Ob Frosch, Hund oder Delfin, für seine Tochter macht sich Satiriker Patrick «Karpi» Karpiczenko, 36, nicht nur mittags auf dem Spaziergang unter der Sihlhochstrasse Richtung Allmend lautstark zum Affen. «Sie bekommt von ihm andere Unterhaltung als ich, nämlich tierische», sagt Partnerin und Regisseurin Natascha Beller, 40. «Ihr erstes Wort war ‹Uh-uh, ah-ah›», meint er stolz. «Die Kinderärztin hat uns bestätigt, dass Tiergeräusche zählen.» Für Knacknüsse wie Giraffe, Qualle oder Fuchs hat der Komiker, der für die ETH Zürich gar eine digitale Version von Physikgenie Albert Einstein spricht, eine Lösung. «Wie sagt der Fuchs? ‹Tschou, i bi dr Fuchs.›»
Als Vater der 20 Monate alten Tochter blüht Karpi auf. «Wenn sie Seich macht, finde ich es lustig, was sie wiederum motiviert, den Seich zu wiederholen.» – «Und Kinderessen wie Pasta, Ravioli und Wienerli hattest du schon immer gern», sagt Beller.
Dank dem kleinen «Müsli» kam ihm auch die gefuchste Idee eines neuen TV-Formats: «Babywalk». Darin geht er mit Berufskollegen wie Mike Müller oder Lara Stoll inklusive dem mit einer 360-Grad-GoPro-Kamera ausgestatteten Kinderwagen spazieren. Die Mini-Drohne steuert unter anderem Beller. «Mit meinen Gästen unterhalte ich mich über deren Beruf», sagt Karpi. «Doch durch meine Tochter entstehen unberechenbare Situationen. Auf die reagieren wir spontan und geben so Einblicke in das Privatleben oder antworten auf die heikle Kinderfrage.» Somit ist die Kleine die heimliche, «aber unbezahlte» Regisseurin.
Progressiver Akt?
Nur erfunden ist das Format nicht, denn Natascha Beller und Karpi gehen tatsächlich jeden Tag spazieren, damit ihre Tochter überhaupt ein Mittagsschläfchen hält – er gern in Begleitung. Aber: «Ginge Natascha mit Kind und einer prominenten Person spazieren, wäre es Klischee – bei mir als jungem Vater ist es ein progressiver Akt.»
Kleiner Prinz
Dass ihre Tochter nicht mehr ein Baby ist, sondern grösser wird, sorgte anfangs beim Schweizer Fernsehen – «Babywalk» wird monatlich bei «Gesichter & Geschichten» ausgestrahlt – für Bedenken. «Ich sagte dann, dass wir im Notfall ein zweites machen», so Beller, die mit einem Bruder aufwuchs und Autorin des Films «Die fruchtbaren Jahren sind vorbei» ist. Karpi, als «Einzelkind und kleiner Prinz» gross geworden, ergänzt: «Das Ziel ist, dass wir 30 bis 40 Staffeln machen und am Schluss von unserer Tochter geschoben werden.»
Als Vater und Mutter, die sich für die Elternzeit engagieren, hat das Paar eine neue Work-Life-Balance gefunden. Zuvor waren beide Workaholics, arbeiteten Tag und Nacht, wenn sie kreative Ideen hatten. «Ich musste eine ganz neue Arbeitsweise lernen», sagt Beller, die aktuell nicht dreht, sondern an Drehbüchern schreibt und so auf ein 60-Prozent-Pensum kommt. «Es dauerte fast zwei Jahre, bis wir herausfanden, welche Jobs mit Kind gut vereinbar sind.» Auch Karpi liegt mit seinen kleineren Formaten bei 60 Prozent. «An ihnen kann ich gut zu Randzeiten basteln, das ist sehr idyllisch. Eine wöchentliche Satire-Show wie früher ‹Deville› ist für mich aktuell unvorstellbar.» Ihre Aufmerksamkeit und auch ihre Arbeit seien stark auf die Tochter ausgerichtet. «Ja, wir sind Helikopter-Eltern. Unsere Tochter wiederum liebt die Kita», sagt er lachend.
Extrem frech
Neben «Babywalk» realisiert Karpi das satirische Format «Switzerland Says Sorry». Im Namen der Schweiz entschuldigt Karpi sich darin auf dem Onlineportal Swissinfo für diverse Taten – zum Beispiel für die Emil-Bührle-Sammlung des Kunsthauses Zürich. «Sich für die Schweiz zu entschuldigen, so habe ich gemerkt, finden vor allem ältere weisse Männer extrem frech.» Wieso er der Richtige sei, der um Vergebung bittet? «Weil sonst niemand will!» – «Hatte sie schon etwas in den Windeln?», wechselt Karpi abrupt das Thema. «Noch nicht.»
Tauschten sich Natascha und Karpi früher meist über die Arbeit aus, seien Fäkalien aktuell schon sehr präsent. «Auch der Humor wurde einfacher, muss ich gestehen.» – «Abe!», ruft die Kleine aus dem Kinderwagen. Sie wächst zweisprachig auf: «Mit Züri- und Bärndütsch», so Karpi. Und «Popo», Nataschas Mutter, spricht mit ihrer Enkelin Chinesisch. «Mapa!», ruft nun die Kleine ihr Pärliwort für die Eltern. Und schwups hat sie deren Aufmerksamkeit.
Das Patriarchat schlägt zurück
Doch wer denkt, dass sich bei Karpi nun wirklich alles um die Tochter dreht, irrt gewaltig. «Wir modernen Väter bringen uns zwar zu Recht mehr ein bei der Erziehung», sagt er. «Aber wir treffen uns mit anderen Vätern zum ‹Playdate›, um zu networken.» Dabei seien schon diverse Projekte entstanden. Er lacht laut: «Das Patriarchat findet auch so seinen Weg und schlägt zurück!»