Die ersten Jahre von Micha, 49, und Jan Dettwyler alias Seven, 43, spielen sich zum grössten Teil innerhalb weniger Quadratkilometer ab. Die Brüder wohnten einst nämlich direkt hinter dem Kindergarten und dem Primarschulhaus von Wohlen AG. «Wenn wir daheim am Morgen jeweils die Schulglocke läuten hörten, rannten wir los», erzählt Seven lachend.
Ebenfalls gross ist das Gelächter, als die beiden vor ihrem ehemaligen Elternhaus eine Szene aus ihrer Kindheit nachspielen: Micha, der seinem kleinen Bruder das Velofahren beibringt. «Ich bin bis heute nicht sicher, ob das eine gute Idee war», meint Micha Dettwyler grinsend. Die Folgen im Lauf der Jahre: diverse Brüche und Hirnerschütterungen. Noch sehr gut ist Seven auch der Tag im Gedächtnis geblieben, an dem er mit dem frisch von Micha geerbten BMX die Schulhaustreppe runterspringen wollte, es aber nicht ganz schaffte. Resultat: ein Armbruch und ein geschrottetes Velo.
Auch wenn die Kindheit hin und wieder schmerzhaft ist – «hier aufzuwachsen war echt cool», bestätigt Seven und spienzelt in den Garten, in dem er als Bub herumtollte. Die Eltern wohnen mittlerweile ein paar Häuser weiter, auch Micha lebt mit seiner Familie gleich um die Ecke.
Die sechs Jahre Altersunterschied zwischen den Brüdern sorgen damals zwar dafür, dass sie in sehr unter schiedlichen Umfeldern aufwachsen. «Aber es gab nie ein Konkurrenzverhältnis zwischen uns wie sonst oft bei Brüdern», sagt Seven. Im Gegenteil, der Kleine bewundert den Grossen, sieht in ihm ein Vorbild. So ist es auch nicht verwunderlich, dass Micha eine genauso grosse Rolle bei Sevens Musikkarriere spielt wie die Eltern der beiden. Diese sind immerhin Berufsmusiker, der Vater Tenor und Gesangslehrer, die Mutter Pianistin.
«Die Hierarchie hat gewechselt. Das war zwar irgendwie logisch, hat sich aber trotzdem komisch angefühlt.» Micha Dettwyler
Klein-Jan lernt Geige spielen – «ich habe heute noch ein Faible für Streicher», Micha bringt ihm Schlagzeug bei. Mit 18 ist der Ältere Drummer in einer Funk- und Soulband. Als der kleine Bruder an einem Familienfest «When a Man Loves a Woman» von Percy Sledge zum Besten gibt, engagiert Micha ihn vom Fleck weg als Sänger – Jan ist damals zwölf. Und kann nicht Englisch. «Ich sang einfach irgendetwas, das danach klang.»
Früh zeichnet sich ab, dass die Brüder Dettwyler Berufsmusiker werden. Dass ihr Weg dahin ein total unterschiedlicher sein wird, ebenfalls. Micha wählt den klassischen Weg, studiert Schlagzeug, absolviert eine pädagogische Ausbildung. Heute unterrichtet er an der Regionalen Musikschule Wohlen, wo er einst selbst die ersten Drum-Beats übte. Jan organisiert schon früh Partys und Konzerte, betreut auch die wirtschaftliche Seite. Nach der Matura verkauft er eine Zeit lang Schuhe, macht Musik, veranstaltet Partys, knüpft Kontakte. Zahra – damals seine Freundin, heute seine Frau – «füllte mir öfter mal den Kühlschrank», gesteht er.
2002 gibt Jan Dettwyler unter dem Künstlernamen Seven sein erstes Album «Dedicated To …» heraus. Er braucht eine Liveband – und fragt Eat the Jam, wie sich die Band, in der die Brüder seit zehn Jahren spielen, damals nennt. Ein schwieriger Moment. Denn Micha, bisher Bandleader, muss diese Funktion an seinen jüngeren Bruder abgeben. «Die Hierarchie hat gewechselt. Das war zwar irgendwie logisch, hat sich aber trotzdem komisch angefühlt», sagt Micha Dettwyler. Es funktioniert, «weil wir uns beide auf unsere je neue Rolle eingelassen haben», sagt Seven. Es folgen 298 Songs («Und ich schäme mich für keinen!»), elf Studioalben, sieben mal Edelmetall, 15 Tourneen, Auftritte im Vorprogramm von Destiny’s Child und Lionel Richie.
«Wir machen, was wir immer machen: Musik. Ich glaube, meine Buben fänden es viel spannender, einem Schreiner zuzuschauen.» Seven
2006 ist Seven der erste Europäer, der das berühmte Sundance Film Festival im US-Bundesstaat Utah eröffnet. Immer mit dabei: der grosse Bruder. Micha ist jahrelang Sevens Schlagzeuger, wechselt dann zum Backgroundgesang. «Da ich fast täglich Schlagzeug unterrichte, macht mir auf der Bühne das Singen sehr viel Spass», meint er.
2016 nimmt Seven an der TV-Show «Sing meinen Song – Das Tauschkonzert» des deutschen Senders Vox teil, wo er unter anderem Nenas «99 Luftballons» singt. Als die Sendung 2020 in die Schweiz importiert wird, wird Seven ihr Gastgeber. Die dritte Staffel läuft demnächst auf 3+. Dabei amtet Seven erneut als Gastgeber, umgeben von den Musikerkolleginnen und -kollegen Stress, Noah Veraguth, Melanie Oesch, Dabu Bucher, Caroline Chevin und Naomi Lareine. Ebenfalls mit dabei: seine Band, inklusive Micha. Während der eine oder andere Schlagzeugschüler durchaus beeindruckt ist von Michas TV-Präsenz, sind es seine eigenen Kinder – sie sind zehn, acht und vier Jahre alt – genauso wenig wie Sevens elf und vier Jahre alten Söhne. «Wir machen, was wir immer machen: Musik. Ich glaube, meine Buben fänden es viel spannender, einem Schreiner zuzuschauen», meint Seven.
Mit «Sing meinen Song» hat er nicht nur TV-Blut geleckt, sondern auch den Spass an der deutschen Sprache entdeckt. 2020 ist «Brandneu» erschienen, jetzt, zum zwanzigsten Karrierejubiläum, doppelt Seven mit «Ich bin mir sicher!» nach. «Es hat sich so entwickelt und fühlt sich richtig an», sagt er. Ob Seven sich auch mal vorstellen könnte, in Dialekt zu singen? «Wer weiss. Sag niemals nie.»