In der Vitrine der Bäckerei Bieri in Schangnau BE glänzen zwischen Spitzbuben und Meringues Beats Olympiagold-Berliner – mit Goldstaub verzierte Kugeln. «Als Beat noch hier wohnte, hat seine Mutter zu seinem Geburtstag immer so viele Berliner bestellt, wie er gerade alt wurde», erklärt Bäckereichefin Anita Wüthrich, 58. Darum würdige sie seinen Olympiasieg nun mit einem goldenen Berliner. 180 Stück sind am Vortag über die Theke gegangen. Wüthrich freuts: «Wissen Sie, es ist nicht einfach, hier hinten zu geschäften.»
Das «hier hinten» heisst Schangnau und ist ein Dorf im tiefsten Emmental. Es wirkt wie ein charmantes Überbleibsel aus Gotthelfs Zeiten, ältere Holzhäuser sind in der Gegend verstreut wie weidende Kühe. Aber eines gemahnt zweifellos ans moderne Heute: die Skilifte Bumbach Schangnau.
Hier hat die Karriere von Beat Feuz begonnen. Hier ist er mit 23 Monaten das erste Mal auf Ski gestanden. An diesem sonnigen Morgen, am Tag drei nach dem Olympiasieg, steht Beats Vater Hans, 57, unten am Kinderlift und reicht den Kleinsten die Griffbügel. Als Betriebsleiter ist er im Winter fast 80 Tage im Einsatz – neben seiner Arbeit als Landwirt.
Er sehe hier «allergattig Sachen», sagt er und meint das durchaus positiv. Gstabige Kinder, die sich die Lattli um den Grind schlagen. Aber auch solche, die so gewieft manövrieren, dass er nur noch staunen könne. Und dann die nervösen Eltern vor dem Start der Skischule und das Geschrei der Kinder. Eines «plääre» eigentlich immer, sagt er und lacht. Am Skilift menschelt es gewaltig –und das scheint Hans Feuz zu mögen.
Wie ist das für einen Vater, einen guten Skifahrer notabene, wenn ihm der Sohn schon als Zehnjähriger um die Ohren saust? «Das hat familienintern schon zu reden gegeben», sagt Feuz im Gasthof Rosegg am Pistenrand. Er erinnert sich an ein Skiklubrennen, bei dem er beweisen wollte, dass er die Nase noch vorne hat. «Ich gab Vollgas, aber dann hat es mich gottsjämmerlich an den Ranzen gestellt.» Da sei ihm klar geworden: «Das wars!»
Fabian Haas, 37, einer von Beats ältesten und engsten Freunden, kennt diese Episode. Er ist mit Beat aufgewachsen, schaut heute noch fast jedes Rennen mit Hans. Nach einer längeren Reise wohnt er momentan wieder in Schangnau, arbeitet vom Homeoffice aus als Controller. «Vor der Olympiaabfahrt hat es mich vor Nervosität fast zerrissen», sagt er, der mit seinem Freund vor allem über Whatsapp kommuniziert. «Wir sind beide keine Telefonierer.» Überrascht sei er über Beats Emotionen nach der Abfahrt gewesen: «So habe ich ihn noch nie erlebt.»
Nun, dieser Beat – er überrascht immer wieder. Dass er einmal zu einem so hingebungsvollen Vater würde, auch das war für Haas nicht voraussehbar. «Er hatte ja vorher kaum mit Kindern zu tun.» Aber wenn er an seine verspielte Art denke, an all den Schabernack, den sie in der Kindheit gemacht hätten, an Beats «Kobold-Glück» – «dann passt das hervorragend».
Beat Feuz’ zweite Tochter, die vierwöchige Luisa, hat noch nicht einmal der Grossvater gesehen. Wegen Corona herrschte vor den Rennen striktes Besuchsverbot. Umso mehr freut sich Hans, wenn sein Sohn am Saisonende heimkehrt. Dann kann er vielleicht zum ersten Mal seiner Enkelin Clea den Bügel reichen.