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Zwischen Kunst und Krempel

Bettina Stefanini ordnet das Millionen-Vermächtnis ihres Vaters

Bilder, Statuen, Devotionalien aus ­aller Welt – rund 100'000 Objekte ­erwirbt Bruno Stefanini. Daneben kauft er Schlösser und Mietshäuser. Hüterin seiner Hinterlassenschaft ist Tochter Bettina Stefanini.

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Die Arbeit geht ­Bettina Stefanini nicht aus. Zehn­tausende Schriftstücke gilt es noch zu sichten und zu katalogisieren.

Die Arbeit geht Bettina Stefanini nicht aus. Zehntausende Schriftstücke gilt es noch zu sichten und zu katalogisieren.

Geri Born

Die Schätze lagern kreuz und quer, gestapelt in Kellern, Estrichen und Bunkern. Darunter sind rare Kunstwerke und einiger Krempel. Bruno Stefanini behandelt das eine wie das andere: nachlässig. Gleich verfährt er mit seinen Immobilien. Die Häuser lässt er verlottern, die Kunstwerke verschimmeln. Dennoch kauft er wie ein Besessener weitere Besitztümer. Als er am 14. Dezember 2018 im Alter von 94 stirbt, ist er seit Jahren dement. Den jahrelangen erbitterten Streit um seine Nachfolge hatte zu diesem Zeitpunkt bereits ein Urteil des Bundesgerichts entschieden. Zugunsten der Tochter Bettina (60) und des Sohnes Vital (56).

Bettina Stefanini ist zu Hause in Dublin, als die erlösende Nachricht aus Bern kommt. In aller Eile packt sie. Drei Tage später ist der Umzug nach Winterthur vollzogen, und Bettina Stefanini obliegt es als Präsidentin der Stiftung für Kunst, Kultur und Geschichte (SKKG), gemeinsam mit ihrem Team die gigantische Sammlung ihres Vaters zu ordnen. Vor ihr liegt eine Herkulesaufgabe. «Mir war klar, dass ich das unmöglich von Irland aus bewerkstelligen konnte». Fast 30 Jahre hatte sie in Irland gelebt, hatte Haus, Mann, Sohn und Job. Zuerst als freischaffende Designerin von Textilien, Theaterkostümen und Bühnenbildern. Später studierte sie Paläoökologie und schrieb ihre Doktorarbeit zum Thema Umweltveränderungen.

Legendäre Figur

Bruno Stefaninis Eltern – sie Schweizerin, er Italiener – hatten ein Restaurant und besassen Immobilien, darauf baute Bruno Stefanini auf. Über ihn weiss in Winterthur jeder eine Geschichte. «Er liess die Häuser verlottern», sagen die einen, «Dank ihm konnten wir günstig wohnen», die anderen. Sein Geiz ist legendär. Aber er konnte auch spontan Arbeitern ein Tausendernötli in die Hand drücken. Er war Charmebolzen und gerissener Geschäftsmann, Festbruder und Frauenheld. Ende März kommt der Film «Die Hinterlassenschaft des Bruno Stefanini» in die Kinos. Realisiert hat ihn der Zürcher Filmer Thomas Haemmerli (61, «Sieben Mulden und eine Leiche»). Er porträtiert die komplexe Figur Stefaninis in ihrer ganzen Widersprüchlichkeit, spart nicht mit Schalk und Seitenhieben. Neben Sohn und Tochter kommt Stefaninis Ex-Frau Veronika zu Wort, dazu Jugendfreundinnen, Weggefährten, Kunstfachleute – und Christoph Blocher. Gemeinsam mit ihm hatte Bruno Stefanini einst ein Anker-Bild gekauft. Heute ist es alleiniger Besitz von Blocher, er kaufte Stefaninis Anteil ab.

Ambivalentes Verhältnis

Nein, sie wolle ihren Vater im Film nicht idealisieren, wehrt Bettina Stefanini ab. «Aber ich wollte, dass man seine vielen Facetten sieht, seine widersprüchliche Persönlichkeit erfasst und ihn nicht einfach in eine Schublade steckt. Das hat er verdient.» Zu ihrer grossen Erleichterung sei das Filmemacher Haemmerli sehr gut gelungen. Ihr eigenes Verhältnis zum Vater blieb zeitlebens ambivalent. 1971 verliess Mutter Veronika ihren Mann und zog mit den Kindern nach Bern. Sie sei wahnsinnig gern zum Vater nach Winterthur gegangen, erzählt Bettina Stefanini: «Er bedeutete Abenteuer, Freiheit, Energie.» Doch zu Weihnachten gabs statt Spielzeug eine Enzyklopädie. Das einzig «richtige» Geschenk bekam sie als Teenager: eine etwa 2,5 Zentimeter grosse etruskische Statuette. «Sie hat bis heute einen speziellen Stellenwert für mich. Und ja, ich hätte ihm gern die schönsten Sachen abgeluchst, aber das liess er nicht mit sich machen.»

Bruno Stefanini in den frühen 60er-Jahren mit seiner Tochter Bettina. Geschenke gab es von ihm kaum, dafür viel Spass und Abenteuer.

Bruno Stefanini in den frühen 60er-Jahren mit seiner Tochter Bettina. Geschenke gab es von ihm kaum, dafür viel Spass und Abenteuer.

ZVG

Bettina Stefanini ist in Winterthur und Bern aufgewachsen. Die Mutter sagt oft, sie habe gewisse Wesenszüge vom Vater geerbt. «Das sehe ich auch so», bestätigt die Tochter: «Genau wie er erkenne ich günstige Gelegenheiten und bin risikofreudig.» Heute ist das Erbe geordnet, die Häuser in der Altstadt sind weitgehend renoviert. «Es hat noch einige wenige Wohnungen mit Holzheizung und WC draussen in den Lauben», sagt Stefanini. Das meiste aber sei instand gesetzt. «So sanft wie möglich, mit Fokus auf Küchen und Nasszellen sowie die Isolierung.» Die neuen Mieten seien zwar höher, aber «nur so hoch wie nötig und nicht so hoch, wie sie sein könnten». Sie ist glücklich, dass drei Viertel der Mietenden in ihre Wohnungen zurückkehren.

Auch die Arbeiten am Kunstbestand sind praktisch abgeschlossen. Bettina Stefanini, heute SKKG-Direktorin, sitzt an einem Sitzungstisch im dritten Stock des Wintower, des ehemaligen Sulzer-Hochhauses, in Winterthur. Sie lacht und erzählt: «80 Personen haben eineinhalb Jahre gearbeitet, um die Objekte zu reinigen, zu katalogisieren und sachgerecht zu lagern.» Anders gesagt: Eine Person hätte ihr ganzes Arbeitsleben, von 15 bis 65, täglich acht Stunden, einsetzen müssen. Schätzungen über den Wert des ganzen Erbes, inklusive Immobilien, gehen von 500 Millionen bis – laut Wikipedia – 1,5 Milliarden Franken.

Nur Gutes über die Tochter

Über Bettina Stefanini kursieren in Winterthur kaum Geschichten. Dem Vernehmen nach sei sie sympathisch, heisst es. Sie schaffe offenbar Ordnung. Der Vater galt als Messie. Wie hält es die Tochter? Bettina Stefanini lacht laut, überlegt und sagt dann: «In Irland habe ich mich immer als sehr ordentliche und gut organisierte Person betrachtet. In der Schweiz liegt mein Standard aber offenbar eine Haaresbreite unter dem meiner Landsleute.» Sie wohnt in einer Stefanini-Wohnung in der Altstadt. «Total privilegiert», wie sie sagt. Und, ganz de Bappe, hat Bettina Stefanini Freude am Bauen. Unter ihrer Aufsicht entsteht derzeit in Oberwinterthur der Campo, ein Ort für Arbeit, Leben und Kultur. Bis 2030 sollen hier Wohnungen entstehen, Gewerberäume und das Depot für Bruno Stefaninis Hinterlassenschaft: Flugzeug-Wrackteile aus dem Zweiten Weltkrieg, Bilder von Ferdinand Hodler und Albert Anker, der Schreibtisch von John F. Kennedy – und die Unterhosen von Kaiserin Sisi von Österreich.

Nur mit Hand­schuhen anfassen, es könnte wert-voll sein – oder nur sperrig: Bettina Stefanini im Lager der Stiftung im Wintower.

Nur mit Handschuhen anfassen, es könnte wert-voll sein – oder nur sperrig: Bettina Stefanini im Lager der Stiftung im Wintower.

Geri Born
Von Ruth Brüderlin am 22. März 2025 - 18:00 Uhr