazu war ich die letzten sechs Jahre jeden Winter in Norwegen und habe dort bis zu drei Monate am Stück Orcas fotografiert.» So entsteht ein breites Portfolio dieser Säugetiere.
«Wenn ich eine Tierart nahe und speziell dokumentieren will, investiere ich sehr viel Zeit.» Dafür muss der Fotograf das Verhalten und die Charaktere der Tiere verstehen, muss herausfinden, was funktioniert und was nicht. «Vieles davon kann ich nicht nachlesen, sondern nur ergründen, indem ich es ausprobiere.» Zu diesem Zweck reist er immer wieder an seine Spots, fährt mit dem Schiff aufs offene Meer und fotografiert zu unterschiedlichen Tages- und Jahreszeiten. «Bei diesen Exkursionen bin ich allerdings nie alleine unterwegs, sondern mit anderen Fotografierenden. Sonst wären die Kosten gigantisch.»
Um einen Teil davon zu decken, präsentiert Schmid seine Arbeiten in Publikationen, verkauft sie an Private oder nimmt an Wettbewerben teil. Kürzlich gibts den renommierten World Nature Photography Award in der Kategorie «Unterwasser» für eines seiner Bilder. Dieses zeigt ein Orca-Weibchen bei seiner ausgeklügelten Jagd nach Heringen. «Orcas treiben Fische zu einer Art Ball zusammen, um sie so zu verwirren und einen möglichst grossen Happen zu erwischen.» Bei seiner Arbeit kommt Andy Schmid den Tieren extrem nahe. Das kann auch gefährlich werden: Bei einem seiner Tauchgänge wird er einst fast von einem Wal verschluckt. «Als ich in Norwegen Orcas bei der Jagd fotografierte, kam ein Buckelwal mit weit aufgesperrtem Maul von unten angeschwommen, um von der ‹Vorarbeit› der Orcas zu profitieren.»
Der Fotograf befindet sich zu diesem Zeitpunkt genau neben dem Schwarm. «Man konnte den Wal nicht kommen sehen, doch er muss meine Anwesenheit gespürt haben und umschwamm mich.» Und selbst wenn ihn der Riese erwischt hätte, dürfte er den Fotografen gleich wieder ausgespuckt haben: «Sein Mageneingang wäre zu klein, um einen Menschen zu schlucken.» Dennoch ists eine knappe Angelegenheit: «Hätte mich der Wal gerammt, hätte er mir alle Knochen brechen können.» Ans Aufhören hat Schmid trotzdem nicht gedacht. «Vor den Tieren fürchte ich mich nicht, aber ich setze mich vor jedem Tauchgang intensiv mit ihnen auseinander und weiss, was möglich ist und was nicht.»
Vom Tauchen an die Turntables
Etwas weniger riskant ist Schmids zweites Hobby: Er ist DJ. Nebst all den Tierbildern hängen nämlich auch einige Rapgrössen der 90er-Jahre wie Nas, Wu-Tang Clan oder Mobb Deep in der Wohnung. Auch ein DJ-Pult ist zu sehen. «Früher legte ich als DJ ‹N.D.› Rap und R’n’B auf. Auch heute höre ich nach wie vor ausschliesslich 90er-Jahre- Rap.» Dazu geniessen Andy und Sarah den Blick auf den Zürichsee.
Dass die beiden ihren neuen Wohnsitz in unmittelbarer Nähe zum See haben, sei eher Zufall. «Andy macht sich eigentlich nur etwas aus Gewässern, wenn darin ein potenzielles Bildmotiv lauert», sagt Sarah. Auch sie ist gelegentlich bei den Tauchgängen dabei. Allerdings nur, wenn es sich um warmes Gewässer handelt. Bei Schmids nächstem Tauchgang wird sie deshalb nicht mitmachen.
«Diesen November geht es einmal mehr nach Norwegen zu den Orcas», sagt Schmid. Fasziniert ist er von den Tieren, weil sie schön, klug und interessant seien. «Sie leben beispielsweise im Matriarchat. Ausserdem kommt es mit Säugetieren immer wieder zu spannenden Interaktionen – mit Fischen eher nicht.» So entstehen im November sicherlich weitere eindrucksvolle Bilder von Schmid. Für alle, die sich nicht in eiskaltes Wasser begeben, aber trotzdem wissen wollen, wie es unter der Meeresoberfläche ausschaut.