Eigentlich hätten Alisha Lehmann, 21, und Ramona Bachmann, 29, in diesen Tagen die letzten Meisterschaftsspiele in England absolviert. Womöglich hätte es das Schweizer Fussball-Traumpaar, das gemeinsam in London wohnt, gar schon in die Ferien verschlagen. «Nach Dubai vielleicht», sagt Lehmann. Auch eine Reise in die USA wäre im Sommer geplant gewesen.
Daraus wird nichts. Anstelle des berühmten Schriftzugs in den Hollywood Hills werden die beiden nun von Corona-Plakaten bei der Ortseinfahrt in Münsingen BE willkommen geheissen. Hier wohnen West-Ham-Angreiferin Lehmann und Chelsea-Stürmerin Bachmann zurzeit. Im 400-Seelen-Ortsteil Tägertschi sind die zwei in Alishas Elternhaus bei Mama Sarah, 48, und Stiefvater Reto, 39, untergekommen. «Wir sind nicht von zu Hause weg, sondern dahin zurückgekehrt», sagen die Sportlerinnen einstimmig.
Mit Alishas Schwestern Shona, 17, und Dilara, 11, gibt es zwei weitere Mitbewohnerinnen. Der Rest bewegt sich auf vier Beinen: sieben Hunde, zwei Pferde, ein Pony, zwei Schweine, zwei Katzen und Meerschweinchen komplettieren die Wohngemeinschaft.
«Wenn wir jeweils nach London zurückkehren, nehmen wir immer ein Päckli Rösti und ein bisschen Schoggi mit.»
Die Londoner Grossstadt ist im Berner Mittelland weit weg. Statt Metro und Megastores gibt es hier Muhen und die Migros. Sehr zur Freude von Lehmann. Die Schweizer Qualität der Lebensmittel vermisst sie in England, wohin sie mit 19 für den Fussball gezogen ist. «Wenn wir jeweils nach London zurückkehren, nehmen wir immer ein Päckli Rösti und ein bisschen Schoggi mit», verrät Alisha.
Daran, wieder ein Fresspäckli zu packen, ist momentan nicht zu denken. Wann es zurück nach London geht, wissen Lehmann und Bachmann nicht. Die Saison der Women’s Super League ist Ende Mai abgebrochen worden. Ob und wie sie gewertet wird, ist noch unklar. Und in den Sternen steht, ob die Vorbereitung auf die kommende Spielzeit nach Plan verläuft. Die Tage der Bernerin und der Luzernerin sind vor allem von Ungewissheit geprägt. Doch auch Dankbarkeit mischt sich dazu: «Seit ich mit 16 ins Ausland gegangen bin, um Fussball zu spielen, war ich nie mehr so lange am Stück in der Schweiz», sagt Bachmann.
Mitte März kehrt das Paar für ein Fotoshooting heim in die Schweiz. Zwar habe es beim FC Chelsea damals schon Empfehlungen gegeben, nicht mehr herumzureisen, sagt Bachmann. Aber der Termin wurde nicht abgesagt, «also sind wir gekommen». Doch just als sie ins Flugzeug zurück nach England steigen wollen, bekommt Ramona einen Anruf vom Verein. «Wären wir zurückgeflogen, hätten wir in Quarantäne gehen müssen», sagt Alisha. Sie entscheiden sich, eine Nacht zu bleiben. Am darauffolgenden Tag wird auch Alisha darüber informiert, dass kein Training mehr stattfindet. Aus der geplanten Nacht sind bereits mehr als zwei Monate geworden.
Einmal pro Woche haben die zwei eine Videokonferenz mit ihren Klubs. Ansonsten trainieren sie zu zweit. «Das macht die Sache einfacher», sagt Bachmann. Ausgestattet wurden sie mit Trainingsprogrammen, zudem können sie auf dem Fussballplatz im nahen Biglen trainieren. Seit dies wieder möglich ist, gehen sie zusammen ins Fitnessstudio. Doch von Normalbetrieb kann keine Rede sein. «Wir vermissen Fussball sehr», sagt Bachmann.
Trotzdem versuchen sie, das Positive zu sehen – und die Zeit für anderes zu nutzen. Seit drei respektive sieben Wochen sind die beiden Zwergspitze Jacky und Loui nun Teil der Familie. Schon immer haben sich die Sportlerinnen einen Hund gewünscht, was angesichts des Trainings aber unmöglich war. Zu viel Zeit hätte ein Welpe beansprucht. «Die Zwangspause in Corona-Zeiten hat eine unverhoffte Möglichkeit geboten», erzählt Bachmann. «Wenn nicht jetzt, dann nie.» Nun sind sie stolze Frauchen ihrer «Babys». Die Welpen sollen mit nach England kommen, sobald es möglich ist. «Es ist wunderschön, wie viel Liebe sie dir geben», sagt Lehmann.
Liebe geben sich die Stürmerinnen seit 2018 auch gegenseitig. Am 1. Juni feiern sie ihr gemeinsames Jubiläum. «Es waren zwei wundervolle Jahre», bilanziert Alisha. Kennengelernt haben sie sich in der Nati – Lehmann, die Nachwuchshoffnung von YB, und Bachmann, Alishas Vorbild, der Star. Als sie sich plötzlich «etwas länger anschauten», so die Bernerin, sei es um sie beide geschehen. Seither sind sie «ein Team», sagt Bachmann. «Wir führen unser Traumleben.» Streit kommt nie vor. Nur wenn Alisha beim Spieleabend am Handy ist, gibt es eine Gelbe Karte von ihrer Freundin. «Das hasse ich!», sagt Ramona. Sie hingegen muss sich einen Rüffel anhören, wenn sie morgens früh rausmuss. «Dann kommt sie hundertmal ins Zimmer rein, sodass ich aufwache», beschwert sich Alisha. «Da denke ich gar über die Rote Karte nach!» Dem frühmorgendlichen Frieden zuliebe zieht sich ihre Partnerin nun draussen vor dem Zimmer um.
Die Qualifikationsrunde ihrer Liebe haben sie nach zwei Jahren Beziehung überstanden. Ein möglicher Final sieht Ramona auf dem Platz. «Einmal mit Alisha an einer WM oder EM spielen – das wärs!» Die nächste Gelegenheit, die EM in England, wurde bereits um ein Jahr in den Sommer 2022 verschoben. Für die Schweiz sieht es bislang aber gut aus: vier Siege in vier Qualifikationsspielen. Ob sich Ramonas Wunsch erfüllt? «Es wäre ein Highlight – nicht nur als Teamkolleginnen, sondern auch als Paar.»