Regula Esposito (59) und Fredy Bickel (59) sind nicht aus Zuckerwatte. In ihren Jobs – sie als Komikerin, er der Fussballmanager – kennen sie Zeitdruck und öffentliche Erwartungshaltung ganz genau. Doch was die beiden derzeit erleben, sprengt den Rahmen – selbst mit der Lebenserfahrung von 59 teils wilden Jahren. «Wir starten von 0 auf 100», sagt Fredy und korrigiert sich sofort, «eigentlich ist es von minus 100 auf plus 100.» Esposito ergänzt augenzwinkernd: «Man kann von einem Kavaliersstart sprechen – wenn die Räder beim Auto so richtig durchdrehen.»
Anfang Jahr haben die beiden die Pacht des altehrwürdigen «Rössli» im Zentrum von Mettmenstetten übernommen, ab Februar empfangen sie die ersten Gäste.
Bickel sagt: «Ich bin hier aufgewachsen, und das ‹Rössli› war immer der wichtigste Treffpunkt im Dorf.» Zuletzt sei dies etwas verloren gegangen, aber Bickel möchte das korrigieren: «Wir wollen den Einheimischen das ‹Rössli› zurückgeben – doch zuerst müssen wir noch einen mittleren Kraftakt leisten. Die Arbeitstage beginnen bei Sonnenaufgang – und enden spätabends.»
Das lokale Gewerbe hat Vortritt
Konkret heisst das: alte Teller aussortieren, Finanzierungsdetails klären, die Handwerker einweisen, das Menü erstellen, die Einladungen für den Eröffnungstag verschicken. Den Neuwirten ist es vor allem wichtig, dass sie bei all den Aufträgen das lokale Gewerbe berücksichtigen. Bickel führt aus: «So lässt sich Vertrauen schaffen – und die sprichwörtliche Win-win-Situation kreieren. Wenn alle voneinander profitieren, stimmt es.»
Esposito, die in ihrem Kabarettistinnenleben als «Helga Schneider» dem Publikum den Marsch bläst, hat sich von ihrem Partner zu einem Abenteuer mitreissen lassen, bei dem niemand so recht weiss, wohin es führt. Fürs Erste achte sie auch darauf, dass niemand einen Farbschaden an den Kleidern davontrage: «Die Malerin hat Ausbesserungsarbeiten verrichtet. Aber man sieht erst, wo genau, wenn die Jacke einen neuen Farbton hat.»
«Ein Restaurant ist wie eine Bühne des Lebens»
Regula Esposito
Bis die Gäste das frische Ambiente geniessen können, gibt es noch viel zu tun – «fast unvorstellbar viel», sagt Bickel: «Ich weiss, was es braucht, eine erfolgreiche Fussballmannschaft zusammenzustellen – aber die Gastronomie ist für mich Neuland.»
Das Gleiche gilt für Esposito: «Ein Restaurant ist zwar wie eine Theaterbühne des Lebens – doch in diesem Schauspiel war ich bisher nur eine Statistin.»
Das wird sich aber schon bald ändern. Das «Rössli» ist nicht nur eine Dorfbeiz, denn das denkmalgeschützte Haus aus dem 16. Jahrhundert umfasst auf drei Stockwerken neben zwei grossen Gaststuben auch diverse Konferenzräume, einen grosszügigen Weinkeller mit Sitzmöglichkeit und einer Karaokeanlage – sowie im obersten Stock einen Theatersaal für 250 Zuschauer. Dort sollen künftig Theatervorführungen, Konzerte und andere Showanlässe stattfinden. Und schon bald wird auch Helga Schneider zu sehen sein: «Ein Kunde hat mich bereits für seinen Firmenanlass gebucht. Im eigenen Theater aufzutreten, wird ganz speziell.»
Dem Fussball immer verbunden
Das «Rössli»-Projekt verspricht einen hochinteressanten Mix. Die künftigen Gäste dürfen sich nicht nur auf ein kulinarisches Potpourri freuen. Bickel kündigt an: «Wir stürzen uns mit Enthusiasmus in diese grosse berufliche Herausforderung und wollen gute Gastgeber sein.» Dem Fussball werde er aber stets verbunden bleiben. Er könne sich durchaus eine Rückkehr vorstellen, in welcher Rolle auch immer.
Momentan aber geht Bickel voll in seiner neuen Rolle auf: «Ein frischer Lebensabschnitt beginnt.» Und auch Regula hegt seit Längerem den Wunsch, nicht nur als Komikerin ihr Publikum zu unterhalten, sondern auch die Verantwortung für kulturelle Programme zu übernehmen und so ihre 35-jährige Erfahrung als Kulturschaffende weiterzugeben. Die Feststellung, dass sie nun quasi die Mettmenstetter Antwort auf Viktor Giacobbo und dessen Winterthurer Casino sei, quittiert sie mit einem Lächeln.
Für Show und Publicity ist also gesorgt. Damit aber auch die Gastronomie von Anfang an funktioniert, haben sich die beiden professionelle Hilfe geholt – bei der gebürtigen Thailänderin Sangdao Sattapong sowie deren Ehemann Antar Pereiro, einem FCZ-Fan mit spanischen Wurzeln, der sich beim legendären Jacky Donatz im Restaurant Sonnenberg seine Sporen abverdiente.
In zwei Küchen werden die beiden für ein Angebot sorgen, das in der Region seinesgleichen sucht: Sangdao kocht thailändisch, Antar währschaft schweizerisch. So ist die Chance gross, dass im Gasthaus zum weissen Rössli alle auf ihre Kosten kommen – umso mehr, als Regula Esposito und Fredy Bickel sagen: «Wir versprechen hoch und heilig, dass wir nie selber kochen.» Denn die beiden wissen ganz genau: Beim Essen hört der Spass auf.